"Manhattan Tranfer" ist das New Yorker Äquivalent, genauer der Vorläufer, von "Berlin Alexanderplatz" - ein Großstadtroman aus den 20er-Jahren. Den Inhalt wiederzugeben fällt nicht leicht, denn es gibt keine durchgängige Handlung, der Roman setzt sich aus kürzeren und längeren Szenen zusammen, mit einer Fülle handelnder Personen, deren Lebenswege sich doch immer wieder kreuzt. Da ist Elaine/Ellen/Helena deren Geburt und Kindheit beschrieben wird, die sich später dem Schauspiel zuwendet und noch später dem Journalismus - sie begleitet der Autor über eine Spanne von 25 Jahren und durch drei Ehen. Ellen ist eine Aufsteigerin, die im geld- und machtgierigen New York vielleicht nicht immer glücklich ist, aber sich anzupassen und die Gegebenheiten auszunutzen weiß. Jimmy Herf dagegen ist ein Absteiger, seine glückliche Kindheit wird durch den Tod der Mutter beendet, er kommt mit dem Druck des Stadtlebens nicht gut klar. Das Schicksal Dutzender andere Personen, ihr sozialer Auf- und Abstieg wird teils genauer teils schlaglichthaft beschrieben.
Meine Meinung: Manche Aspekte des Romans haben mir sehr, sehr gut gefallen, die Art wie DosPassos seine Szenen "schneidet", die Schicksale verflicht, ist wunderbar, wie ein guter Episodenfilm. Egal wo ich über das Buch gelesen habe, immer fällt das Wort "Film", "Kameraperspektive", das fällt beim Lesen auf und ist überaus gut gemacht. Auf dieser Ebene habe ich das Buch sehr genossen. Das "Aber": Die Sprache. Seine beschreibenden Elemente beschränken sich sehr stark auf das Licht, ein typischer Satz: "Unter der Bogenlampe, die grelles Rot und grünrandiges Violett versprühte,...", solche Beschreibungen mit grellen Farben, sickerndem, sprühendem, fließendem Licht sind sehr häufig - nicht ganz mein Geschmack. Die Übersetzung (ich habe das nicht recherchiert) scheint mir recht alt zu sein, kämpft mit der Übersetzung von Slang, Akzenten und Sprachfehlern, Modewörtern - und kommt damit nicht immer klar, bzw. wenn jemand anfängt zu berlinern, dann erweckt das in mir kein Bild von New York. Sicher wäre es die Anstrengung daher wert das Buch im Original zu lesen.
Trotzdem kann ich das Buch sehr empfehlen, ich habe selten etwas gelesen, das so perfekt konstruiert war. Ein lesenswerter Einblick in das New York zu Beginn des 20. Jahrhunderts - das vielleicht bekannteste Zitat aus dem Roman: "Das Schreckliche, wenn einem New York zuwider wird, das Schreckliche ist, dass man nirgendwo anders hin kann."
Katia