Curzio Malaparte - Die Haut / La pelle

  • Autor: Curzio Malaparte
    Titel: Die Haut, aus dem Italienischen übersetzt von Hellmut Ludwig
    Originaltitel: La Pelle erschien erstmals 1949
    Seiten: 448 Seiten
    Verlag: Fischer Taschenbuch
    ISBN: 9783596174119


    Der Autor:
    Curzio Malaparte, 1898 in der Toskana, als Sohn eines deutschen Vaters und einer italienischen Mutter unter dem Namen Kurt Erich Suckert geboren, war ein italienischer Journalist, Schriftsteller und Diplomat. Das Pseudonym Malaparte (=der schlechte Teil) legt er sich ab 1925 in Anlehnung auf Bonaparte zu. Bereits als Teenager veröffentlicht er Gedichte und wird Herausgeber der satirischen Regionalzeitung „Il Bacchino“. Ab 1914 kämpft er als freiwilliger Infanteriesoldat, zunächst in den französischen Argonnen gegen die Deutschen, später an verschiedenen Fronten des Veneto, Trentino und Isonzo. 1918 erleidet er eine Lungenverletzung durch einen Gasangriff in Frankreich. Er erhält zwei Tapferkeitsmedaillen und wird zum Offizier befördert. Nach dem Krieg arbeitet er als Journalist in verschiedenen europäischen Ländern. 1921 kehrt er zurück nach Italien und tritt in die Faschistische Partei Benito Mussolinis ein. Er avanciert zu einem mondänen Snob, der als Intellektueller gerne auf Partys Adliger, Industriellen und politischen Größen im Mittelpunkt steht. Ab 1926 dann immer wieder Angriffe auf faschistische Umtriebe und Bloßstellung Mussolinis (Don Camaleo, 1926) und Hitlers (Die Technik des Staatsstreichs, 1931). Daraufhin verliert er seine Stelle als Direktor der Turiner Tageszeitung „La Stampa“ und wird aus Mussolinis Partei ausgeschlossen. 1933 wird er dann wegen antifaschistischer Agitation zu fünf Jahren Verbannung auf die Insel Lipari verurteilt. Dank seiner guten Verbindung zu Mussolinis Schwiegersohn und anderen einflussreichen Freunden, wurde er rasch begnadigt und durfte unter dem Pseudonym „Candido“ wieder als Journalist arbeiten. Ab 1938 arbeitete er als Kriegsberichterstatter für die Mailänder Zeitung „Corriere della Sera“ in Nordafrika, Frankreich, Deutschland sowie 1940–45 auf dem Balkan, Finnland und Russland. Diese Erlebnisse verarbeitet er auch in seinen beiden Romanen „Kaputt“ (1944) und „Die Haut“. (1949)
    Nach dem Krieg fühlt er sich in Italien angefeindet und isoliert. Elfmal in zwanzig Jahren sei er dort verhaftet worden, aber er wird als Faschist und Günstling Mussolinis betrachtet und die Romane seien Berichte eines Nestbeschmutzers. Er schreibt nun mit mäßigem Erfolg Drehbücher und Opern, inszeniert Theateraufführungen, reist viel in der Welt umher. 1956 wird bei ihm Lungenkrebs diagnostiziert, woran er am 19. Juli 1957 in Rom stirbt. Auf dem Totenbett konvertiert er zum Katholizismus und vermacht seine Villa auf Capri dem chinesischen Staat.


    Inhalt: (Klappentext)
    Neapel 1943: Als Verbindungsoffizier der Alliierten, die 1943 Neapel von den deutschen Besatzern befreiten, begleitet Malaparte die amerikanischen Truppen auf ihren Wegen durch die Stadt. Er wird zum Zeugen einer beispiellosen Verrohung unter der neapolitanischen Bevölkerung, die nur eines kennt: die eigene Haut zu retten.


    Meinung:
    So ausführlich ich bei der Autorenbeschreibung war, so knapp möchte ich mich bei der Inhaltsangabe halten. Nur soviel: in zwölf Kapitel beschreibt der Verbindungsoffizier Malaparte, wie sich das Leben Neapels nach der Befreiung der amerikanischen Truppen verändert. Die einzelnen Kapitel, obwohl chronologisch aufbauend, sind absolut selbständig. Eine durchgehende Handlung wird im Prinzip nicht erzählt, sondern eher einzelne Episoden: grassierende Prostitution, der Ausbruch des Vesuv, ein Dinner bei General Cork, die Teilnahme an einer „Figliata“, usw…
    Der Roman ist extrem.
    Die Beschreibungen extrem bildgewaltig. Malaparte beschreibt, wie er einen Finger verspeist, wie ein Mensch von einem Panzer überrollt wird und den Aufwand, wenn man die Reste von der Straße kratzt, wie die Jungfräulichkeit getestet wird (und damit Geld gemacht wird), aber auch sehr schöne Landschaftsbeschreibungen. Ein krasser Gegensatz zwischen der Natur und dem rauen Leben.
    Die Sprache ist extrem ausdrucksstark: es schwankt ständig zwischen Bewunderung der europäischen Kultur, der Naivität der Amerikaner, der Würde von Siegern und Besiegten, … Teilweise obszön und verstörend, dann wieder schwärmerisch und kunstvoll
    Die Kriegserlebnisse sind extrem verstörend: nach einem Napalmangriff buddeln sich die Menschen in Sand ein oder tauchen unter Wasser. Doch bei jedem Luftkontakt entflammt deren Haut wieder. So vegetieren sie tagelang in ihren Löchern, die Schreie hört man überall. Oder Massenpanik während des Vulkanausbruchs, oder ein zusammenbrechender Bunker, oder, oder, oder
    Kriegsopfer sind hier alle, Sieger und Besiegte, denn was hier vor allen Dingen verloren geht ist die Würde. Unschuldig ist hier auch keiner, auch der Erzähler nicht. Als Verbindungsoffizier ohnehin beiden Seiten zugehörig und doch nicht richtig, ist er als Beobachter und Kommentator ebenfalls machtlos, aber Teil des Prozesses.
    Ohne Zweifel ein Buch, welches die Gemüter spaltet. Ich verstehe sehr gut, weshalb der Vatikan das Buch auf den Index setzte und Neapel ein Einreiseverbot für Malaparte verhängte. Nicht einfach zu lesen, aber es lohnt sich!