J. Courtney Sullivan - All die Jahre / Saints for All Occasions

  • Kurzmeinung

    Bridgeelke
    schrecklich, welchen Einfluss die Kirche noch Mitte des 20. Jahrhunderts auf das Leben ihrer Mitglieder hatte
  • 1957. Die 21-jährige Nora Flynn macht sich mit ihrer jüngeren Schwester Theresa von Irland auf den Weg nach Amerika, wo ihr Verlobter Charlie sie in Boston schon erwartet und die beiden heiraten sollen. Obwohl Nora nicht begeistert ist, in die USA zu reisen, tut sie dies ihrer Schwester zuliebe, denn Theresa soll dort eine Ausbildung zur Lehrerin machen und nicht in einer Fabrik in Irland versauern. Als Theresa sich in den verheirateten Walter verliebt und auch noch schwanger wird, dieser aber nicht zu ihr steht, ist es Nora, die eine Entscheidung für sie beide trifft und damit die Entzweiung der Schwestern auslöst, die 50 Jahre dauern wird. Als 2009 Noras ältester Sohn Patrick bei einem Autounfall stirbt, sucht sie den Kontakt zu ihrer Schwester Theresa. Was ist zwischen den Schwestern passiert, dass sie so lange nichts miteinander zu tun haben wollten?


    J. Courtney Sullivan hat mit ihrem Buch „All die Jahre“ einen sehr interessanten und fesselnden Familienroman vorgelegt, der historische Züge aufweist. Der Schreibstil ist flüssig und eindringlich, dabei unaufgeregt und mit einem kleinen Augenzwinkern, wobei auch eine gewisse Tiefgründigkeit zu erkennen ist. Die Geschichte wird in zwei wechselnden Handlungssträngen erzählt, einer befasst sich mit den Ereignissen der Vergangenheit der beiden Schwestern, der andere berichtet über die Gegenwart der Frauen und wie es ihnen ergangen ist. Die Autorin versteht es geschickt, die beiden Zeitepochen miteinander zu verflechten und dem Leser so einen Rundumblick über die Situation der beiden Schwestern zu vermitteln. Der Spannungsbogen wird durch die einzelnen Charaktere und deren Geheimnisse aufgebaut und stetig gesteigert. Gleichzeitig lässt die Autorin viele Themen und Ansichten in ihre Handlung miteinfließen, die zum einen die vergangene Zeit geprägt haben und die sich gerade in Familien zum Großteil durch die Erziehung immer wieder wiederholen. Da geht es um Einwanderung und Heimatgefühle, das Frauenbild in Irland zur damaligen Zeit, Kindererziehung und Generationenkonflikt sowie um Dinge, die innerhalb der Familie im Verborgenen bleiben müssen. Gerade dieser Mix lässt die Geschichte zum einen kurzweilig wirken, aber sie stimmt auch sehr nachdenklich.


    Die Charaktere sind sehr unterschiedlich angelegt und bestechen durch ihre individuellen Eigenschaften. Sie wirken authentisch und lebendig. Nora ist eine eher schüchterne und zurückhaltende Frau, die sich ihrer Verantwortung voll bewusst ist. Schon früh musste sie sich nach dem Tod der Mutter um die jüngeren Geschwister kümmern. Die Hochzeit mit einem Mann, dem sie keine Gefühle entgegenbringt, zieht sie durch, weil es von ihr erwartet wird. Um ihre Schwester vor Diffamierung zu schützen, trifft sie eine Entscheidung, die dann allerdings zum Bruch führt. Als alte Frau wirkt Nora nachdenklich und in sich gekehrt, sie resümiert ihr Leben und wird sich dabei bewusst, wie sehr einige Entscheidungen das Leben von vielen anderen geprägt und gelenkt haben. Theresa war als junge Frau aufgeschlossen, lebensbejahend und abenteuerlustig. Sie freute sich auf ein neues aufregendes Leben in einem fremden Land und auf eine Ausbildung. Doch dann stürzt sie aufgrund von falschen Entscheidungen ab und landet unsanft auf dem Boden der Tatsachen. Sie wird Nonne und lebt fernab vom normalen Leben in einem Kloster, als wollte sie sich abschirmen und nie mehr an der Oberfläche auftauchen. Gleichzeitig wirkt es, als wolle sie, die immer so fröhlich und neugierig auf das Leben war, sich selbst bestrafen. Die weiteren auftretenden Protagonisten geben mit ihren eigenen Geheimnissen und ihrer Sicht auf die Dinge der Handlung weitere Spannung.


    „All die Jahre“ ist ein wirklich gelungener Familienroman, der historische Vergangenheit und Gegenwart miteinander verknüpft und mit vielen Geheimnissen gespickt ist, die es nach und nach zu ergründen gilt. Das offene Ende des Romans überlässt es dem Leser, sich sein eigenes Ende zu spinnen. Absolute Leseempfehlung für alle, die schön geschriebene Familiengeschichten lieben!!!


    Wunderbare :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: .

    Bücher sind Träume, die in Gedanken wahr werden. (von mir)


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    Albert Einstein


    "Bleibe Du selbst, die anderen sind schon vergeben!"
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    gelesene Bücher 2020: 432 / 169960 Seiten

  • interessante Familiengeschichte mit Geheimnissen


    Inhalt:
    Eine Familie aus mehreren Generationen und mit doch ziemlich komplizierten Beziehungen untereinander, kommt zusammen, nachdem es einen Todesfall gegeben hat. Ein Familiengeheimnis wird dabei gelüftet, welches die Vergangenheit der beiden Schwestern betrifft; die den Kontakt zueinander verloren hatten.
    Werde die Protagonisten die Situation nutzen und es besser machen? Lernt man daraus etwas? Finden die beiden Schwestern wieder zueinander?
    Das Buch beleuchtet die Vergangenheit ebenso wie die Gegenwart, was das Interesse beim Leser weckt.


    Fazit:
    Eine nicht ganz so neue Idee, die hervorragend umgesetzt wurde. Áuch die damalige Zeit wurde in dem Buch gut eingefangen.
    Toller Schreibstil - der Teufel liegt im Detail. Von mir kommt eine klare Leseempfehlung.

  • Spät abends erhält Nora Rafferty einen verhängnisvollen Anruf - Patrick, ihrältester Sohn, ihr heimlicher Liebling unter den vier Kindern, ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Eine furchtbare Nachricht, die selbst die stetsbeherrschte und pragmatische Frau an ihre Grenzen bringt.


    Jahrzehnte zuvor ist Nora mit ihrer jüngeren Schwester Theresa in die USA ausgewandert. Nicht, weil sie das unbedingt wollte, sondern weil ihr Verlobter von seinem Vater dorthin geschickt wurde, weil es zu Hause in Irland keine guten Zukunftschancen für junge Leute gab. Während die zurückhaltende, stets vernunftgetriebene Nora keine großen Ansprüche an das Leben stellt, sich mit den Gegebenheiten abfindet und sich mit der Arbeit zufriedengibt, die sie finden kann, will Theresa mehr vom Leben: tanzen, flirten, schöne Kleidertragen und als Lehrerin arbeiten, statt sich die Finger wundzunähen oder sich als Hausmädchen zu verdingen.


    Doch wie es so schön heißt: Leben ist das, was passiert, während man andere Pläne schmiedet. Für Nora wie für Theresa nehmen die Dinge schon bald Wendungen, die nicht vorherzusehen waren, was schließlich dazu führt, dass sich die Schwestern auf Jahrzehnte entzweien.


    Inhaltlich sticht "All die Jahre" gar nicht einmal so sehr unter vielen anderen Einwanderergeschichten zwischen Irland und den USA heraus, auch wenn die wechselvolle Familienhistorie der Flynns und Raffertys zahlreiche überraschende Volten schlägt und schon dadurch spannenden und unterhaltsamen Lesestoff bietet.


    Was dieses Buch zu einem meiner bisherigen Jahreshighlights macht, ist J.Courtney Sullivans Einfühlungsvermögen und präzise, glaubhafte Charakterzeichnung. Ihre Figuren sind echte Menschen, keine Stereotypen, sie haben Ecken und Kanten und alle ihre seelischen Abgründe, die kein anderer sehen soll. Die Reibungen zwischen Nora und ihrer Schwester, die sich unterscheiden wie Tag und Nacht, fängt die Autorin mit einem ausgezeichneten Blick fürs Detail genauso wunderbar ein wie die Geschwisterkonstellationen unter Noras vier Kindern oder auch deren jeweiligen Konflikte mit der Mutter, die zeitlebens verschlossen, streng und unzugänglich bleibt.


    Zahlreiche Themen werden berührt, ohne sie zu verwässern, Gefühle porträtiert, ohne in Kitsch abzugleiten, und oft schwingt auch ein leiser Humor mit, ohne dass Ernsthaftes ins Lächerliche gezogen wird. Sullivan bedient sicheiner leicht dahingleitenden Sprache, ohne oberflächlich zu sein - ein wirklich gelungenes Familiengemälde mit großartigen Figuren.


    Das einzige, was mir (wieder einmal) nicht so gut gefällt, ist der lahme deutsche Titel. Das Original heißt "Saints for All Occasions"(Heilige für jede Gelegenheit), was auch einen schönen Bezug zum Buch hat.

  • Mir fällt gerade noch auf, dass beim Namen der Autorin in der Threadüberschrift ein "t" fehlt, CourTney muss es heißen (dann findet man's wahrscheinlich auch über die Suche). Vielleicht könnte das noch einer von den Mods nachtragen? Danke!

  • Mir fällt gerade noch auf, dass beim Namen der Autorin in der Threadüberschrift ein "t" fehlt, CourTney muss es heißen (dann findet man's wahrscheinlich auch über die Suche). Vielleicht könnte das noch einer von den Mods nachtragen? Danke!

    danke für deine Aufmerksamkeit, ich hab's korrigiert :)

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • In dem Roman 'All die Jahre' von J. Courtney Sullivan geht es um zwei Schwestern (Nora und Theresa), die in jungen Jahren von Irland nach Amerika ausgewandert sind. Jedoch verläuft das Leben dort ganz anders als gedacht, da die jüngere der beiden Frauen (Theresa) schwanger wird und die ältere eine folgenschwere Entscheidung fällt.

    Das Buch selbst beginnt im Jetzt - 50 Jahre später, und zwar mit der Nachricht, dass das älteste Kind von Nora (Patrick) im Krankehaus liegt und mit dem Leben ringt. Gerade er ist von ihren vier Kindern derjenige, der ihr am meisten Sorgen breitet und dennoch ihr Lieblingskind ist.

    Patricks Tod führt die Schwestern nach Jahrzehnten des Schweigens wieder zusammen, und zwingt vorallem Theresa, die als Nonne im Kloster lebt, sich mit dem auseinanderzusetzen, was ihr Leben für immer verändert hat.

    Was mich bei dem Roman besonders fasziniert hatte war, dass hier auf zwei Zeitebenen erzählt wird und die Autorin immer wieder zurück in die Vergangenheit springt. Die Personen werden sehr detailliert und lebensecht geschildert, die kurzen Sätze rinden das gesamte noch schön ab. Man kann sich hervorragend in die zeiten und die Situationen hineinversetzen - eine Leichtigkeit des Seins würde ich sagen.

    Meines Erachtens hat die Autorin das Thema Geschwister, Familie und Leben herrvoragend umgesetzt - ein einfühlsamer Familienroman, der nichts beschönigt, sondern schildert, wie das Leben tatsächlich verlaufen könnte, ohne alles mit einer rosaroten Brille zu verschleiern...und dennoch einem zeigt, dass man nie die Hoffnung und den Mut verlieren soll.