Kjell Johansson - Der Geschichtenmacher / Huset vid Flon

  • Zum Buch (Quelle: amazon):
    So bewegend wie „Die Asche meiner Mutter“: Der schwedische Bestseller „Der Geschichtenmacher“ von Kjell Johansson.
    „Geschichten kann man zu vielem gebrauchen. Man kann eine ganz eigene Wahrheit zusammenfabulieren, eine, an die man selbst glaubt. So schien es zumindest. Aber ich hatte Zweifel daran.“


    Dieser eine Moment, in dem alles richtig zu sein scheint – es ist der Augenblick, als der kleine Kjell zum ersten Mal seinen Vater sieht, der zu seiner Familie nach Stockholm zurückkehrt: Die Mutter läuft ihm leichtfüßig entgegen, die Kinder werden fest in den Arm genommen. Alles könnte federleicht sein wie in einem Traum … doch so ist es nicht.
    Die Johanssons leben in einem armseligen Haus an der Flutwiese des Vororts Midsommarkransen. Der Vater säuft, um seinen Dämonen zu entkommen, das Geld ist knapp. Und trotzdem hüten die Johanssons einen Schatz: Die Gabe, sich ganz und gar in einem Buch zu verlieren und selbst Geschichten zu erfinden, die das Herz bewegen und die Fantasie beflügeln …
    Zwischen grauer Realität und magischem Empfinden: Ein autobiographischer Roman von großer erzählerischer Kraft – voller kleiner, zarter Momente, die lange in Erinnerung bleiben werden.



    Zum Autor (Quelle: amazon):

    Kjell Johansson, 1941 in Stockholm geboren, lebt auch heute noch in der schwedischen Hauptstadt, wo er Philosophie studierte und 1972 seinen ersten Roman schrieb. Seither hat er zehn weitere Bücher für Kinder und Erwachsene verfasst und ist dafür mit namhaften Preisen ausgezeichnet worden. Der Autor gilt als einer der wichtigsten schwedischen Schriftsteller der Gegenwart.
    Literarische Auszeichnungen: Lars Ahlin Preis 1997,Bern Preis 1997,Vi Literaturpreis 1998, Stipendium der Schwedischen Akademie1989 und 1997, Ivar Lo Preis 1998, Nationalpreis für Literatur 1990.



    Meine Meinung zum Buch


    Der Autor erzählt die Geschichte seiner Kindheit in einem üblen Viertel in Stockholm, und hier sind sie die Ärmsten der Armen, auf die ihre Nachbarn noch herabsehen. Sein Elternhaus: eine Bruchbude. Dabei ist er sich seiner Erinnerung nicht immer sicher. Die guten Erinnerungen sind sofort präsent, die schlechten dagegen hat er verdrängt und muss ihnen erst nachspüren:


    „Ist es wirklich geschehen, dass Vater torkelnd nach Hause kam, verfolgt von einer Schar lachender und grölender Jugendlicher? War das da nicht mein Alter? Nein. War das da nicht mein Alter? Nein. War das... Doch, doch, doch! Dass er hinfiel und dass die kleinen Schweine daraufhin seine Taschen durchwühlten? … Ist es geschehen, dass er, als er entdeckte, dass das Streichholzbild von der Küchenwand verschwunden war, sich auf mich stürzte und schlug und schlug, bis ich tot war?
    Das kann nur Phantasie sein oder der helle Wahnsinn -- ich lebe ja schließlich noch."


    Der Vater steht im Mittelpunkt des Buches. Er sprüht vor Lebensfreude, vor Ideen, vor Zukunftsplänen, er kann mitreißende Geschichten erzählen, er singt, er prahlt und spielt einen Grafen im dunklen Anzug, er bestäubt sein Gesicht mit weißem Kartoffelmehl (erst hier erfährt man zwischen den Zeilen, dass es sich offensichtlich um eine Sinti- oder Roma-Familie handelt), er liebt seine Familie – aber er hat auch eine andere Seite: er ist lebensuntüchtig, arbeitsscheu, trunksüchtig und gewalttätig. Die Mutter ernährt die Familie und kümmert sich um die täglichen Dinge. Wenn sie Muße hat, zieht sie sich in ihre Bücherwelt zurück, und sie ist davon überzeugt, dass ihre beiden Kinder es schaffen, über den Weg der Bildung ihrer sozialen Situation zu entkommen.
    Nicht nur der Vater, auch der Sohn ist hier ein „Geschichtenmacher“, wenn er die Gebete seiner Mutter als eigene Reflektion nachzeichnet: „Vater unser, der du NICHT bist“.
    Der Junge leidet unter der sozialen Ausgrenzung und der Isolation, er leidet wegen Armut und auch Hunger. Aber trotz dieser üblen Zustände fühlt er sich in der Liebe seiner Familie geborgen.
    Das ist das Besondere an diesem Buch: der Blick zurück ohne Zorn. Der Autor schreibt sich sein Leiden und seine Trauer um den Vater von der Seele. Er ist hin- und hergerissen zwischen Verachtung, Angst und Hass einerseits und Bewunderung und Verehrung andererseits. Einfühlsam, ohne Vorwürfe, statt dessen voller Melancholie und Zärtlichkeit nähert er sich als Erwachsener seinem Vater an.


    Und daher :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Klingt gut und wäre ein Fall für meine Wunschliste, aber ich würde gern wissen, warum @Magdalena dem Buch nur einen Stern gegeben hat. ?(

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Dies ist eines meiner Lieblingsbücher, das neben "Die Traumseglerin" vom gleichen Autor seinen festen Platz im Regal hat :) Die Bücher haben irgendwie eine besondere Ausstrahlung beim Lesen und wirken lange nach.

  • "Die Traumseglerin"

    Da heißt die Hauptperson "Eva", so wie die Schwester im Buch.
    Hat der Roman biografische Bezüge?

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Klingt gut und wäre ein Fall für meine Wunschliste, aber ich würde gern wissen, warum @Magdalena dem Buch nur einen Stern gegeben hat. ?(

    Ach du lieber Himmel ... ich kann mich nicht mal erinnern, dass ich das Buch gelesen hätte :pale: Entweder habe ich da was verwechselt oder aber es so früh abgebrochen, dass ich es komplett verdrängen konnte. Das ist ja oberpeinlich :uups: