Becky Chambers - Zwischen zwei Sternen / A Closed and Common Orbit

  • Eine großartige Geschichte über zwei starke Charaktere, die einen mehr als schweren Start in ihrem Leben hatten und sie trotzdem lernen, sich irgendwie zurechzufinden ... wieder mit viel Feingefühl und Tiefe, ohne bedrückend zu wirken.


    ACHTUNG! SPOILER ZU DEM VORGÄNGER!


    Verlagsinfo


    »Zwischen zwei Sternen« ist Becky Chambers zweiter Science-Fiction-Roman aus dem Wayfarer‑Universum – eine optimistische Space Opera mit High-Tech-Städten auf fremden Planeten, künstlichen Intelligenzen, außergewöhnlichen Aliens und einer gehörigen Portion Tiefgang.


    Früher hatte Lovelace ihre Augen und Ohren überall. Als KI-System der Wayfarer bekam sie alles mit, was auf ihrem Raumschiff passierte, und sie sorgte für das Wohlbefinden der Crew, für die Lovelace immer mehr eine Freundin war als nur ein System.
    Dann kam der totale Systemausfall. Ihre Crew sah nur eine Möglichkeit, Lovelace zu retten: ein Reboot all ihrer Systeme. Als sie aufwacht, ist sie in einem Bodykit gefangen, eingeschränkt auf modifizierte menschliche Körperfunktionen – in einer Gesellschaft, in der eine solche Umwandlung verboten ist.
    Doch Lovelace ist nicht allein: Pepper, eine chaotische Technikerin, die ihr Leben riskiert hat, um die Künstliche Intelligenz zu retten, hilft Lovelace, ihren Platz in der Welt zu finden. Denn Pepper weiß selbst nur zu genau, wie es ist, ganz auf sich allein gestellt zu sein und das Universum neu kennenzulernen …


    Meine Meinung


    Ich denke, prinzipiell kann man dieses Buch unabhängig vom ersten Band lesen, verpasst dabei aber die Vorgeschichte zu Lovelace, einem der Hauptcharaktere.
    Sie war das KI-System des Raumschiffs "Wayfarer", mit dem man in Band 1 hauptsächlich unterwegs war; und musste rebootet werden - dabei hat sie alles vergessen, was sie zuvor ausgemacht und welche Beziehungen sie zur Mannschaft entwickelt hat. Natürlich gibt es KIs mit keinerlei Emotion oder Weiterentwicklung, doch bei dem System von Lovelace war das anders.
    Jetzt, im synthetischen Körper eines Menschen, einem Bodykit, muss sie sich komplett umstellen und ist mit der Situation völlig überfordert. All ihre Funktionen, die Bestimmung, die ihr programmiert wurde, das alles beeinträchtigt sie, sich in das normale Leben zu integrieren.


    Doch die MechTech Pepper hilft ihr dabei. Sie und ihr Freund Blue nehmen Lovelyce auf und versuchen, ihr die Anpassung zu erleichtern. Pepper hat dafür ihre ganz eigenen Gründe, die in einem zweiten Handlungsstrang erzählt werden.
    Etwa 20 Jahre zuvor, als Pepper 10 Jahre alt war, sah ihr Leben und ihre Lebenserwartung noch ganz anders aus. Sie ist ein wundervoller Charakter und sehr bemüht, Lovelace ein Dasein zu ermöglichen, das deren Anforderungen entspricht. Nicht einfach, vor allem da ein Bodykit eigentlich illegal ist und sie alle aufpassen müssen, dass niemand ihr Geheimnis entdeckt.


    Ich finde es großartig, wie die Autorin diese schwierige Situation, die man sich eigentlich kaum vorstellen kann, so anschaulich beschreibt und auch die Gefühle und Schwierigkeiten einleuchtend aufzeigt. Eine künstliche Intelligenz, die irgendwie auch menschliche Gefühle aufweist, dabei aber immer auch die technischen Bedürfnisse mit aufgreift, ist ihr sehr gut gelungen. Vor allem verbindet sie damit auch immer wieder grundlegende Konflikte menschlicher Widersprüche auf, die zum Nachdenken anregen.


    Gleichzeitig erfährt man aus der Vergangenheit von Pepper sehr traurige, aber auch Mut machende Erfahrungen, aus denen sie gewachsen ist und die sie zu dem Menschen gemacht haben, der sie heute ist. Geduld, Beharrlichkeit und den Glauben an sich selbst hat sie dabei
    Auch dieses Mal schafft es Becky Chambers, viele wichtige Denkansätze in eine unglaublich faszinierende Geschichte zu packen. Zwei Charaktere in einer technisch hoch entwickelten Zukunft, in der sich Galaxien und Völker miteinander verbunden haben und die trotz der Unterschiede ein gewisses Maß gefunden haben, miteinander zurecht zu kommen.
    Ob Umwelt, Ausbeutung, Toleranz, den Sinn des Lebens, das alles wird scheinbar nebensächlich in die Geschichte eingeflochten, hat mich aber immer wieder innehalten lassen, um darüber nachzudenken.


    Sich im Leben zurechtzufinden, seinen Platz zu finden, sich selbst annehmen und wertschätzen zu können sind ganz elementare Themen, die niemals aufhören wichtig zu sein. Doch dabei darf man nicht aus den Augen lassen, das gleiche auch seinen Mitmenschen einzugestehen.


    Fazit: 5 Sterne


    © Aleshanee
    Weltenwanderer


    Wayfarer


    1 - Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten
    2 - Zwischen zwei Sternen
    3 - im Original: Record of a Spaceborn few (noch nicht auf deutsch)

  • Ich kenne den Vorgänger nicht. Den muss man meines Erachtens nicht gelesen haben, um hier zu Recht zu kommen. Mir hat der Klappentext zugesagt. Eine KI, die sich eingeschränkt im Körper eines Menschen neu finden muss, das klang interessant. Aber der Roman ist so viel mehr. Da sind zwei Erzählebenen. Zum einen das Mädchen Jane - dieser Part zeigt ein pessimistisches Zukunftsbild(Dystopie). Zum anderen Lovelace - die KI - die bei Pepper und Blue unterkommt. Hier leben die verschiedensten Spezies friedlich miteinander(Utopie). Ausgerechnet eine KI in einen menschenähnlichen Körper einzupflanzen, ist hier ein Verbrechen. Wie die Ebenen zusammenkommen, der Einfallsreichtum, die Charakterzeichnung ist hervorragend herausgearbeitet, Die liebevollen Details habe ich sehr genossen. Bitte nicht durch KI und/oder Space Opera beunruhigen lassen. Ja da schimmert etwas Technik hier und da durch. Das stört aber nicht. Ein neues Lieblingsbuch bei dem man sich wünscht, dass sich noch viele Leser dafür begeistern können.

  • Ich kann hier Aleshanee vollkommen ihrer Meinung zustimmen!

    Fantastisches Buch!

    Ich hatte es innerhalb von zwei Abenden durch ;)


    Hier wird auch zum ersten mal erwähnt, warum an einigen Stellen im ersten und nun auch zweiten Buch das "sir/sire/ser" anstatt "ihr/ihre/er" geschrieben wird. Es ist ein Neutrumform, oder wenn man nicht weiß, welchem Geschlecht jemand angehört.


    (Und ich dachte das sei ein übersehener Fehler des Lektoren :totlach:)


    Absolut die fünf Sterne wert.

    Ich freue mich schon auf das nächste Buch.

    Soll ja im Juli im Englisch kommen, ich hoffe es wird dann auch zeitnah übersetzt.

  • Lovelace, die KI der "Wayfarer" aus dem ersten Band der Reihe, hat das Schiff verlassen, um in einem künstlichen Körper weiterzuleben. Eine riskante Entscheidung, denn diese Bodykits sind illegal und sie muss aufpassen, nicht doch irgendwann aufzufliegen, was fatale Folgen haben würde. Denn auch wenn der neue Körper einem echten Menschen täuschend ähnlich sieht, muss sie doch erst einmal lernen, sich wie ein Mensch zu verhalten und auch, die Begrenztheiten ihrer neuen Erscheinungsform zu akzeptieren.


    Zur Seite steht ihr Pepper, die Technikerin, die selbst eine bewegte Geschichte hat: als Kind war sie Teil einer Schar von Kinderarbeiterinnen, die, hinter Fabrikmauern kaserniert, einem strengen Regiment von Roboter-"Müttern" unterstellt waren und eigens als billige Arbeitskräfte erschaffen wurde. Als Zehnjährige hat sie es geschafft, aus der Fabrik auszubrechen und auf einem gestrandeten Raumschiff Zuflucht zu finden, das nur noch von einer KI namens Owl bewohnt war. Owl hat Jane 23, wie sie damals noch hieß, unter ihre Fittiche genommen und ihr geholfen, zu einer tatkräftigen und mutigen jungen Frau heranzuwachsen. Das ist mit ein Grund, weshalb sich Pepper nun so verpflichtet fühlt, Lovelace (oder Sidra, wie sie sich später nennen wird) zu unterstützen und vor allem dafür zu sorgen, dass ihr Geheimnis nicht ans Licht kommt.


    Wäre ich nicht vorgewarnt gewesen, dass wir mit der liebgewonnenen Crew der "Wayfarer" in diesem Buch praktisch keine Berührungspunkte mehr haben, hätte mich das sicherlich ein wenig enttäuscht, womit ich wiederum diesem 2. Teil Unrecht getan hätte.


    Denn die Geschichte einer KI, die in einen "menschlichen" Körper übergeht und dabei ganz neue Erfahrungen macht, ist sehr faszinierend geschildert und wirft auch ein paar interessante Fragen auf. Den zweiten großen Handlungsstrang, Peppers Ausbruch aus den unmenschlichen Zuständen in der Fabrik und ihre weitere Entwicklung, fand ich sogar noch spannender und berührender.


    Das "Drumherum" gefiel mir überdies wieder ausgesprochen gut. Becky Chambers' Universum ist bevölkert von interessanten Spezies, deren im großen und ganzen friedlich-diverses Miteinander mit vielen phantasievollen Details beschrieben ist, etwa regelmäßig ihr Geschlecht wechselnde Wesen oder solche, die per Wangenfärbung statt mit Worten kommunizieren (oder auch die verschiedenen Rauschmittel, die die einzelnen Arten so bevorzugen :D ). All diese Kleinigkeiten runden das Buch wundervoll ab und tragen viel zum Lesevergnügen bei. Ich freue mich schon auf den nächsten Band!