Sylvia Plath - Zungen aus Stein / Johnny Panic and the Bible of Dreams

  • Die Autorin (Q: Wikipedia, stark gerafft): Die am 27. Oktober 1932 in Jamaica Plain bei Boston als Tochter eines deutschstämmigen Biologen und einer Lehrerin geborene Sylvia Plath war eine amerikanische Schriftstellerin. Als Plaths Hauptwerk gilt ihre Lyrik, insbesondere der nachgelassene Lyrikband "Ariel" sowie ihr einziger Roman "Die Glasglocke". Daneben schrieb sie Kurzgeschichten und Kinderbücher. Mit einem Begabtenstipendium begann sie am Smith College in Northampton ein Studium, besuchte einen Kursus "Kreatives Schreiben", veröffentlichte erste Texte, gewann Preise - und litt an schweren Depressionen, die u.a. mit Elektroschocks behandelt wurden. Sie arbeitete als Dozentin, war in psychiatrischer Behandlung, und lernte in England ihren späteren Ehemann, den Schriftsteller Ted Hughes kennen. 1960 Geburt ihrer Tochter, später Umzug in den Südwesten Englands. Nach einer Fehlgeburt und einer glücklichen Entbindung ein Jahr später, trennt sich das Ehepaar. Am 11. Februar 1963 schied sie in Primrose Hill, London, durch Suizid aus dem Leben. Ihre Kinder schliefen in einem angrenzenden Zimmer. Sylvia Plaths Literatur wird zumeist im Kontext ihrer Lebensgeschichte gewertet. Ihre Gedichte gelten als Bekenntnislyrik, und auch in ihrer Prosa verarbeitete sie autobiografische Erlebnisse wie einen Suizid­versuch oder die Beziehung zu ihrem Ehemann Ted Hughes. Vor allem ihr früher Tod wurde zum Gegenstand des öffentlichen Interesses. Plath wurde zu einer Symbolfigur der Frauenbewegung stilisiert und ihre Lebensgeschichte als Spiegelbild der Rolle der Frau in der Gesellschaft verstanden


    Kurzbeschreibung (Q: Klappentext): Am 27. Oktober 2012 wäre die amerikanische Autorin Sylvia Plath 80 Jahre alt geworden. 1963, als Dreißigjährige, nahm sie sich in London das Leben. In der kurzen Zeit ihres Schaffens war Sylvia Plath ungeheuer produktiv. Sie galt als Wunderkind, veröffentlichte schon mit 17 Jahren Kurzgeschichten und Gedichte. In ihren Erzählungen schreibt Plath über Frauen und weibliches Bewusstsein: von kleinen Mädchen mit ihrer ersten Trauer über das Unwiederbringliche, von Schülerinnen, die unter dem Gruppenterror an der High School leiden, von der Alltäglichkeit in den Beziehungen zwischen Frau und Mann, aber auch von unverhofftem Glück. Immer scheint Sylvia Plath in ihren Erzählungen selbst anwesend zu sein, mit all ihrer Verletzlichkeit und ihrer tiefen Melancholie.


    Zweiter Band der gesammelten Erzählungen in deutscher Übersetzung (aus dem Amerikanischen von Julia Bachstein und Susanne Levin), die im Original in einem Band erschienen sind. Die meisten Erzählungen wurden überhaupt erst postum veröffentlicht.


    Manche Geschichten fand ich furchtbar: Zuviele Worte, ohne sich den Figuren zu nähern. [-( Manche dagegen sind großartig: Pointiert, aber auch beiläufig, voller fast haptisch nachempfindbarer Eindrücke, Gefühle und Erinnerungen der Figuren. :lol:


    Wie "Ein Tag im Juni" aus kleinen Momentaufnahmen einer Bootstour eine fast archetypische Erinnerung an jugendliche Übergangszeiten und ein Gefühl des Verlustes zusammensetzt, fand ich sehr beeindruckend!
    In „Der grüne Felsen“ kehren zwei Geschwister an den Ort ihrer Kindheit zurück und stellen fest, dass ihnen alles kleiner und normaler vorkommt als in ihrer Erinnerung.
    In „Unter den Hummeln“ hängt sich ein Mädchen an ihren starken, strengen Vater, der Schwäche verlacht und daher auch seinen kränklichen kleinen Sohn nicht leiden mag. Auch das Mädchen triezt ihren Bruder. Das Ende der Geschichte liefert gewissermaßen eine böse Wiedergutmachung der Schwäche, anders als gedacht.
    In „Einführung“ durchlebt eine Schülerin der High School das demütigende Einführungsritual in eine Schülerinnenvereinigung, lernt dabei etwas fürs Leben und zieht einen ungewöhnlichen Schluss.
    In „Sonntag bei den Mintons“ lebt eine Frau nach einigen Jahren des Alleinlebens in der Stadt bei ihrem alten Bruder und führt ihm den Haushalt. Er gängelt sie väterlich von oben herab für ihre Verträumtheit. Dann wird erzählt, was bei einem Sonntagsspaziergang passiert. Mit schönen, kleinen, fast beiläufigen Gehässigkeiten der Erzählerstimme!
    In „Diese Witwe Mangada“ wird der Urlaub eines jungen Schriftstellerpaares in Spanien erzählt, in dem sie in Ruhe in einem gemieteten Haus sich dem Schreiben widmen wollen, doch die anstrengende Vermieterin macht ihnen mit Überwachung, spitzen Bemerkungen und Bewertungen das Leben schwer.


    Es gibt aber auch eher doofe Erzählungen in dem Band: Die Titelgeschichte gefällt mir nicht besonders, allerdings hantiert sie ganz andeutungsreich mit der Möglichkeit eines Selbstmordes, was als Bezug zum Leben der Autorin nicht ohne Gewicht ist.
    Der lange Text „Steinknabe mit Delphin“ (anscheinend gewissermaßen ein Fragment der vernichteten und nie verwirklichten Fortsetzung der „Glasglocke“) ist sehr ermüdend. Man kann keinen Bezug zu den Figuren aufbauen. Sehr elliptisch und an Erklärungen nicht interessiert. Keine Geschichte, eher Eindrücke und Andeutungen. Nichts wird plastisch gemacht. Eine schreckliche Erzählung! :roll: Und die anderen nicht so guten Geschichten gehen alle in diese ungreifbare Richtung, die nicht erzählt, sondern eher Prinzipien verdeutlicht.


    Dann gibt es aber wieder auch völlig fantastische Erzählungen: „Über dem Oxbow“, in der sich eine junge Frau darüber aufregt, dass man für das Erklettern eines Aussichtshügels Parkgebühr bezahlen muss, auch wenn man das Auto am Fuß des Hügels parkt, und nicht wie fast alle anderen zum Parken hinauffährt. Dieser Preis schmälert ihr offensichtlich den Lohn der auf sich genommenen Mühen, das quasi muskuläre Siegesgefühl, und entweiht Ort für sie nahezu, zu dem sie – eine Vorbeziehung wird angedeutet – anscheinend eine neue, bessere Beziehung aufzubauen gedachte.
    „Der Schatten“ ist eine vorzügliche Geschichte über unterschiedliche Mädchen-Lebensstile (Feindbild: die Süße, der keine Schandtat zugetraut wird), kombiniert mit übler Nachrede in Zeiten des Krieges über den deutschstämmigen Vater der Hauptfigur, die in dem weltbilderschütternden Satz „Gott wird es zulassen!“ - die Ungerechtigkeit nämlich - gipfelt.
    „Sweetie Pie und die Dachrinnen-Männer“ führt eine Mutter und ihre kinderlose Bekannte bei einem Nachmittagstee zusammen, wobei die Kinderlose mehr Kinder-Verständnis beweist als die Mutter, und außerdem auf sehr vielschichtige Weise unterschiedliche Kinder-Temperamente gegeneinander aufgefahren werden.


    Dann noch die etwas lahme Geschichte „Tag des Erfolgs“, in dem sich eine junge Ehefrau und Mutter darum sorgt, dass ihr Mann, ein Autor, dessen erstes Theaterstück gerade angenommen wurde, im Rausch des Erfolges ihrer nun vielleicht bieder erscheinenden Normalität überdrüssig würde.


    Zum Abschluss gibt es noch einen eher drögen Auszug aus ihrem Tagebuch über eine ihr bekannte Familie aus der Nachbarschaft, die aus diversen Gründen schrecklich eingebildet ist.


    In den guten Geschichten dieses Bandes blickt Sylvia Plath weit hinter die Fassade ihrer Mitmenschen. Das Leben vieler Figuren wird durch andere Personen oder Personengruppen mehr als nur eingeschränkt. Menschen werten einander ab, stören, verhalten sich ungenügend. Manches Mal ist eine freie Entfaltung unmöglich. Sylvia Plath fängt diese psycho-sozialen Befindlichkeiten mit ziemlicher Schärfe ein. Diese Prosastücke rechtfertigen den Blick in diesen Sammelband völlig. Nur sollte man sich ruhig die Freiheit herausnehmen, einige Geschichten wohlwollend zu überspringen. :wink: Sylvia Plaths Erzählungen sind in dieser Verlagszusammenstellung also leider nur ein gemischtes Vergnügen. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Manner "Das Mädchen auf der Himmelsbrücke" (82/151)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 57 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Kuhl "Helenes Familie" (23.04.)

  • Die Erzählungen in der Originalsprache in einer anderen, aber ebenfalls postumen Zusammenstellung. Obacht: Der zweite deutschsprachige Band mit Plath-Erzählungen ("Die Bibel der Träume") bedient sich ebenfalls bei dieser englischen Ausgabe! [-X

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Manner "Das Mädchen auf der Himmelsbrücke" (82/151)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 57 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Kuhl "Helenes Familie" (23.04.)