Kapitel 15 - Ende ab 23.03.06

  • Die - zugegebenermaßen doch erwartete - überraschende Wendung bleibt genauso aus wie der von mir ebenfalls erwartete Rachezug, dennoch ist das Buch nicht unbefriedigend.


    Der General ist abgeklärt, im tiefsten Inneren kennt er die Wahrheit, er steht über den Dingen und verzichtet auf Details, Geständnisse, Beweise oder Motivationen. Er wirft sogar das Tagebuch ungelesen in die Glut. Konrad gibt durch seine Haltung und sein Schweigen meiner Meinung nach zu. Obwohl vieles ungesagt bleibt, gehen die beiden wohl in Frieden auseinander.


    Mein persönliches Fazit: Mich hat das Buch in seinem Aufbau, seinen Reflexionen und seinem Inhalt dauernd an "Das Vermächtnis der Eszter" erinnert und war eigentlich schon ein bisschen enttäuscht, dass dem Autor sozusagen "nichts Anderes eingefallen ist". An einigen Stellen waren mir die ständigen Wiederholungen und Gedanken und Monologe doch ein bisschen zu langatmig, andererseits verbargen sie so viel Weisheit und Abgeklärtheit, die es wohl wert wären, genauer durchdacht zu werden.


    Die besondere Hervorhebung der Männerfreundschaft ist wohl diskutierenswert (wie in den anderen Threads schon erläutert wurde), wobei ich glaube, dass sehr wohl solche Freundschaften unter Frauen genauso existieren können.


    Ich bin schon sehr gespannt auf eure abschließenden Meinungen!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Zitat

    Original von Rosalita
    Der General ist abgeklärt, im tiefsten Inneren kennt er die Wahrheit, er steht über den Dingen und verzichtet auf Details, Geständnisse, Beweise oder Motivationen. Er wirft sogar das Tagebuch ungelesen in die Glut. Konrad gibt durch seine Haltung und sein Schweigen meiner Meinung nach zu. Obwohl vieles ungesagt bleibt, gehen die beiden wohl in Frieden auseinander.


    Ich bin mir da nicht so sicher, ob Henrik die Wahrheit kennt. Ob alles, was er sich da zusammenreimt auch den Tatsachen entspricht. Ich denke vielmehr, dass das Alter einem später die Ruhe gibt, und sehr viele Sachen gar nicht mehr so wichtig sind. Es spielt keine Rolle mehr, ob es nun so war, oder anders, das Leben ist jetzt eh vorbei. Seine Rache, das Duell, alles ist irgendwie unwichtig geworden.


    Werde morgen noch etwas schreiben ...

  • Ja, es stimmt, es ist mittlerweile völlig unerheblich, was genau vorgefallen ist und was genau die Wahrheit ist.


    Ich glaube aber, dass sich Henrik sehr gut auf sein Gefühl und seinen Instinkt verlassen kann, und genau deshalb ahnt, was vorgefallen ist. Ohne allerdings jemanden anzuklagen.


    Es gibt doch in seinen ganzen Reflexionen und Erinnerungen ein paar Hinweise darauf.


    Zitat

    Seite 164
    „Natürlich meint Kristina, sie sei verliebt. Später stellt sich heraus, dass sie es nicht ist, nicht einmal zu jener Zeit. Sie ist bloß dankbar.“


    oder an anderer Stelle, wo Henrik feststellt, dass Kristina und Konrad wesensverwandt sind, "von derselben Art". Und genau deshalb verurteilt er wohl auch niemanden. Seine Gedanken zum Ende des Buches über (S. 193) die Treue und das Glück


    Zitat


    "Ist die Treue nicht ein entsetzlicher Egoismus, und auch eitel, so wie die meisten Belange eines Menschenlebens? Wenn wir Treue fordern, wollen wir dann das Glück des anderen? Und wenn er in der subtilen Gefangenschaft der Treue nicht glücklich sein kann, lieben wir ihn dann wirklich, wenn wir trotzdem Treue von ihm fordern?"


    Ich sehe Henrik in einer bemerkenswerten Abgeklärtheit, der gerade durch diese Äußerungen seinen Stolz nicht verliert.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Natürlich ist es völlig unerheblich nach 41 Jahren was vorgefallen ist und wie die Wahrheit genau aussieht. Aber wozu dann das späte Gespräch, bei dem Hendrik Konrad kaum zu Wort kommen läßt. Mich hätte das Geschehene aus seiner Sicht interessiert. Hendrik bastelt sich seine eigene Wahrheit. Wahr ist für mich-beide waren feige und Verlierer. Keiner hat um die Freundschaft gekämpft und ich bezweifle sehr,dass es jemals innige Freundschaft war. Im hohen Alter gab es nichts mehr zu kitten, höchstens ein Vergeben.
    Fazit: ein interessantes Buch mit viel sprachlichem Ausdruck und Atmosphäre, aber das unbefriedigende Ende kratzt an der Vollkommenheit.
    Gruß Wirbelwind


    :study: Brenda Joyce, Haus der Schande

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Wirbelwind
    Mir gefällt, was du geschrieben hast. Da ich so ziemlich die gleichen Gedanken hatte, schließe ich mich dir an und zitiere dich. Ich hoffe, dass dich das nicht stört. :wink:


    Zitat

    Original von Wirbelwind
    Natürlich ist es völlig unerheblich nach 41 Jahren was vorgefallen ist und wie die Wahrheit genau aussieht. Aber wozu dann das späte Gespräch, bei dem Hendrik Konrad kaum zu Wort kommen läßt. Mich hätte das Geschehene aus seiner Sicht interessiert. Hendrik bastelt sich seine eigene Wahrheit. Wahr ist für mich-beide waren feige und Verlierer. Keiner hat um die Freundschaft gekämpft und ich bezweifle sehr,dass es jemals innige Freundschaft war. Im hohen Alter gab es nichts mehr zu kitten, höchstens ein Vergeben.


    Das Geschehen vor 41 Jahren ist wirklich nicht mehr wichtig. Aber das erkennt Henrik erst an diesem besagten Abend. Im 1. Abschnitt sagt er zu Nini, dass er die Wahrheit wissen möchte. Worauf Nini weise entgegnete, er würde die Wirklichkeit kennen. Das ist dann wohl auch das Entscheidende. Die Wirklichkeit haben Henrik und Konrad erlebt. Wobei jeder sicher seine eigene Wahrheit, eigene Beweggründe, hat.


    Was haltet ihr davon, dass Marai das Buch in einer Art Monolog enden lässt, weil sich Henrik und Konrad gar nicht so sehr unterscheiden. Also warum sollen da beide sprechen. Habt ihr das Nachwort von Christina Viragh gelesen?


    Jetzt müssen sie auch nicht mehr um ihre Freundschaft kämpfen, die Zeit ist gegen sie. 41 Jahre lang haben sie ungenutzt verstreichen lassen. Nun ist es nicht mehr wichtig.


    Ich denke aber schon, dass es zwischen den beiden Protagonisten eine innige Freundschaft gab. In der Diskussion zum 1. Abschnitt sprachen wir von Liebe. Dieser Meinung bin ich immer noch. Obwohl es doch wohl eher eine Hass-Liebe war. Einer hat dem anderen geneidet was er ist, woher er kommt, was er kann und was er hat.


    Zitat

    Original von Wirbelwind
    Fazit: ein interessantes Buch mit viel sprachlichem Ausdruck und Atmosphäre, aber das unbefriedigende Ende kratzt an der Vollkommenheit.


    Das Ende hat mich auch nachdenklich gestimmt. Ich hatte ein anderes erhofft. Aber vielleicht fehlt mir dazu die Abgeklärtheit. Hätte mir "Die Glut" besser gefallen, wenn Henrik und Konrad sich "duelliert" hätten? Ich glaube nicht. Henrik erwartet nichts mehr, nichts von Konrad und nichts vom Leben. Aus diesem Grund ist das Ende für mich dann doch in Ordnung.


    "Die Glut" wird nicht das letzte Buch von Márai sein, das ich gelesen habe.

  • Hallo Karthause,
    ich finde mich in deinem Beitrag wieder. Ich sehe es genau wie du.


    Und ich habe auch zunächst immer gewartet, was Konrad denn nun zu sagen hat, doch dann war mir das auch nicht mehr so wichtig. Das Geschehen aus seiner Sicht drückt er doch auch mit seinem Schweigen aus. Für mich ist es z.B. auch klar, dass er Henrik töten wollte und dass Krisztina davon wusste. Das erklärt ihre Reaktion, als Henrik leise den Raum betritt, als sie las und auch ihr Verhalten in Konrads Wohnung. Und auch das Motiv, mögliche Alternativen, welche Möglichkeiten Konrad und Krisztina haben, lässt Marai Henrik auf S. 202 sagen: "Und deine Hand, die das Gewehr hält, wird schwach, als du mich eines Morgens töten willst, denn du hälst dieses Gehetztsein, dieses Versteckspiel, all diese Mühseligkeit nicht mehr aus .. Was könntest du denn tut? Mit Krisztina durchberennen? Du müsstest auf deinen Rang verzichten, du bist arm, Krisztina ist auch arm, von mir könnetet ihr nichts annehmen, nein, fliehen kannst du nicht mit ihr, leben auch nicht, heiraten kannst du sie auch nicht, ihr Liebhaber zu bleiben ist lebensgefährlich, noch gefährlicher als der Tod..." (Diese Worte bestätigen mich u.a. auch in meiner Meinung, dass Mitleid gegenüber Hernik nicht Konrads Mord-Motiv ist. Die Gnaden-Theorie halte ich für abwegig)
    Und mit dem - für mich überraschenden Ende - kann ich gut leben. Denn alle Alternativen erscheinen mir platt und unbefriedigend.


    Das Nachwort habe ich übrigens auch gelesen. Es bringt interessante Aspekte, wie der von dir erwähnte. Und wie ich schon an anderer Stelle schrieb, hat es mich sehr berührt, dass Marai sich umgebracht hat.


    Z.Z. beschäftigen wir uns mit Konfirmanden über die sogenannten sieben Todsünden. Auch hier im Buch tauchen einige von ihnen explizit des öfteren auf, der Hochmut, der Neid und der Zorn. Und es wird deutlich, dass dieses "Sünden" in lebensvernichtendes Verhalten münden. Das fand ich sehr spannend.


    Und auch Karthauses Bezeichnung "Hass-Liebe" finde ich treffend. Ich habe irgendwo mal gelesen, weiß leider nicht mehr von wem: "Wer einen Menschen hasst, hat ihn geliebt, liebt ihn noch oder wird ihn lieben." Da ist für mich viel Wahres dran.


    Und auch für mich war "Die Glut" sicher nicht das letzte Buch von Marai. :wink:


    grüße von missmarple

  • Hallo Rosalita,
    die von dir zitierte Stelle mit der Treue hat mich auch sehr sehr berührt. (Ich habe spontan einen Post-it- Zettel hingeklebt.) Ich finde Marais Gedanken zu diesem Thema treffend und faszinierend. Ich finde es bewundernswert, wenn man so klar gängige Sichtweisen hinterfragen kann und zum Nachdenken anregt. - Auch aus diesem Grund möchte ich unbedingt noch mehr von ihm lesen.


    Ich bin sehr froh, dass Heidi dieses Buch für die Leserunde vorgeschlagen hat, denn wer weiß, wie lange dieses "Schätzchen" sonst noch ein ungelesenes Dasein in meinem Regal gefristet hätte. :-,


    grüße von missmarple

  • Zitat

    Original von missmarple
    Ich bin sehr froh, dass Heidi dieses Buch für die Leserunde vorgeschlagen hat, denn wer weiß, wie lange dieses "Schätzchen" sonst noch ein ungelesenes Dasein in meinem Regal gefristet hätte. :-,


    Das stimmt! Ich hatte es schon mindestens 1 Jahr ungelesen im Regal.


    zu Marai: Eine Bekannte von mir ist gebürtige Ungarin und seit ca 15 Jahren in Österreich, kann also auch mittlerweile perfekt deutsch. Sie ist großer Fan von Marai, hat die Bücher sowohl im Original als auch auf deutsch gelesen und findet auch die Übersetzungen ganz tadellos. Sie empfiehlt übrigens "Wandlungen einer Ehe".


    Für mich sehr bemerkenswert ist, dass Marai ja schon einige Jahre tot ist (1989) und seine Bücher posthum sozusagen eine "Renaissance" erleben. War nicht "Die Nacht vor der Scheidung" voriges Jahr in den Bestsellerlisten ganz oben?


    @ all: Ich kann mich euren Gedanken auch anschließen, es ist völlig unerheblich, was genau passiert ist. Und ich denke, dass ein Rundumschlag von Seiten Henriks bzw. ein Racheplan oder eine Abrechnung ihm Erleichterung verschafft hätten. - auch nicht dem Leser ;)

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Zitat

    Original von Rosalita


    @ all: Ich kann mich euren Gedanken auch anschließen, es ist völlig unerheblich, was genau passiert ist. Und ich denke, dass ein Rundumschlag von Seiten Henriks bzw. ein Racheplan oder eine Abrechnung ihm Erleichterung verschafft hätten. - auch nicht dem Leser ;)


    Hallo Rosalita,
    fehlt da vielleicht ein "kein" ? , ich denke nämlich, dass "ein Rundumschlag von Seiten Henriks bzw. ein Racheplan oder eine Abrechnung ihm keine Erleichterung verschafft hätte. Oder hätte es dir als Leser Erleichterung verschafft, wenn Henrik sich an Konrad gerächt hätte?


    grüße von missmarple

  • Zitat

    Original von missmarple


    fehlt da vielleicht ein "kein" ? , ich denke nämlich, dass "ein Rundumschlag von Seiten Henriks bzw. ein Racheplan oder eine Abrechnung ihm keine Erleichterung verschafft hätte. Oder hätte es dir als Leser Erleichterung verschafft, wenn Henrik sich an Konrad gerächt hätte?


    :drunken: och, ja, stimmt, danke! :drunken:

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


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  • Ich würde auch hier gerne wieder mit einem Zitat aus dem Buch beginnen: (S. 74 unten) >>Die Wirklichkeit ist nicht die Wahrheit<<, erwiderte der General. >>Die Wirklichkeit ist nur ein Teil. Auch Krisztina kannte die Wahrheit nicht. Vielleicht hat Konrád sie gekannt. Und jetzt nehme ich sie ihn ihm weg<<
    Hierin liegt für mich der Schlüssel der Lektüre, Márai liefert ihn wie auch schon im „Vermächtnis der Eszter“.
    Noch ein Zitat aus dem Schüler Duden „Philosophie“ über Wahrheit: „Die Frage, ob eine Aussage oder ein Gedanke wahr sei, lässt sich … nicht allein durch sprachliche oder gedankliche Betrachtung beantworten. Wahrheit ist auch nicht vom subjektiven Grad der Überzeugtheit zu garantieren.“
    Und alleine schon aus diesem Grund fand ich auftretenden Diskussionen zu Freundschaft, Charakterbilder von Kónrad und Krisztina u.a. nicht angebracht, denn alles was wir gelesen haben ist die rein subjektive Annahme oder Wahrheit von Henrik. Es stellt sich das Subjekt-Objekt-Problem, denn wir erfahren rein gar nichts von Kónrad. Alles ist nur subjektives Empfinden von Henrik.


    Als Leser kann ich die Wirklichkeit erkennen, und ich denke Henrik nimmt sie zum Schluss auch wahr, und auch eine Art von Wahrheit begreifen, dass es nämlich im Buch keine Wahrheit gibt, alles nur Spekulationen.
    Ich erkenne aber auch das System, dass man sehr schnell geneigt ist, eine Synthese ohne Antithese zu erstellen, und transportiere das auf mein Leben.
    Für mich gibt es viele Ansätze, die ich noch gerne diskutiert hätte, und zwar über Henrik. Zum Beispiel: Stirbt er jetzt wirklich leichter, ist er zur Ruhe gekommen?


    PS Noch einmal zum „Gnadenschuss“, auch wenn er aus der Tierwelt übertragen wurde, jeder hat verstanden was ich ganz lapidar sagen wollte. Nein, es wäre keiner gewesen, auch wenn Henrik Leid und Einsamkeit erspart geblieben wäre, ihm wäre aber die Zeit für seine Entwicklung, Erkenntnis und der Suche gestohlen worden.

  • Zitat

    Original von Heidi Hof
    ...Und alleine schon aus diesem Grund fand ich auftretenden Diskussionen zu Freundschaft, Charakterbilder von Kónrad und Krisztina u.a. nicht angebracht, denn alles was wir gelesen haben ist die rein subjektive Annahme oder Wahrheit von Henrik. Es stellt sich das Subjekt-Objekt-Problem, denn wir erfahren rein gar nichts von Kónrad. Alles ist nur subjektives Empfinden von Henrik.


    Hallo Heidi,
    für mich spricht das überhaupt nicht dagegen, dass man sich nicht Gedanken über die anderen Charaktere dieses Buches machen kann oder soll. Ich finde nicht, dass wir "rein gar nichts" über Konrad erfahren.
    Warum kann man nicht über die Freundschaft nachdenken? Denn sie bestand. Warum soll man sich nicht Gedanken über die Treue machen, vielleicht Mitleid mit Krisztina oder sonstwem haben oder über mögliche Motive spekulieren?
    Natürlich ist das Buch mit dem Monolog so angelegt, dass Marai Henrik "subjektiv" seine Sicht des Geschehens schildern lässt. Aber aufgrund der Vorgeschichte, der Reaktion Konrads und das Verhalten Ninis beispielsweise kann und soll man sich als Leser doch ein Bild vom Geschehen, von den menschlichen Verwicklungen und vor allen Dingen von den Gefühlen machen. Auch, wenn das nicht "die Wahrheit" ist oder sein kann.


    Das, was du als Subjekt-Objekt-Problem bezeichnest, verstehe ich so leider nicht.


    Wichtig ist für mich, dass mich das Buch sehr nachdenklich stimmte und viele existentiellen Sinnfragen aufwirft.


    Die Frage, die du aufwirfst, Heidi, ob Henrik leichter stirbt, wenn er zur Ruhe gekommen ist, würde ich ganz "subjektiv" mit einem "Ja" beantworten. Und mich beschäftigten halt auch noch andere Fragen, die sich mir während der Lektüre (z.T. auch, ohne Kenntnis des ganzen Buches) stellten.


    grüße von missmarple

  • Hallo!


    Ich finde auch, dass es keine objektive "Wahrheit" in diesem Buch gibt, dass sämtlichen Spekulationen freier Lauf gelassen werden kann und dass jeder Leser für sich die Deutungen, Hinweise, Gefühle je nach eigenen Befindlichkeiten, eigenem Wertesystem usw. abwägen kann. Gerade das macht dieses Buch und die Diskussion so spannend.


    Bei einem Krimi weiß man zum Schluss klipp und klar, wer der Täter ist, da gibts meist nicht viel zu deuten. Aber bei diesem Buch gibt es viele Varianten, viele Interpretationsmöglichkeiten und ich finde es total interessant, welche Aspekte von den Lesern hervorgehoben werden und wie jeder seine Meinung begründet. :thumleft:
    Ich denke auch, Marai hat so vielschichtige Aspekte angesprochen und es war wohl so gewollt, dass sich jeder für sich etwas aus dem Buch holt, und das ist ihm gelungen! :thumright:

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • So, da bin ich ja nicht die Einzige, die noch auf das Nachwort zu sprechen kommen wollte ;)
    Ich finde, dass Márái eine faszinierende Art hat, das Leben zu sehen. Mag sein, dass das nur mir so vorkommt, aber das soll mir egal sein ;)


    ""Mag sein, daß die Einsamkeit den Menschen zerstört, so wie sie Pascal, Hölderlin und Nietzsche zerstört hat. Aber dieses Scheitern, dieser Bruch sind eines denkenden Menschen noch immer würdiger als die Anbiederung an eine Welt, die ihn zuerst mit ihren Verführungen ansteckt,um ihn dann in den Graben zu werfen...Bleib allein und antworte..." (Zitat Márái)


    Irgendwie sehe ich in diesem Satz eine gewisse Verbitterung und ich finde darin beinahe alle Personen des Buches wieder. Meiner Meinung nach weist Márái Parallelen zu ihnen allen auf, denn schließlich hat auch er selbst sein Leben in Einsamkeit verbracht...

    Gibt es schließlich eine bessere Form, mit dem Leben fertig zu werden, als mit Liebe und Humor?


    Charles Dickens

  • Rabe
    Ich stimme dir unumwunden zu, Márais Sicht auf das Leben ist schon eine ganz besondere. Mich hat das Buch tief beeindruckt. Ich bin schon auf weitere Werke von ihm gesspannt. Wie ich in den verschiedenen Threads und auch im Chat schon gelesen habe, werde ich auch nicht enttäuscht werden.


    Auch mir sind die Parallelen zum Leben Márai's beim Lesen des Nachwortes deutlich geworden. Da waren sie wieder, die einundvierzig Jahre. Einundvierzig Jahre wartete Márai einsam auf eine mögliche Rückkehr in seine Heimat, vergebens. Wie wohl auch vieles im Leben von Henrik, Konrad und Krisztina vergebens war.

  • Leider kann ich nichts zu dieser Leserunde beitragen.


    Durch die Wohnungsauflösung meiner Tante bis zum 31.3. und eine damit verbundene Erbstreitigkeit, bin ich nicht zum Lesen gekommen. Das heißt, ich hatte in den letzten Tage auch zum Lesen keine innere Ruhe.
    Und die Glut ist meiner Meinung nach kein Buch zum Überfliegen.
    Im April wird's wieder besser - versprochen.

    "Die Erde ist aller Wesen Erhalterin, sowohl des Menschen, der sie bebaut, als auch des Hamsters, der sie durchwühlt." Friedrich Gabriel Sulzer
    Offroader kommen in den Himmel, durch die Hölle sind wir schon gefahren.


    :study: Der Name des Windes - Patrick Rothfuss