Sabine Weigand - Die Manufaktur der Düfte

  • Kurzmeinung

    mondy
    Historisch fundiert, flüssig zu lesen und inhaltlich vielfältig.
  • Kurzmeinung

    ManuH
    Historisches belegte Geschichte der Seifensiederei in Schwabach, anfangs zu große Zeitsprünge und zu viele Personen
  • Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)
    Das Schicksal einer Familie. Ein tragisches Geheimnis. Ein gefährlicher Traum… Die große Gründerzeit-Saga von Bestsellerautorin Sabine Weigand.
    Der junge Fritz Ribot hat große Träume. Seine Seifenrezepturen machen die Familie reich und mächtig. Muss er für den Erfolg auf Aleksandra, seine Liebe in Russland, verzichten? Darf er seiner schönen Schwester Lisette erlauben, sich mit Hans, dem Arbeiter in der Fabrik, zu treffen? Im Glanz der Gründerzeit ahnt keiner in der Familie, dass mit der heraufziehenden Weltkriegsgefahr Fritz‘ Lebenswerk auf dem Spiel steht – und damit alles, wofür die Ribots so sehr gekämpft haben…
    Der große Gründerzeitroman voller Gefühl, Dramatik und Wahrheit.


    Autorin (Quelle: Verlagsseite)
    Sabine Weigand stammt aus Franken. Sie ist promovierte Historikerin und arbeitete als Ausstellungsplanerin für Museen. Historische Originaldokumente sind der Ausgangspunkt vieler ihrer Romane, wie ›Die Markgräfin‹, ›Das Perlenmedaillon‹, ›Die Königsdame‹, ›Die Seelen im Feuer‹ und ›Die silberne Burg‹. In ›Die Tore des Himmels‹ gestaltet sie das Leben der Hl. Elisabeth, in ›Das Buch der Königin‹ das Schicksal der deutschen Kaiserin Konstanze, in ›Ich, Eleonore. Königin zweier Reiche‹ der europäischen Skandalherrscherin. Ihr neuer Roman ›Der Duft der Zeit‹ schildert das Schicksal einer Seifenfabrikantendynastie.
    Literaturpreise:
    »Kulturmeter« Stadt Schwabach


    Allgemeines
    Erscheinungstermin: 8. März 2018 bei Fischer Krüger als HC mit 688 Seiten
    Roman in sechs Büchern mit nummerierten und mit Zeitangaben betitelten Kapiteln – Umfangreiches Nachwort der Autorin – Personenverzeichnis mit Markierung historischer und fiktiver Romanfiguren – Stammbaum der Familie Ribot – Werbeanzeigen für Produkte der Firma Ribot im vorderen und hinteren Einband
    Erzählung größtenteils in der dritten Person aus wechselnden Perspektiven, teilweise auch Ich-Erzählung durch Briefe und Tagebücher
    Handlungsorte und -zeit: hauptsächlich Schwabach und Nürnberg, 1845 bis ca. 1934


    Zum Inhalt
    Im Mittelpunkt des Romans steht der Seifenfabrikant Fritz Ribot (1852 – 1914). Die Handlung setzt allerdings bereits im Jahr 1845 ein, als sein Vater Philipp Benjamin Ribot als junger Seifensiedergeselle auf der Wanderschaft nach Schwabach kommt, dort in dem kleinen Familienbetrieb des Ernst Strunz Arbeit findet und durch Einheirat zum Nachfolger des Seifensiedemeisters wird. Bereits unter Philipp halten dank neuer technischer Möglichkeiten wesentliche Verbesserungen in der Seifensiederei Einzug, sein Sohn Fritz, der Seifensieder aus Leidenschaft ist, reist zu Verwandten nach Amerika und bringt von dort weitere neue Konzepte mit. In den folgenden Jahrzehnten wird die Seifensiederei Philipp Benj.Ribot zum Königlichen Hoflieferanten und zu einem der größten und bedeutendsten Unternehmen der Branche mit Handelsbeziehungen bis nach China. Der Anfang vom Ende kommt mit dem Ersten Weltkrieg, als die Seifenproduktion zugunsten anderer Tätigkeiten (Produktion von Glyzerin für Kriegszwecke) eingestellt werden muss. Auch nach dem Krieg kann sich die Firma nicht mehr erholen, die Menschen haben kein Geld für Luxusartikel wie die Ribot´schen „Spezialseifen“ und die Inflation in den Zwanzigerjahren hat katastrophale Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft.


    Beurteilung
    Der Roman gibt anhand der Firmen- und Familiengeschichte der Ribots höchst interessante Einblicke in die Seifensiederei, die sich ab der Mitte des 19.Jahrhunderts aufgrund neuer technischer Errungenschaften zu einer hohen Kunst entwickelte und verschiedenste Arten vorher unbekannter Luxusseifen hervorbrachte. Auch Waschpulverflocken und Zahntropfen wurden in der stetig expandierenden Fabrik produziert. Als neues – aus Amerika abgeschautes – Konzept kamen Marketingstrategien wie Werbung, Sammelkarten und Gewinnspiele zum Einsatz, die den Verkauf zusätzlich ankurbelten.
    „Die Manufaktur der Düfte“ befasst sich jedoch nicht nur mit der Seifensiederei, sondern zeichnet auch ein umfängliches Panorama der Zeit zwischen 1845 bis ca. 1934. Dabei wird die Politik (Entstehung der Sozialdemokratie und später das Aufkommen des Nationalsozialismus) ebenso beleuchtet wie der gesellschaftliche Wandel (sich änderndes Selbstverständnis der Arbeiterschaft und der Frauen), der technische Fortschritt (Eisenbahnen, Automobile, Maschinen in den Fabriken) und auch neue Formen des Freizeitverhaltens (erste Fußballspiele in der Bundesliga, Einflüsse amerikanischer Entwicklungen auf Musik und Tanz).
    Sehr viele der charakterlich überaus differenziert gestalteten Romanfiguren sind historische Persönlichkeiten, die fiktiven Figuren verdeutlichen exemplarisch die Situation der jeweiligen Bevölkerungsgruppe (z.B. Fabrikarbeiter, Handwerker). In einem informativen Nachwort erläutert die Autorin, an welchen Stellen sie sich literarische Freiheiten herausgenommen und wo sie sich streng an die historischen Ereignisse gehalten hat.
    In den Text sind – wie man es von Sabine Weigand bereits kennt – Zitate aus Originalquellen der Zeit eingeflochten.
    Der anschauliche Erzählstil und die Fülle hochinteressanter Informationen sorgen dafür, dass man den Roman nur schwer aus der Hand legen kann.


    Fazit
    Ein rundum gelungener historischer Roman, der auch kritische Leser zu begeistern vermag und den Eindruck vermittelt, man hätte die Zeit von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis in die Dreißigerjahre des 20. Jahrhunderts leibhaftig miterlebt, einfach großartig!


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Mein Leseeindruck:


    Frau Weigand erzählt in ihrem Roman die Geschichte der Familie Ribot, einem namenhaften Seifenhersteller im bayrischen Schwabach, beginnend von den Anfängen der Seifenmanufaktur im Jahr 1845 bis zum Jahr 1934.


    Der historische Rahmen gefiel mir dabei äußerst gut und war unheimlich interessant. Die Autorin hat die von Fortschritt und Entdeckergeist geprägte Zeit sehr lebendig und anschaulich rübergebracht, mit den unzähligen Erfindungen wie z. B. Telefonie, Automobile, elektrisches Licht oder das Grammophon oder mit namhaften Unternehmen wie z. B. Daimler, AEG oder BASF, die den Unternehmergeist der damaligen Zeit widerspiegeln. Die zunehmende Industrialisierung wird ebenso thematisiert wie die Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter oder Handwerker. Dem wirtschaftlichen und technischen Fortschritt standen gesellschaftliche und traditionelle Gepflogenheiten gegenüber, die sich z. B. in der Rolle der Frau oder dem teilweise bieder anmutenden Familienleben der Ribots zeigten. Mich hat es wirklich total begeistert zu lesen, wie die Menschen damals lebten und arbeiteten oder wie die Familie Ribot mit Fleiß, Enthusiasmus, Mut, Unternehmergeist, Kreativität, Innovation und Elan ihr Geschäft aufbaute und kontinuierlich und erfolgreich vergrößerte.:applause:


    Nun kommt aber leider ein großes ABER…immer wieder tauchten Kapitel mit den Liebes-, Herz- und Schmerz-Situationen etlicher Figuren auf, die entweder unglücklich verheiratet/verliebt/verlobt sind oder die von dem/der Angebeteten nicht beachtet werden oder die nicht mit ihrem Traumpartner zusammen sein können usw.. :roll: Das war viel zu viel, wurde immer wieder durchgekaut und kenne ich in der Form überhaupt nicht aus meinen bisher gelesenen Büchern von Frau Weigand. Für mich las es sich eher wie ein Frauenroman mit gut recherchiertem historischen Hintergrund als wie ein historischer Roman. Von mir aus darf auch etwas fürs Herz dabei sein, aber nicht in dem Ausmaß, wie es hier der Fall war. Gegen Ende hatte ich das Gefühl, dass aber auch jede noch so kleine Randfigur noch eben schnell ihr Deckelchen abkriegen müsste, was mir total auf die Nerven ging. :thumbdown:


    Womit wir beim nächsten ABER wären…die letzten 200 Seiten wirkten auf mich sehr gezwungen, als ob die Autorin ihre Figuren noch schnell in die historischen Ereignisse wie 1. Weltkrieg, Weimarer Republik, Inflation oder zunehmenden Nationalsozialismus reinpressen wollte, was in meinen Augen viel zu schnell, zu oberflächlich und leider total platt rüberkam. :thumbdown: So ausführlich sich die Autorin anfangs ihren Charakteren gewidmet hat, so sehr prescht sie zum Ende durch, um so viel Geschichte wie möglich abzuhandeln. Dadurch verlieren die Figuren völlig an Tiefe und ich habe teilweise den Bezug zu ihnen verloren und musste überlegen, über wen ich gerade lese (und irgendwann war es mir egal und ich wollte einfach nur fertig werden:-s). Wenn die Autorin gegen Ende nicht mit der gleichen Detailtiefe arbeiten konnte oder wollte, hätte sie meiner Ansicht nach lieber mit Rückblenden zu den wesentlichen Ereignissen arbeiten können, als dieses völlig gezwungene und hastige Pressen der Figuren in die historischen Situationen.


    Ich habe eine ganze Weile an dem Buch „herumgekaut“, war zunehmend genervt von dem ganzen Herz-Schmerz-Schmus und habe sogar kurz vor Ende noch über einen Abbruch nachgedacht.:shock: Es las sich allerdings recht „süffig“, so dass ich mich durchgearbeitet habe. Eigentlich habe ich Sabine Weigand als eine sehr gute historische Autorin kennen- und schätzen gelernt und empfand dieses Buch daher als sehr enttäuschend. [-( Von mir gibt es leider nur :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb: Sterne.

    Liebe Grüße,
    Tine


    :study: Ken Follett - Die Waffen des Lichts

    :study: Taylor Jenkins Reid - Daisy Jones & The Six

  • Als Geselle auf der Walz kommt Philipp Benjamin Ribot aus Cannstatt ins beschauliche Schwabach und findet dort Anstellung beim Seifensieder und Kerzenzieher Ernst Strunz. Eher aus Pragmatismus als aus Liebe heiratet er die Tochter des Meisters, doch im Betrieb ist er mit dem Herzen dabei und überrascht den Inhaber immer wieder mit modernen und effizienteren Methoden. Als Philipp das Geschäft komplett übernimmt, ist er bereits Herr über eine kleine, erfolgreiche Seifenfabrik, und sein Sohn Fritz wächst zu seinem Nachfolger heran und baut die Produktpalette mit immer neuen Ideen weiter aus, nicht ohne die neuesten Marketingtricks anzuwenden.


    Bevor es so weit ist, geht Fritz jedoch erst einmal auf Reisen, schnuppert hier und da in andere Betriebe hinein und landet schließlich in Moskau, wo er sich unsterblich in Aleksandra verliebt, die er am liebsten mit nach Deutschland nehmen möchte. Doch ihr strenger Vater ist dagegen, und schließlich kehrt Fritz alleine nach Schwabach zurück und stürzt sich zur Ablenkung in die Arbeit, mit beträchtlichem Erfolg.


    In unmittelbarer Nachbarschaft der Ribot'schen Seifenfabrik befindet sich die "Silberne Kanne", ein altes Wirtshaus, das der aufkeimenden Schwabacher Arbeiterbewegung und dem neu gegründeten SPD-Ortsverband als Treffpunkt dient. Die wiederkehrenden Proteste der Arbeiter, die gerechtere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen fordern, sind vielen ein Dorn im Auge, sie gelten als umstürzlerische, gefährliche Aufrührer und werden von der Obrigkeit mit harten Bandagen bekämpft. Doch selbst das Verbot aller Arbeitervereine hält den eingefleischten Sozialdemokraten Leo Gruber und seine Mitstreiter nicht lange von ihrem Einsatz für die gute Sache ab.


    Sabine Weigand, die selbst aus der Gegend kommt, in der das Buch spielt, hat sich von der wahren Geschichte der Seifenfabrik Ribot zu einem farbenprächtigen Roman inspirieren lassen, der mir sehr viel Freude gemacht hat. Auf Basis gut recherchierter Fakten breitet sie einen bunten Bilderbogen vor den Leser*innen aus, der 80 Jahre deutscher Geschichte greifbar und erlebbar macht. Von der Revolution 1848 bis in die frühen 20er Jahre spannt sich das Panorama, bevölkert von lebensechten Charakteren und untermauert mit vielen Details zu Politik, Gesellschaft, Technikfortschritten und Mode und natürlich jeder Menge Hintergründe zur Seifensiederei. Wie diffizil die Herstellung von passenden Seifenprodukten für diverse Anwendungsfälle war und auch, welch große Rolle Seife vor der Erfindung synthetisch hergestellter Reinigungsmittel aller Art spielte, fand ich wirklich interessant zu lesen.


    Der Familie Ribot habe ich sehr gerne beim Wachsen und Gedeihen zugeschaut und mit den Figuren gehofft, gebangt, gelitten und mich gefreut. Manche (Liebes)Angelegenheiten lösten sich zwar für meinen Geschmack ein bisschen zu einfach oder wurden mir ein bisschen arg dramatisch, aber weil ich die Charaktere sonst schön ausgearbeitet und glaubwürdig fand, hat mich das im Gesamtkontext weniger gestört. (Interessanterweise waren das oft gerade die Punkte, in denen die Autorin von den historisch belegten Schicksalen abgewichen ist.)


    Und so gerne ich über die Ribots gelesen habe, so waren meine heimlichen Lieblinge doch die "Sozis" rund um den stets mit Herzblut agierenden Leo Gruber und die Betreiber der "Silbernen Kanne". Die unfassbaren Zustände in den meisten Industriebetrieben wie etwa in den Nadelfabriken, wo die Schleifer wegen mangelnder Schutzvorkehrungen häufig in jungem Alter elend an der Staublunge zugrunde gingen, zeigen eindringlich auf, wie wichtig die Arbeit der Sozialdemokraten und der Arbeiterbewegung war und welche Grundlagen damals für vieles gelegt wurden, was wir heute für selbstverständlich halten.


    Man lasse sich nicht vom Cover täuschen, das eher auf eine gefühlige Fabrikantentöchterleinsromanze schließen lässt. Apropos Gestaltung: sehr hübsch ist das Vorsatzblatt, das aus einer Collage von echten Ribot-Werbeanzeigen besteht.

    Ein sehr lesenswerter Schmöker über die Gründerzeit und das frühe 20. Jahrhundert.

  • erste Fußballspiele in der Bundesliga

    Ich fand es so herrlich, wie der verdreckte Haufen Rugbyspieler im Wirtshaus sitzt und einer plötzlich stolz verkündet, man habe soeben den ersten Fußballclub Nürnberg gegründet :D

  • :D


    Die Clubberer spielen zwar keine tragende Rolle im Buch, kommen aber doch immer mal wieder vor.

  • Da hab ich auf jeden Fall mal aufgehorcht. :mrgreen: Aber ich glaube trotzdem, dass das, trotz der Erwähnung meines Vereins, eher kein Buch für mich ist.

    Aber wurde da wirklich die Bundesliga erwähnt wie von €nigma angeführt? Dann wäre das wohl keine besonders gute Recherche, denn die Bundesliga gibt es erst seit 1963. Vorher gab es mehrere regionale Verbände in Deutschland (Süden, Norden, Westen, Berlin...), die ihren regionalen Meister ausgespielt haben und erst danach wurde ein Deutscher Meister ausgespielt.

  • Keine Sorge, von der Bundesliga als solche ist nicht die Rede, nur vom Club an sich und einigen Spielen und Spielern, weil Fritz Ribot gerne mal auf den Fußballplatz geht, wenn die Clubberer kicken.


    Und einmal wird eine der weiblichen Figuren zur Retterin in der Not ...