Chinua Achebe - Heimkehr in ein fremdes Land/No Longer at Ease

  • Original : No Longer at Ease (Englisch/Nigeria, 1960)


    Da er in der Fischer-Klassik-Reihe erschienen ist, stelle ich diesen Roman halt auch unter Klassiker ein.


    INHALT :
    Obi Okwonkwo, der Enkel des Helden aus ›Alles zerfällt‹, verlässt sein Dorf mit Unterstützung aller, um, britisch erzogen, einmal als Politiker für sie einzustehen. Doch bei seiner Rückkehr enttäuscht er alle. Achebes Roman über ein Leben, das nicht gelingen kann.


    BEMERKUNGEN :
    Ich hatte damals den ersten Band der « Afrikanischen Trilogie » echt gerne gehabt und auch hier vorgestellt: Chinua Achebe - Alles zerfällt/Things fall apart (Wink an @Mara ). Da fand ich dann auch günstig diesen Folgeband und war gespannt.


    Obi Okongwo ist als vielversprechendes Talent für vier Jahre nach London gegangen. Die Dorfgemeinschaft hatte sich zusammengetan und ein Stipendium finanziert. Nun, 1956 und bei seiner Rückkehr nach Nigeria, seiner Niederlassung in der Großstadt Lagos, steht er da eigentlich in Zugzwang. Doch er hat sich manchen Sitten seines eigenen Volkes oder des politischen Umfeldes entfremdet : Weder will er den allgemein herrschenden Korruptionsmachenschaften mitmachen (und wird dabei sowohl von Mitkumpanen als auch zu Bestechung Neigenden nicht verstanden), noch kann er manch « heidnische » Geste in seinem Heimatdorf mitmachen. Da stehen wir ja jetzt drüber, nicht wahr. Aber dem strenggläubig-christlichen Vater und Katecheten ist man auch ferne geworden. Wie könnte man zugeben, dass man in London nicht mehr seine « Gebete » gemacht hat ? Tja, und dann will er leichthin jegliches Tabu überspringen und eine « Ausgestoßene » zur Seinigen machen. Nein, definitiv : Obi ist in seiner eigenen Heimat ein Fremder geworden, oder, wie der englische Titel suggeriert, « nicht mehr gemütlich dabei ». Er sitzt wahrlich zwischen allen Stühlen.


    Achebe beschreibt diese Konfliktstoffe und die Zerreißprobe, in der der junge Obi steht. Und obwohl dieser Roman nun fast sechzig Jahre alt ist bleibt zu befürchten, dass er in mancherlei Hinsicht noch brandaktuell ist. Achebe schreibt « anders », manchmal vielleicht eben näher dran an der afrikanischen Erzählkultur mit seiner Form der Weisheit. Erfrischend anders !


    « Größe wird nicht von den Menschen gemacht. Man kann sie nicht (…) anpflanzen. Hat jemals ein Mensch einen Iroko-Baum gepflanzt – den größten Baum des Waldes ? Man mag alle Iroko-Samen der Welt sammeln, die Erde aufbrechen und die Samen hineinlegen – es wird vergeblich sein. Der große Baum entscheidet selbst, wo er wachsen will, und dort finden wir ihn. So ist es auch mit der Größe bei den Menschen. »


    AUTOR :
    Chinua Achebe wurde 1930 als fünftes von sechs Kindern in Ogidi im Osten Nigerias als Sohn eines evangelikalen Katechisten aus dem Stamm der Igbo geboren. Er wurde in den 1930er Jahren in einer Missionsschule in Ogidi unterrichtet und besuchte später ein College in Umuahia. Ab 1948 studierte er Anglistik, Geschichte und Theologie am University College von Ibadan und schloss 1953 sein Studium ab. Von 1954 an arbeitete er zwölf Jahre lang für die Nigerian Broadcasting Corporation in Lagos.


    Während des nigerianischen Bürgerkrieges engagierte er sich auf Seiten Biafras und war zwischen 1967 und 1970 Sonderbotschafter in den USA und in Europa. Von 1976 bis 1990 war er Professor für Literatur an der Universität von Nsukka. 1979 eröffnete er in West-Berlin das erste Horizonte Festival der Weltkulturen. Er war an einer Reihe britischer und US-amerikanischer Universitäten Gastprofessor. Zuletzt lehrte er am Bard College in Annandale-on-Hudson, New York. Seit 1990 war er infolge eines Autounfalls von der Hüfte abwärts gelähmt und bewegte sich im Rollstuhl.


    Achebe war skeptisch gegenüber Autoritäten und Vaterfiguren und äußerte sich kritisch zu Politik, Wirtschaft und der Beachtung der Menschenrechte in seinem Heimatstaat. Aus Protest gegen die anhaltende Korruption in Nigeria lehnte er 2011 ein weiteres Mal den Titel des Commander of the Federal Republic, der von der nigerianischen Regierung verliehen wird, ab.


    Achebe gilt als der Begründer der modernen nigerianischen Literatur und weltweit als einer der herausragenden englischsprachigen Schriftsteller. Seine Werke wurden in rund 50 Sprachen übersetzt. Dabei entwickelte er einen eigenen Stil, der auf der Erzähltradition seiner Heimat aufbaut. Er verzichtete bewusst auf europäische Literaturkonventionen, verarbeitete jedoch nigerianische Erzählungen in seinen Romanen. Nach seinen eigenen Worten „sollte jede gute Geschichte, jeder gute Roman, eine Botschaft enthalten, einen Zweck haben“.


    2002 wurde Achebe für sein politisches Engagement mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt, 2007 erhielt er den Man Booker International Prize.
    Am 22. März 2013 starb er nach kurzer Krankheit im Alter von 82 Jahren in Boston, USA.



    Taschenbuch: 192 Seiten
    Verlag: FISCHER Taschenbuch; Auflage: 1 (24. September 2015)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 359690613X
    ISBN-13: 978-3596906130

  • Hier eine Verlinkung zu einer englischsprachigen Ausgabe. Dort steht etwas vom abschliessenden dritten Teil der Trilogie. Das macht mich nun stutzig... Wie dem auch sei:

  • Ich habe mir das Buch aufgrund der Rezension von Tom Leo gekauft. Hatte aber große Befürchtungen, denn Literatur von Afrikanern, das stellte ich mir ehrlich gesagt zäh vor. (Reine Vorurteile, ich weiß. Ich hoffe, es ist kein Rassismus, komme ich doch aus einer Generation, wo die Eltern noch "Negermusik" verboten haben. Ich denke ich habe das meiste abgelegt.) Ich erwartete etwas wie südamerikanische Bücher, die ich noch nie gemocht habe. Insofern war ich erst einmal erfreut, wie flüssig sich das lesen ließ. Da gab es keine Anstrengung oder Überwindung. Eine angenehm dahinfließende Sprache ohne Manierismen. Die Beschreibungen, auch der Menschen, klar und überzeugend. Gewünscht hätte ich mir die eine oder andere Erläuterung afrikanischer Begriffe oder Eigenarten. ( Ichhabe die Ausgabe der Süddeutschen Zeitung). Überhaupt hätte ein bisschen mehr Brimborium nicht geschadet.

    Was mich am meisten berührt hat war, dass das Buch unheimlich traurig und hoffnungslos ist. Dieser Zwang, in die Korruption einzutauchen, mitzumachen, brach mir das Herz. Wäre das von einem europäischen Autor so geschildert worden, ich denke, ich hätte dem Rassismus vorgeworfen. Ich kann es nicht beurteilen, aber Tom Leo meint ja auch, dass das Thema immer noch aktuell ist, wenn dem so ist, und ich befürchte es, macht es alles nur noch trauriger.

    Ich bereue nicht, das Buch gelesen zu haben, aber ich werde es nicht behalten, denn noch einmal werde ich es nicht lesen, es ist mir zu deprimierend. Gern wird so etwas dann ein "wichtiges Buch" genannt. Ich mag diese Kategorisierung nicht, aber irgendwie passt es doch.

    Insofern Danke für den Tipp an Tom Leo, aber jetzt lese ich erst mal was weniger Berührendes. (Joseph Conrad).