Kurzbeschreibung (Quelle: amazon)
Mit diesem dramatischen Epos um Liebe und Schuld, Tod und Sühne ist der norwegischen Nobelpreisträgerin Sigrid Undset ein großes poetisches Zeitgemälde gelungen, das dem Leser die ganze Welt des Mittelalters im hohen Norden lebendig macht. Viele Menschen, viele Sippen tauchen auf und verschwinden wieder aus dem Umkreis der Erzählung, im Mittelpunkt aber bleibt Olav Audunssohn.
Wie schon in ihrer historischen Romantrilogie ›Kristin Lavranstochter‹ führt die Erzählerin den Leser auch in diesem zweiteiligen Schicksalsepos zurück in Norwegens Mittelalter, in das ausgehende 13. und beginnende 14. Jahrhundert.
Autorin (Quelle: amazon)
Sigrid Undset wurde 1882 als Tochter eines Archäologen in Kalundborg/Dänemark geboren. Ihre Jugend verlebte sie in Oslo. 1940 floh sie vor der deutschen Besetzung Norwegens über Schweden, Rußland und Japan in die USA. Nach 1945 kehrte sie in ihre Heimat zurück und starb dort 1949 in Lillehammer. Für ihre beiden großen historischen Romane ›Kristin Lavranstochter‹ und ›Olav Audunssohn‹ erhielt sie 1928 den Nobelpreis. Sie hinterließ ein umfangreiches literarisches Werk, das von 1907 bis fast in ihr Todesjahr reicht.
Allgemeines
Erstveröffentlichung von 1925 unter dem Titel "Olav Audunssøn i Hestviken", die deutsche Ausgabe erschien 1928
Neue Ausgabe in zwei Bänden von 560 und 504 Seiten im Fischer Verlag am 15.07.2015, ins Deutsche übersetzt von J.Sandmeier und Sophie Angermann
Teil 1 umfasst die ersten beiden Bücher „Olav Audunssohn“ und „Olav Audunssohn auf Hestviken“
Teil 2 umfasst den dritten und vierten Band: „Olav Audunssohn und seine Kinder I und II“
Erzählung in der dritten Person aus wechselnden Perspektiven
Handlungsort und -zeit: Norwegen (Oslo und weitere Umgebung), Ende 13. bis Anfang 14.Jahrhundert
Zum Inhalt
Die auf zwei Bände verteilten vier Bücher schildern das Leben des Olav Audunssohn von seiner Kindheit bis zu seinem Tod. Als Kind seiner Pflegeschwester Ingunn Steinfinnstochter anverlobt, will er an dieser Verbindung auch nach dem Tode seines Pflegevaters Steinfinn festhalten. Ingunns Verwandte wollen das junge Paar jedoch wegen einer anderen für das Mädchen angestrebten Verbindung auseinanderbringen, sie sehen die damalige Absprache zwischen den Vätern der Brautleute nicht als rechtsverbindlich an, obwohl die jungen Leute die „Ehe“ quasi schon vollzogen haben und damit vor Gott als verheiratet gelten. Bis zur eigentlichen Eheschließung vergehen zehn lange Jahre, in denen Olav viel Zeit als Söldner eines Ritters im Ausland verbringt. Bei seiner Rückkehr findet er Ingunn schwanger vor, trotzdem hält er an ihr fest und nimmt nach einiger Zeit auch das Kind des anderen Mannes als sein eigenes an. Die Ehe ist jedoch von der Tatsache überschattet, dass die stets schwächliche und kränkliche Ingunn ihrem Mann nur eine überlebende Tochter schenken kann und dass seine Beziehung zu ihrem Sohn Eirik von Distanz und Konflikten geprägt ist.
Der zweite Band mit den Büchern 3 und 4 schildert Olavs Leben nach Ingunns frühem Tod mit seinen Kindern Eirik und Cecilia auf Hestviken. Olav trägt eine schwere, ungebeichtete Schuld mit sich herum, diese dominiert sein ganzes Leben und den Umgang mit anderen Menschen, die ihn als Einzelgänger und „unfrohen Gesellen“ wahrnehmen. Tiefreligiös und eigentlich ein guter Mensch, trifft Olav trotz bester Absichten einige falsche Entscheidungen und zerbricht letztlich an seiner ungesühnten Schuld.
Beurteilung
„Olav Audunssohn“ gibt (ebenso wie „Kristin Lavranstochter“) einen großartigen Einblick in das Leben und Denken der Menschen im mittelalterlichen Norwegen. Es werden auch historische Ereignisse der Zeit (z.B. kriegerische Auseinandersetzungen mit den Schweden) angesprochen, hauptsächlich wird jedoch das harte Leben der norwegischen Bauern auf ihren Höfen dargestellt.
In der differenzierten und einfühlsamen Ausarbeitung der Charaktere der Romanfiguren gelingt der Autorin eine unübertroffene Präsentation der Gedankenwelt zwischen tiefer Religiosität und weltlichen Interessen. Die Bedeutung der Sippe und der Einfluss der Verwandten auf das Leben des Einzelnen werden klar hervorgehoben, der christliche Glaube bestimmt den Wertekodex der Menschen.
Sowohl Olav und Ingunn als auch Eirik und Cecilia sind extrem facettenreiche Figuren mit guten und schlechten Eigenschaften und die wechselnden Interaktionen zwischen ihnen werden ebenso anschaulich wie glaubwürdig vermittelt. Besonders die wechselvolle, von Liebe und Abneigung geprägte, aber stets unglaublich intensive Beziehung zwischen Olav und Eirik wird meisterhaft thematisiert und dürfte eine Fundgrube für jeden Psychologen unserer Zeit sein. Die Entwicklung der „Gruppendynamik“ unter den Hauptfiguren ist extrem fesselnd.
Für Naturliebhaber hat der Roman auch schöne, eindrückliche Landschaftsbeschreibungen zu bieten.
Es fällt ausgesprochen schwer, diesem Roman mit Worten gerecht zu werden, man muss ihn einfach selbst lesen und erleben. Dass Sigrid Undset für „Olav Audunssohn“ und „Kristin Lavranstochter“ den Literatur-Nobelpreis 1928 bekam, ist jedenfalls bestens nachzuvollziehen.
Fazit
Ganz „große“ Literatur, ein Roman, der zum Besten gehört, was das historische Genre jemals hervorgebracht hat!