Mike Chick – Die Gameshow, Defeat Your Enemy

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    | HANDLUNG |


    Wir schreiben das Jahr 2030, und Deutschland hat sich grundlegend verändert. Nicht nur die Arbeitsgesetze sind inzwischen ein Witz – „the Right to Work“ bedeutet zynischerweise, dass einem Angestellten jederzeit gekündigt werden darf –, die Grundrechte wurden deutlich beschnitten und die Todesstrafe in Form einer so sadistischen wie populären Gameshow eingeführt. In „Defeat your Enemy“ können Kandidaten 50.000 Euro gewinnen, indem sie einen Schwerverbrecher hinrichten – denn etwas anderes als eine Hinrichtung ist es nicht, der „Enemy" hat nicht die geringste Chance. Das schreckt ab und dient als Ventil für das unzufriedene Volk.


    Dennoch ist Matthew mit seiner Familie von den USA nach Deutschland ausgewandert, um hier ein besseres Leben anzufangen. (Man kann erahnen, dass es in den USA auch nicht besser aussieht… ) Als kleiner Angestellter hält er sich und seine Familie mehr schlecht als recht über Wasser, bis er eines Tages in etwas hineinplatzt, das er nicht hätte sehen dürfen. Gezwungen, selber Schuld auf sich zu laden, steht er danach unter der Kontrolle des eiskalten „Hell“, der ihn zunächst nur zu Botengängen zweifelhafter Art zwingt – zunächst. Bevor sich Matthew versieht, gerät er in etwas hinein, das ihn als „Enemy“ klassifizieren könnte…


    | MEINE MEINUNG |


    Menschenverachtende Gameshows haben im Genre Dystopie Tradition, sei es Stephen Kings "Menschenjagd" aus dem Jahr 1982 oder Suzanne Collins' "Die Tribute von Panem" aus dem Jahr 2008. Auch Mike Chick packt die beiden "S" in seine Version der Zukunft – Schockfaktor und Sozialkritik –, schreckt dabei vor brutalsten Szenen nicht zurück und zeichnet das Bild einer Gesellschaft, die so erschreckend ist, weil sie nicht gänzlich unmöglich klingt.


    Hat mich die Umsetzung der Grundidee also überzeugt? Jein.


    In meinen Augen bringt das Buch nur wenig Neues in dieses bewährte Thema, und es ist von Anfang an klar, wohin Matthews Reise ihn letztendlich führen wird.


    Dennoch liest sich die Geschichte sehr spannend, keine Frage! Man weiß nicht, wie dieser eher naive Familienvater das alles lebend überstehen soll oder wie es mit der verrohten Gesellschaft weitergehen wird. Für meinen Geschmack gab es jedoch zuviel sadistische Gewalt um der Gewalt willen und zu wenig Hintergrundgeschichte, die dem mehr Bedeutung gegeben hätte. Ich hätte zum Beispiel gerne mehr darüber erfahren, wie sich ein demokratisches Land so entwickeln konnte, dass es keinerlei Konsequenzen hat, wenn ein Gefängniswärter das Gefängnis als seine persönliche Folterkammer betrachtet. Die vorhandenen Erklärungen blieben mir zu sehr an der Oberfläche.


    Die Charaktere wirkten auf mich sehr unterschiedlich:


    Matthew selber war mir sympathisch und ich habe mit ihm mitgefiebert und mitgelitten, weil er wirklich versucht, ein guter Mensch zu bleiben, dem skrupellosen "Hell" aber auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist, wenn er seine Familie schützen will. Ich fand auch seine Entwicklung glaubhaft, denn so ganz spurlos geht sein neues Leben an ihm nicht vorbei. Er beginnt, Dinge zu rechtfertigen, die er vor kurzem noch unentschuldbar gefunden hätte...


    Später im Buch lernt er Thomas kennen, einen komplexen, glaubwürdigen Charakter, der sich schnell zu meinem Liebling entwickelte.


    Die bösen Charaktere waren mir allerdings zum Teil zu einseitig böse, besonders der eben erwähnte Gefängniswärter, der nur aus Hass, Wut und Sadismus zu bestehen scheint. Es gibt zwar Andeutungen, warum er so ist, dennoch fand ich ihn zu eindimensional. Andererseits ist er ein Charakter, dem nichts zu grausam ist und der dadurch die Spannung hochtreibt; und als Leser kann man gar nicht anders, als ihn zu hassen.


    Der Schreibstil trug viel dazu bei, dass ich das Buch trotz meiner Kritikpunkte gerne gelesen habe: Mike Chick findet wirklich originelle Bilder, schreibt sehr lebendig und baut gekonnt Atmosphäre auf – ich war sehr angetan von seinem Stil!


    Für meinen Geschmack endet das Buch zu früh, an einem Punkt, wo es gerade interessant wird, weil Bewegung kommt in die öffentliche Meinung. Sowieso geht am Ende alles sehr schnell, sobald die Geschichte über das hinausgeht, was schon im Klappentext steht, und nicht alles fand ich vollkommen glaubhaft.


    Das Buch wird sowohl bei Amazon als auch auf der Webseite des Verlages ab 12 Jahren empfohlen, was ich wirklich nicht unterschreiben kann.


    | FAZIT |


    Im Jahr 2030 ist die beliebteste Gameshow "Defeat Your Enemy": im Grunde eine öffentliche Hinrichtung, bei der die Kandidaten 50.000 dafür bekommen, einen Schwerverbrecher auf zufällig gewählte Art zu töten. Familienvater Matthew gerät ohne eigene Schuld in kriminelle Kreise, wo er schließlich gezwungen wird, sich an etwas Ungeheuerlichen zu beteiligen...


    Das Buch las sich in Nullkommanix weg, ich fand es spannend und unterhaltsam – hatte jedoch auch einige Kritikpunkte.