Daryl Gregory - Die erstaunliche Familie Telemachus / Spoonbenders

  • Kurzmeinung

    Pasghetti
    wahnsinnige Story, tolle Charaktere mit außergewöhnlichen Charakteren; Klasse! Aber etwas zu lang
  • Einst traten sie auf als erstaunliche Familie Telemachus, bis sie ein Gegenspieler vor laufender Kamera als Betrüger entlarvte. Dieses dunkle Kapitel der Familie prägte deren Mitglieder ganz unterschiedlich. Jeder trägt sein Los und seine Fähigkeiten auf andere Art und Weise. Und Fähigkeiten haben die meisten von ihnen.
    Da gab es Maureen, die Mutter der Familie, die in die Ferne sehen konnte und sehr begabt war. Sie ist schon seit gut 20 Jahren verstorben. Übrig blieben:
    Teddy Telemachus, der Vater, dessen Fähigkeiten sich eher auf Kartenspielertricks und unglaublich flinke Finger beschränkten. Irene, die Tochter, die quasi ein menschlicher Lügendetektor ist und für die ihre Fähigkeit eher ein Hindernis denn ein Segen ist. Frank, der älteste Sohn, der über telekinetische Fähigkeiten verfügt, die er leider nur selten zu kontrollieren lernt. Buddy, der jüngste Sohn, der in die Zukunft blicken kann. Auch für ihn ist die Gabe eher ein Fluch. Er lebt unter der ständigen Angst, mit seinem Handeln die Zukunft zu gefährden und spricht aus diesem Grunde eher spärlich bis gar nicht.
    Hinzu kommen noch Irenes Sohn Matty, der zum Zeitpunkt der Geschichte (um 1995) 14 Jahre alt ist und der zu Beginn des Buches feststellt, dass er seinen Körper verlassen kann. Er weiß von den angeblichen Fähigkeiten seiner Familie nur aus Erzählungen, die zudem nicht einmal sehr ins Detail gingen. Frank hat mit seiner Frau noch eine Tochter aus deren erster Ehe und mit ihr zusammen recht junge Zwillinge, die ebenfalls mit einer Fähigkeit gesegnet wurden.
    Jeder von ihnen hat sein Päckchen zu tragen. Buddy ist ein verschrobener Außenseiter, den im Grunde jeder gewähren lässt, ohne ihn für voll zu nehmen.
    Frank läuft ständig dem Erfolg hinterher. Wie gerne hätte er eine richtig einflussreiche oder zumindest reichmachende Stellung, um besser für seine Familie sorgen zu können und endlich die Anerkennung zu bekommen, die er sich erhofft. Leider bringt ihn dieses Ringen um Erfolg auf die schiefe Bahn sowie seine Familie und vor allem ihn selbst in große Gefahr.
    Irene leidet darunter, dass sie keine normale Beziehung führen kann, da ihr eingebauter Lügendetektor sofort verrät, wenn jemand aus Nettigkeit lügt. Sie kann niemandem mehr vertrauen. Teddy leidet sehr unter dem Verlust seiner Frau und hadert mit seinem eigenen körperlichen Zustand (wovon ich an dieser Stelle aber nichts näheres verraten möchte). Und Matty, der dieses Buch einleitet, ist größtenteils mit seiner Pubertät beschäftigt und der Erforschung seiner neu gefundenen Fähigkeit, die sich zum ersten Mal einstellt, als er eine ordentliche Erektion hat.


    Das Buch ist in Kapitel gegliedert, die jeweils aus Sicht unterschiedlicher Familienmitglieder geschrieben ist. Daryl Gregory schafft es tatsächlich, diese doch nicht unerhebliche Anzahl unterschiedlicher Personen miteinander zu verweben, wobei der Handlungsstrang stets eingehalten wird. Man wechselt nur jeweils die Sichtweise.
    Ich fand das ausgesprochen erfrischend und konnte dem ganzen Ablauf problemlos folgen, auch wenn immer wieder Rückblenden in die Vergangenheit erfolgten. Es entwickelt sich ein gekonnt gesponnenes Gesamtpaket, das mich völlig für sich eingenommen hat.
    Dabei - und das ist das für mich größte Manko des Buches - vermittelt der Klappentext eine völlig andere Vorstellung von diesem Buch. Dafür gibt es von mir nur deswegen keinen Punkteabzug, weil es bei mir ein Glück war. Denn hätte ich vorher gewusst, dass sich eine Mafia-Story entwickelt, hätte ich dem Buch erst gar keine Chance gegeben. Ich hasse Mafia-Bücher und Filme schlichtweg und niemals hätte ich dieses Buch gelesen. So jedoch erwartete ich irgendeine vornehmlich witzige Geschichte um Matty und seine kuriose Familie - in Richtung Coming of Age. Was ich lesen durfte war eine absolut skurrile, aber durchaus spannende Geschichte mit reichlich verschrobenen Charakteren und verrückter Handlung. Es hat mir dermaßen Spaß gemacht, mich durch die immer größeren Verwicklungen zu lesen, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen mochte. Und dabei war mir keiner dieser Charaktere wirklich durchweg sympathisch. Erst das Zusammenspiel aller machte dieses Buch für mich zum Volltreffer!
    Die Mafia-Geschichte störte mich dabei überhaupt nicht. Im Gegenteil hatte sie für mich einen eher satirischen Ansatz, der mich irgendwie an Lilyhammer erinnerte. Dazu kommt noch eine Portion Geheimdienst und Agenten, die sich quer durch die Geschichte webt.


    Die Schreibweise ist sehr gut zu lesen. Nicht kompliziert, nicht verschachtelt, immer am jeweiligen Kapitelcharakter orientiert. Gegen Ende dreht das Buch noch einmal richtig auf und man bekommt einen richtig guten Showdown, der unbedingt verfilmt gehört!
    Kurzum: Ich bin begeistert von diesem Buch! Es ist so vielschichtig und abwechslungsreich, auch wenn es durchaus in einigen Kapiteln klitzekleine Längen zeigte, dass es einfach nur eine wahre Freude ist, sich ihm hinzugeben. Man muss sich darauf einlassen, dann kann man ihm auch die ein oder andere logische Unpässlichkeit durchgehen lassen und sich richtig amüsieren.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Ganz lieben Dank für deine Rezi, @Diamondgirl. Mir geht es gerade so, wie du es in der Rezi beschreibst: Da ich jetzt von der Mafiageschichte weiß, will ich das Buch gar nicht mehr so dringend lesen. :totlach: Ich glaube, das ist nichts für mich. Damit kann ich irgendwie nichts anfangen.


    Ich werde mal noch ein paar Meinungen abwarten. :flower:

    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


    "Jemanden zu lieben bedeutet, ihn freizulassen. Denn wer liebt, kehrt zurück."
    Bettina Belitz - Scherbenmond


    http://www.lektorat-sprachgefuehl.de

  • Ich kann dir nur empfehlen: Lass dich bei diesem Buch nicht davon abhalten! Die Mafia steht überhaupt nicht im Vordergrund sondern bildet nur eine für diese Geschichte notwendige Bedrohung. Wie gesagt: Ich mag generell nichts mit Mafia - bin da Paten-geschädigt. :-,


    Aber Lilyhammer fand ich z. B. auch richtig gut, weil skurril, schwarzhumorig, unglaublich schräg stellenweise. Schon durch die tollen Charakter-Darsteller. Da konnte nicht mal die Mafia was kaputt machen, die hier aber ja auch nur einen Hintergrund bildete, der die Story plausibel machte. So ähnlich ist das hier auch. Sie wird benötigt, um ein erforderliches bedrohliches Szenario aufzubauen. Aber es ist definitiv kein Mafia-Roman, nur weil sie drin vorkommt.
    Wenn du Romane magst, die so in Richtung deines Avatars gehen, dann wäre es sehr wahrscheinlich was :loool:

  • Wenn du Romane magst, die so in Richtung deines Avatars gehen, dann wäre es sehr wahrscheinlich was

    :totlach: Damit kriegst du mich.


    Jaaaa, na guuuut ... :loool: Es bleibt ja auf der Wunschliste. Ich heb es mir mal für Lesephasen auf, bei der ich in die Richtung solcher Bücher tendiere. Aktuell ist mir irgendwie nicht so nach Humor. :-k Bin echt froh über deine Rezi! :flower:

    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


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  • Wahrheit oder Lüge


    Der 14jährige Mattys beobachtet heimlich seine zwei Jahre ältere Cousine Mary Alice und hat dabei seine erste Außerkörperliche Erfahrung, das heißt, er kann aus seinem Körper heraustreten.
    Mit dieser Begabung erweist er sich als echter Telemachus, denn sämtliche Mitglieder der Familie haben eine außergewöhnliche Gabe. Oder??? Das immer top gekleidete Familienoberhaupt Teddy jedenfalls scheint ein gerissener Trickser und Falschspieler zu sein. Und doch ist er reich, obwohl er in seinem ganzen Leben nicht gearbeitet hat.



    Sein Sohn Frankie hat es mit seinen telekinetischen Fähigkeiten offenkundig nicht zu Reichtum gebracht. Dies war der Junge, der alles wollte und nicht wusste wie er es bekam, so beschreibt ihn Teddy.Irene, Mattys Mutter, ist mit ihrem Talent, zu erkennen, was Wahrheit oder Lüge ist, auch nicht glücklich geworden. Im Gegenteil, es hat ihren gutbezahlten Job gekostet. Buddy konnte als kleiner Junge Spielergebnisse vorhersagen, jetzt hat er nur noch wirre Gedanken im Kopf, lebt auf einem anderen Planeten, ist ein schweigsamer Eigenbrötler, der an seinen Projekten arbeitet, die er anfängt und nicht zu Ende bringt.



    Das größte Talent in der Familie besaß wohl Teddys Frau Maureen. Sie war hellsichtig und arbeitete in geheimer Mission für die Regierung, verstarb allerdings bereits mit 31 Jahren.


    Die Familie Telemachus hätte es zu Reichtum und Ruhm bringen können, hätte „der sagenhafte Archibald“ nicht ihren Auftritt in der Mike Douglas Show in den siebziger Jahren ruiniert, dieser Meinung ist jedenfalls Frankie.



    Nun bekommt Teddy ominöse Briefe, die er heimlich in seinem Safe im Wandschrank verschwinden lässt. Sind sie von Maureen??? Lebt sie evtl. doch noch???



    Meine Meinung:


    Die Protagonisten sind alle herrlich skurril gezeichnet. Die erstaunliche Familie Telemachus ist wirklich eine erstaunliche Familie. Der Schreibstil ist gut lesebar und flüssig. Jedes Kapitel ist aus der Perspektive eines anderen Telemachus geschrieben. Dadurch erfahren wir auch etwas über die persönlichen Erlebnisse und Anschauungen der einzelnen Familienmitglieder und nehmen Anteil an deren Emotionen. Alle leiden noch immer unter dem Tod von Maureen, hadern mit ihrem Schicksal und können ihre übersinnlichen Fähigkeiten nicht sinnvoll oder gar gewinnbringend einsetzen. Irgendwie sind sie alle am Leben gescheitert. Meine Lieblingsfigur war Irene. Irgendwo hieß es: Was wusste Irene eigentlich nicht? Auf Irene konnte man sich verlassen. Sie war die offizielle Erwachsene im Haus. Sie musste nach Mos Tod viel zu schnell erwachsen werden und die Rolle der Mutter übernehmen.



    Und dabei wünschte sich Irene nichts sehnlicher als normal zu sein. Irene wollte bereits als Kind, dass sie keine Erstaunliche Familie Telemachus“ waren, sie wollte sein wie alle anderen. Ihr Beispiel zeigt, wie schlimm es tatsächlich ist, mit so einer Gabe zu leben und immer zu wissen, wann jemand lügt. Auf Dauer ist das bestimmt kaum auszuhalten.



    Was die den jeweiligen Kapiteln vorangestellten Zeichen bedeuten, habe ich allerdings nicht herausgefunden.



    Ich hatte mir das Buch humorvoller vorgestellt. Der Klappentext ist leider irreführend. Ich hatte eine lustige Familiengeschichte erwartet. Es gab vielleicht mal was zum Schmunzeln, aber weit entfernt von lustig.



    Mein Fazit: Die Geschichte war trotzdem reizvoll, auch wenn sie mich nicht vollständig überzeugen konnte. Sie hat mir jedoch gezeigt, dass Menschen mit einer herausragenden Gabe nicht unbedingt die glücklicheren Menschen sind.
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: