T. C. Boyle - Good Home / Stories II

  • Über das Buch
    Wenn in T.C. Boyles Amerika von Good Home die Rede ist, muss man auf alles gefasst sein: Ein Mann legt sich eine Schlange zu, doch die Ratten, mit denen er sie füttern will, wachsen ihm so sehr ans Herz, dass er Dreizehnhundert von ihnen beherbergt. Eine betörende Frau lässt sich auf den Hundemann ein – was der mit ihren Kätzchen getan hat, kann sie nicht ahnen. Riesenhafte Menschen nehmen an einem wahnwitzigen Experiment teil; das Ziel: die Züchtung kriegerischer Kolosse. T.C. Boyle, der Meister der Kurzprosa, erkundet in zwanzig neuen Erzählungen die dunkle Seite der amerikanischen Seele. Urkomisch, exzentrisch, unheimlich.
    Besonders das Vorwort gefällt mir sehr

    Ich weiß nicht, was ist mir lieber:
    Die schöne Modulation
    oder die schöne Andeutung
    der Triller der Amsel
    oder sein Verhauchen
    Wallace Stevens, »Dreizehn Arten eine Amsel zu betrachten«


    Es sind keine Wohlfühlgeschichten welche in diesem Band zu lesen sind. Menschen welche wie Abseits stehen, ihren Weg noch nicht gefunden haben und ihn eventuell nie finden werden. Dennoch einige lassen hoffen. Ich werde mich nur einigen von ihnen etwas mehr widmen, darf jedoch sagen keine hat mich enttäuscht.


    In Balto lernen wir einen Vater kennen der sich selbst etwas vorlügt. Balto ist auch die Geschichte des Huskys welcher durch seine Tat zum Helden wird, die der Vater seinen Töchtern gerne vorliest. Es ist auch die Geschichte von Angelle welche sich nicht von den Erwachsen manipulieren lässt, auch wenn ihr bewusst wird wie gute Wahrheiten schmerzhaft sein werden.
    In La Conchita treffen wir Gordon den Fahrer welcher so schnell wie möglich eine Leber für eine lebensnotwendige Transplantation überführen muss dessen Gedanken nur um die Schnelligkeit des Transports kreisen, in einen Megastau verursacht durch einen Erdrutsch mit Unfallopfern gerät, wobei er von sich selbst sagt dass er bei solchen nicht von Nutzen sein kann, er nicht die nötige Ruhe dafür aufbringt um zu helfen. Dennoch über sich hinauswächst und zu einem Retter wird.
    Sin Dolor die traurige Geschichte von Dámaso , von allen nur deshalb " Sin Dolor" genannt, weil der Junge keine körperlichen Schmerzen fühlt. Der seiner Familie helfen will indem er sich gegen Entgelt körperliche Schmerzen zufügen lässt, eine schmerzvolle Erzählung, denn nur sein Arzt erkennt seine seelischen Schmerzen, kann ihm jedoch nicht helfen.
    Hände,diese sanft über ihr Gesicht streifenden ihres Arztes erwecken in einer Frau, noch nicht vierzig, geschieden, der es an nichts Mangelt, dennoch unzufrieden ist und es mit Schönheitskorrekturen versucht, neuartige Gefühle. Interpretiert somit etwas in seine Hände, was gar nicht vorhanden ist und hofft ihre innere Leere füllen zu können.
    Die Lüge auch wenn noch so "klein""entsteht aus der Unlust zur Arbeit zu fahren, alle freien Tage wie auch die möglichen Krankheitstage schon aufgebraucht sind, ist eine Geschichte welche unter die Haut geht. Denn wie eine Spirale welche sich abwärts dreht entsteht aus der kleinen Lüge eine so grosse dass es mehr wie schmerzhaft wird, und der Kummer so überwältigend dass die erhoffte Freizeit wie ein Albtraum wirkt.
    Mein Schmerz ist grösser als deiner erörtert die Frage, wie viel kann eine Person wohl ertragen was ist Pech was ist einfach Schicksal und trotz der Tragik welcher in dieser Erzählung steckt, ein Schmunzeln kann man sich nicht verkneifen.
    Frage 62 handelt von zwei Schwestern beides Vegetarierin, welche sich geschworen haben keine Lebewesen zu töten, dennoch kniet Mae im Gartenbeet, zerquetscht mit dem Pflanzenheber Schnecken und blickt plötzlich zehn Meter von ihr entfernt hinter dem Gartenzaun in die Augen eines Tigers, während tausende von Kilometer von ihr entfernt Anita mit der Frage 62 konfrontiert wird, jedes eine Erlebnis der besonderen Art.


    Zwanzig Geschichten, jede von ihnen ein eigener kleiner Kosmos, keine wartet mit einem HappyEnd auf, einige sind schockierend in ihrer Offenheit, man hat als Leser gewisse Erwartungen welche allerdings nicht den gemachten Vorstellungen entsprechen. Bei einigen wünscht man sich als Leser das die Personen noch die Kurve kriegen bevor es zu spät ist, manchmal ist man überrascht wie angenehm die Geschichte endet. Oftmals ist der Schluss der Erzählung so unerwartet abrupt, dass man als Leser einfach konsterniert den letzten Satz anstarrt. Boyle kann mich mit seinem Schreibstil immer noch überraschen und bei einigen Sätzen dachte ich einfach nur, wie "kaputt"" ist das denn.

    Zitat von T. C. Boyle

    Nein, hatte sie sagen wollen, es ist überhaupt nicht besser, es ist nie besser, und es wird nie besser sein, denn die Welt ist scheisse, und Tripper ist scheisse und zickige Krankenschwestern, säuerliche, herablassende Ärzte und der ganze Rest sind ebenfalls scheisse, aber trotzdem hatte sie gelächelt und gesagt: Ja.

    Da man in jeder dieser Geschichte wieder mit neuen Personen konfrontiert wird, ist es eine relativ kurze Zeitspanne damit man sich mit ihnen intensiv beschäftigen kann, somit muss man sich als Leser sehr schnell entscheiden ob man sie mag oder ablehnt. Praktisch alle diese Erzählungen haben einen gemeinsamen Nenner, das Glas gefüllt mit einem alkoholischen Getränk als ständiger Begleiter an dem sich die Personen festhalten können, es als ihre Stütze brauchen.
    Diese Erzählungen erschienen im Original zwischen 2003 und 2011 in verschiedene amerikanischen Zeitschriften.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter