Mochtar Lubis - Straße ohne Ende / Jalan Tak Ada Ujung

  • Kurzmeinung

    terry
    Wie weit darf Revolution zur nationalen Befreiung gehen? Was macht es mit den Ängsten der Menschen?
  • Meine Rezension:


    Mochtar Lubis war zweifelsohne eine der großen Gestalten in der literarischen Welt Indonesiens. In seinem 1952 erschienenen Roman "Straße ohne Ende" (im Original "Jalan Tak Ada Ujung") thematisiert er anhand des Schicksals seiner Protagonisten das Spannungsgefüge zwischen der Überzeugung menschlicher Werte und dem bedingungslosen Kampf für die Freiheit.


    Der zweite Weltkrieg ist vorüber, der Nationalismus in dem, was einmal Niederländisch-Ostindien gewesen ist und sich nun langsam als Indonesien herauskristallisiert, erwacht. Doch mit dem Abzug der japanischen Besatzungsmacht beginnt für Indonesien ein neuer Kampf – ein blutiger Kampf für die Unabhängigkeit von der einstigen europäischen Kolonialmacht, die zurückgekehrt ist, um das Inselreich wieder in Besitz zu nehmen.


    Dieser turbulenten, vor Gewalt starrenden Welt sieht sich Isa, der Lehrer, gegenüber. Doch Isa verabscheut die Gewalt. Was er liebt ist die Musik, und auch die Abgeschiedenheit seiner tiefgründigen Gedankenwelt. Doch wie kann ein solcher Mensch, der den Frieden liebt, in einer Welt voller Gewalt überleben? Und wie kann er seine Passivität mit seinem Gewissen, Teil dieser neu entstehenden und um ihr Überleben kämpfenden Nation zu sein, vereinbaren?


    Isa wird zum Außenseiter und gerät immer stärker unter den Druck der Gesellschaft. Druck und Furcht sind es, die es ihm unmöglich machen, seiner Frau, die er liebt, sexuelle Freude zu bereiten. Als Hazil, der junge Unabhängigkeitskämpfer, der all das ist, was Isa nicht sein kann, in sein Leben tritt, gerät auch Isa in den Sog des Unabhängigkeitskampfes und muss für ihn folgenschwere Entscheidungen treffen.


    Wie immer bewegt sich Mochtar Lubis‘ Werk ganz nah am Puls der modernen indonesischen Geschichte und schildert diese am Schicksal seiner Protagonisten. Lubis erzählt ohne Umschweife, authentisch und hautnah. Es ist der Kampf des Individuums mit sich selbst, der hier auf eindringliche Weise geschildert wird – aber auch die Geburt einer Nation aus dem Blut derer, die für sie kämpfen. Doch Lubis‘ Fazit ist keinesfalls ein Lobeslied auf den blutigen Befreiungskampf der Nation Indonesien, sondern – wie das grandiose Ende des Romans zeigt – ein mahnender Fingerzeig, dass die Unabhängigkeit der Nation nicht um jeden Preis errungen werden darf.


    Wer sich für die moderne Geschichte Indonesiens interessiert und dafür, was der Kampf um Unabhängigkeit aus den Menschen machen kann, dem sei dieses Buch empfohlen.


    Fazit:


    4,5 Sterne von mir.

  • Vielen Dank, Garuda! Ich merke mir den Tipp für einen Bekannten, der sehr an indonesischer Literatur interessiert ist, insbesondere an der Auseinandersetzung zwischen Kolonialherren und dann dem Übergang in die Autonomie. Dazu las er folgende Tetralogie an, die sehr intensiv und ebenfalls lesewürdig ist:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Buru-Tetralogie

  • Hallo tom leo,


    gern geschehen. Das freut mich immer sehr, wenn ich die - in Deutschland doch immer noch recht unbekannte - indonesische Literatur noch ein wenig mehr verbreiten kann.
    Und Pramoedya Ananta Toer ist natürlich in dieser Hinsicht kaum zu toppen ;-)