"Mein irisches Tagebuch" von Ralph Giordano

  • Klappentext:


    Ein Meisterwerk der Reiseliteratur!
    Fünf Monate durchstreifte Ralph Giordano nahezu jede Region der grünen Insel. In wunderbar farbigen Bildern vermittelt er dem Leser die ebenso grossartige wie idyllische Schönheit ihrer Landschaften.
    Aber die Begegnungen mit ihren oft recht eigenwilligen Menschen- von Giordano mit grosser Einfühlung und Wärme geschildert- sind es, die dieses Buch zu einer Liebeserklärung an Irland werden lassen.


    ..........ein wunderbares Buch, farbig, spannend, sensibel und voller Überraschungen; ich liebe Irland und hatte eigentlich nur noch das Gefühl.....Koffer packen und weg!


    Grüsse von Bonprix

  • Zum Inhalt (Klappentext):
    Die Iren sind anders. Der Nationalcharakter dieses zerrissenen Volkes ist gleichermaßen fremd und liebenswert. Wo verehren die Menschen ihre Dichter leidenschaftlicher als in Irland? Wo sonst bejubeln Lottogewinner ihr Glück in aller Öffentlichkeit? Und wo sonst haben Melancholie und Exzess geheiratet? In einem Teil von Europas grüner Insel, in Nordirland, herrscht noch der Hass. Noch stehen sich Protestanten und Katholiken als Feinde gegenüber. Noch droht die Gewalt jeden Tag aufs neue auszubrechen, obwohl die Mehrheit beider Bevölkerungsgruppen den Frieden will. Wie lange müssen sich Menschen dort noch vor Menschen fürchten?
    Ralph Giordano vereint in ganz eigener Weise Sensibilität und analytischen Sinn in seiner poetischen Hymne auf ein Land, das uns so rückständig und so schön erscheint. Wie mit bunten Farben schildert er Menschen und Ereignisse, in denen sich die Vergangenheit ausprägt wie nirgendwo sonst in der Welt.
    Giordano durchstreift nahezu jede Region der Insel, sucht überall das Gespräch mit Menschen, gerät zwischen die Fronten des nordirischen Konfliktes, folgt wochenlang den Spuren irischer Dichter und findet endlich am Lough Sheelin sein lebenslang gesuchtes Paradies. Irland ist ein unbegreifliches Land – es sei denn, wir sehen es mit den Augen Ralph Giordanos.



    Mein Kommentar:
    Dem Buch liegt die Idee einer sehr sorgfältig ausgearbeiteten Reisebeschreibung durch ganz Irland zugrunde, wobei Ralph Giordano versucht, nicht nur geographisch möglichst viel abzudecken, sondern auch vielfältige Aspekte wie Natur, Kultur, sozial- und innenpolitische Themen, Geschichte des Landes, Mentalität der Iren und ihr Sozialleben. Dabei beteuert er immer wieder, wie tief er sich von diesem Land angezogen und berührt fühlt.


    Am besten haben mir seine kurzen Abrisse über geschichtliche Phasen und Ereignisse gefallen. Sie wurden gekonnt beschrieben, sodass ich mehrfach fast enttäuscht war, weil das jeweilige Kapitel schon zu Ende war. Der Stil des Autors in den geschichtlichen Zusammenfassungen hat mich einfach mitgerissen.
    Auch die Beweggründe, die den Autor motiviert haben, den einen oder anderen Ort unbedingt zu besichtigen, und seine jeweiligen Erläuterungen hierbei, halte ich für absolut lesenswert. Giordano versucht, dem Leser die kleinen Eigenheiten und Schrullen der Landsleute näherzubringen. Ich habe den Eindruck, dass ihm dies ganz gut gelingt, obwohl ich während der Lektüre ab und zu eine gewisse Distanz zwischen Autor und den einfachen Menschen zu spüren glaubte. Giordanos Erklärungen zu einzelnen irischen Schriftstellern erschienen mir ebenso sehr interessant.


    Zugegebenermaßen gab es auch einige Unannehmlichkeiten bei der Lektüre von Giordanos Irischem Tagebuch, die mich stellenweise in ziemlich schlechte Laune versetzt haben: zum einen seine gehäuften Naturbeschreibungen – der Irlandaufenthalt, der dem Buch zu Grunde liegt, dauerte im Jahr 1994 über fünf Monate, d.h. er hat ziemlich viel Hügel, Wiesen, Ruinen, Küsten usw. besucht. Für die Eindrücke jedes einzelnen Ortes benutzt er so viele Eigenschaftsworte vom Typ „zerrissen, zerklüftet, zierlich, herrlich, erhaben, tosend, gewaltig, atemverschlagend, blendend, anmutend, zyklopisch, einmalig, unvergleichlich, großartig, unerreichbar (und, und, und …)“, dass ich bereits nach wenigen Kapiteln nur noch an Axel Hacke in seiner Satire „Wein oder nicht Wein“ (aus „Das Beste aus meinem Leben“) denken konnte: „…er könnte auch ein Adjektivgeschäft aufmachen“. Kurz und gut, ein paar weniger ausführliche Eindrücke zu Wellen, Felsen, Wald, Wiesen und Ruinen hätten möglicherweise poetischer auf mich gewirkt.


    Auch scheint mir das Buch eine Note zu wenig humorvoll. Ralph Giordano weiß genau, wo seine kleinen persönlichen Schwächen liegen, doch statt sich selbst etwas mehr auf die Schippe zu nehmen, bleibt er fast das gesamte Buch hindurch dabei, seine sehr deutsche „Allianzmentalität“ mit erhobenem Finger ob der infrastrukturellen Unzulänglichkeiten des Landes ein bisschen zu ernst zu nehmen. Dabei hätten sich im Buch viele Situationen geradezu angeboten, mehr Humor einzubauen. Erst auf den allerletzten Seiten hat er mich mit seinem Gang über eine Hängebrücke zum Lachen gebracht. Zu seiner Rechtfertigung sei hinzuzufügen, dass Ralph Giordano bereits 71 Jahre alt war, als er diese Reise unternommen hat.


    Und da er im letzten Kapitel über „Das andere Irland“ genau das gebracht hat, was ich mir von diesem Buch gewünscht und erwartet hatte (eine Erklärung zu Zusammenhängen und Bedeutung des Nordirland-Konfliktes), sei ihm alles andere verziehen. Ich bin völlig begeistert davon, wie gut Giordano in den vier vorherigen Buchteilen, die er mit dem Namen seiner jeweiligen Aufenthaltsorte betitelt hat, geschichtliche und sich daraus entwickelnde politische Zusammenhänge klar und lebendig darstellt. So findet man sich als Leser im Teil über Nordirland und seine Konflikte zwischen Protestanten und Katholiken mühelos in das Verständnis ein um die Gruppierungen der Unionisten und Loyalisten auf der einen Seite, der Nationalisten und Republikaner auf der anderen Seite. Der Autor erwähnt mehrfach, wie sehr ihn dieses gewaltgeladene Thema bedrückt. Umso höher rechne ich es Giordano an, wie sehr er sich um Ausgewogenheit, Vollständigkeit und klare Darstellung der Zusammenhänge bemüht hat. Die hundert Seiten des Teils über das „andere“ Irland habe ich praktisch ohne Unterbrechung durchgelesen durchlebt.

    Ich möchte mit einem Zitat aus Giordanos Irischem Tagebuch (Seite 406) abschließen, mit dem er ein sorgloses Familienleben gegen die ständige Bedrohung gewalttätiger Anschläge abwägt: „Abwesenheit von Furcht – welch ein großes, welch ein kostbares Gut.“

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Ralph Giordano hat in seinem irischen Tagebuch hat die nordirischen Verhältnisse in politischer Hinsicht sehr gut und mit großem Bemühen zu Offenheit gegen beide Seiten dargelegt. Hinzu kommt, dass das Buch interessant und unterhaltsam gestaltet ist. Sehr gute Empfehlung von Dir, tom leo – nochmals meinen herzlichen Dank.
    Im Moment bin ich gerade dabei, meine Informationslücken zwischen 1994 und 2011 versuchsweise über das Internet zu schließen. Mit aufrichtigem Bedauern musste ich feststellen, dass sich gewalttätige Ausschreitungen in Nordirland seit 2009 anscheinend wieder gehäuft haben und eine endgültige friedliche Lösung für den Nordirlandkonflikt immer noch nicht absehbar scheint.

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog