Yiftach Ashkenazy - Die Geschichte vom Tod meiner Stadt / Sipurei mot iri

  • Inhalt (Umschlag): Ein junger Mann, eben vom Militärdienst zurückgekehrt, schlendert durch seine Stadt, eine mittlere Stadt im Norden Israels. Er erinnert sich an seine Jugend, an seine Freunde, an erste Liebe, Rebellion und Alkoholexzesse. Und er beobachtet all die verschiedenen Menschen, die ihm auf dieser Wanderung begegnen, gibt den Stab des Erzählers an sie weiter. Eine einsame Frau mit vernarbten Händen auf einem Busbahnhof, ein alternder Homosexueller, der vor seinen eigenen Phantasien erschrickt, ein arbeitsloser Friedensaktivist, der mit guten Absichten zwei kleine Mädchen entführt und völlig entgleist, ein Mädchen aus gutem Hause, das sich in einen Junkie verliebt - alle sind auf der Suche nach Bedeutung, nach Sinnhaftigkeit und Gegenwärtigkeit. Alle erleben Verlust, Schmerz, Gewalt, scheitern immer wieder mit ihren Träumen, und doch geben sie die Hoffnung nicht auf.
    In einer Sprache, die lakonisch und direkt ist, aber zugleich eine große poetische Kraft entfaltet, erzählt Yiftach Ashkenazy von den Menschen in seiner Stadt, und seine tiefe Liebe zu diesen Menschen wie auch seine untergründige Trauer um sie sind in jeder Zeile zu spüren. Sein außerordentliches Debüt schildert wie in einem schillernden Kaleidoskop Geschichte und Gegenwart des modernen Israel ganz neu.


    Zum Autor (Umschlag): Yiftach Ashkenazy wurde 1980 in Karmiel geboren, einer kleinen Stadt um Norden Israels, in der Nähe von Akko. Sein Wehrdienst in der israelischen Armee hat seine Sicht der Realität nachhaltig verändert. Die Geschichte vom Tod meiner Stadt ist seine erste Buchveröffentlichung.


    Meine Meinung: Wie viel Inhalt soll man verraten oder wie viel lässt sich eigentlich finden, wenn das Buch eher eine Zwischenform zwischen Kurzgeschichte und Roman ist? Der ursprüngliche Erzähler tritt schnell zurück und gibt das Zepter weiter an andere Personen, die sich in der gleichen Stadt bewegen. Zwar steht jedes Kapitel eigenständig, zwischenzeitlich wechselt sogar die Erzählart, aber es ist spürbar, dass sich alles im gleichen Kosmos befindet. Die Kapitel sind schon mit einer verknüpft, mehr oder weniger versteckt allerdings. Vorherige Erzähler und Protagonisten werden wieder erwähnt, kleine Nebencharaktere zu Bindegliedern. Handlungen stehen eher im Hintergrund, es geht um die vielen unterschiedlichen Personen, die auftreten und auch wieder zwischen den Seiten verschwinden. Ashkenazy zeigt die Bandbreite der Gesellschaft einer israelischen Stadt, die Charaktere sind aus allen Altersgruppen gepickt. Rentner und ausländische Besucher, Invalide und rebellische Teenager, gefrustete Ehefrauen und einfache Arbeiter sind nur einige Gruppen, die sich ins Bild drängen.


    Über allen Geschichten hängt die Realität Israels: Militärdienst und Kriegserfahrungen schwingen fast überall mit. Die Menschen sind rastlos und einsam, die Charaktere hängen in ihrem Leben, aber niemand findet Stabilität für sich. Es ist eine gewisse Grunddepression auf allem und allen zu liegen, wie sonst käme man darauf, zwei kleine Mädchen - eins arabisch, eins jüdisch - zu entführen und grausam zu behandeln, um durch auf sich geschürten Hass Einigkeit und Frieden herbeiführen zu wollen? Aber der Autor schont an dieser Stelle auch den Leser nicht, der sich durch die niedergeschriebene Vergewaltigung eines der Mädchen quälen muss. Dennoch schafft es der Autor, jedes Kapitel schnell zu konstatieren und jeden Charakter doch einen eigenen Touch zu geben, eine eigene Persönlichkeit und eigene Probleme. Als Debutroman betitelt, weiß der Autor um sein Handwerk. Das Buch hat nur etwa 130 Seiten und lässt sich trotz einiger, etwas heftigerer Abschnitte schnell lesen.


    Insgesamt ist es ein Buch der Stimmung, nicht der Handlung und steht damit in Tradition anderer Erzählungen aus Israel. Man muss sich einlassen können und wollen, wenn man sich mit den Charakteren durch die Kapitel treiben lässt. Und von der Linie Einsamkeit und Rastlosigkeit lässt sich auch niemand abdrängen, was teils deprimiert, aber nicht zu sehr emotional mitnehmen muss. Eine Empfehlung ist es als Gesellschaftsschnitt, nicht als seichte Lektüre nebenher.
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    "All we have to decide is what to do with the time that is given to us."