Christiane Fux - Das letzte Geleit

  • Dieses Buch hat mir wirklich ausnehmend gut gefallen. Hätte ich es nicht gewusst, hätte ich niemals erraten, dass es sich um ein Debüt handelt - so ausgewogen ist der Plot, so liebevoll gestaltet die Charaktere, so angenehm leicht offen das Ende. Ich habe eigentlich gar nichts zu bemängeln, was bei mir selten ist.



    Als hervorstechendstes Merkmal würde ich die Tatsache bezeichnen, dass das Buch genauso gut als reiner "Roman" wie als "Krimi" betrachtet werden kann. Oft ist es ja bei Krimis so, dass der Spannung und der Auflösung so einiges "geopfert" wird; ein wenig gezwungen sind z. B. immer die privaten Querelen der Ermittler. Doch hier ist alles ganz anders, unangestrengt, organisch, logisch.



    Theo Matthies ist sicher kein klassischer "Ermittler". Er ist Bestatter, mit vielen liebenswerten Eigenheiten. Er ist über einen beruflichen Umweg zu dieser Tätigkeit gekommen, übt sie nun aber mit umso mehr Überzeugung aus. Und genau das kam wunderbar überzeugend rüber! Viele interessante Details aus dem Gewerbe eines Bestatters haben die Lektüre für mich zusätzlich lohnend gemacht.



    Auch all die Menschen, mit denen er umgeben ist, waren liebevoll ausgesucht: Fräulein Huber, die jahrelange Assistentin seines Vaters, May, die junge Asiatin mit ihrer etwas morbide veranlagten Tochter, Fatih, der schwule und vegetarische (!!) Türke, Hadice, die unkonventionelle Kommissarin ... ach, es waren noch so einige mehr. Noch die kleinste Nebenfigur wurde von der Autorin ernst genommen, und mit einem Hintergrund versehen - und genau das hat mich sehr für die Autorin eingenommen. Und es spricht eben auch für "Roman", fast mehr als für "Krimi". Ganz zu schweigen von den heimeligen Schilderungen der Stadt Hamburg und ihrer Geschichte, versehen mit viel (!) Lokalkolorit.



    Theo Matthies fällt bei der alten Dame Anna, die er bestatten soll, ein Detail ins Auge, das jedoch für die Polizei als Verdachtsmoment nicht ausreicht. Also beginnt er, nachzuforschen. Ganz allmählich entwickelt sich so die Kriminalhandlung. Besonders schön fand ich dabei, dass es sich um eine "Teamarbeit" handelt. Theo ist weder Drauf- noch Einzelgänger. Er wird von etlichen Personen in seiner Recherche unterstützt - von Hanna, der Journalistin, an welche Anna sich gewandt hatte, von Fatih, dem türkischen Jugendlichen, der Annas Freund war, und von der ebenfalls türkischen Kommissarin Hadice. So ergibt sich ein wesentlich logischeres "Handlungsmuster", als wenn eine Person allein alles auf sich genommen hätte. Noch dazu kommt es zu so manch lustig-verzwickten Situationen, bei denen sich die kuriose Gemeinschaft gegenseitig helfen und "retten" kann.



    Auch als Krimi weiß das Buch zu überzeugen. Denn Anna hatte eine bewegte Vergangenheit - sie arbeitete während der Nazi-Zeit als Krankenschwester in einem Heim für behinderte Kinder. Und wer jetzt an Josef Mengele denkt, liegt nicht ganz falsch...! In diesem Heim gingen gruselige und unmenschliche Dinge vor sich, die Auswirkungen bis in die Gegenwart haben. Im "Jetzt" meint Anna, einen der damals Beteiligten wiedererkannt zu haben. Musste sie deswegen sterben? Die Handlung rund um Theo und sein ungewöhnliches Team wechselt ab mit Rückblenden aus Annas Erinnerungen. So wird die Spannung kontinuierlich hochgeschraubt, und man bekommt gleichzeitig noch so etwas wie ein medizinisches Porträt der damaligen Zeit.



    Ich kann wirklich nur hoffen, dass dies nicht der letzte Band rund um Theo Matthies, den sympathischen Bestatter, gewesen ist. Die Autorin Christiane Fux hat mich völlig überzeugt, mit einer ausgewogenen Mischung aus Menschlichkeit, Spannung und Witz.


    Meine Bewertung:5/5

    "Ein Mensch, der Ideale hat/
    Der hüte sich, sie zu erreichen!/
    Sonst wird er eines Tags anstatt/
    Sich selber andern Menschen gleichen."
    (Erich Kästner) :):)

  • Anbei noch die Kurzbeschreibung von amazon, damit man weiß, worum es in diesem Buch überhaupt geht:
    Eine Leiche ist für Theo Matthies nichts Besonderes – immerhin ist er Bestatter. Doch der Tod der alten Anna, die erfroren am Elbstrand lag, weckt sein Misstrauen. Als die Polizei den Fall abschließt, ermittelt der studierte Mediziner selbst. Dabei stößt er auf ein schreckliches Verbrechen, das im Zweiten Weltkrieg geschah – und auf einen Mörder, der offiziell seit Jahrzehnten tot ist.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Ich kann wirklich nur hoffen, dass dies nicht der letzte Band rund um Theo Matthies, den sympathischen Bestatter, gewesen ist.

    Wenn du oben bei der Reihe nachsiehst es gibt schon vier Bände

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

  • Danke für die schöne Rezi. :thumleft:


    Theo Matthies ist sicher kein klassischer "Ermittler". Er ist Bestatter, mit vielen liebenswerten Eigenheiten

    Ich mag ja solche Bücher, mit ausgefallenen Ermittlern oder Tatorten und deshalb wandert das Buch direkt auf meine WuLi. :study:

    Liebe Grüße von Tanni

    "Nur noch ein einziges Kapitel" (Tanni um 2 Uhr nachts)