Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)
Ein Handelsreisender wird in einer Wohnung in der Innenstadt ermordet aufgefunden. Der gezielte Schuss in den Kopf, der ihn getötet hat, erinnert an eine Hinrichtung. Der Verdacht der Polizei fällt sofort auf die ausländischen Soldaten, die während der Kriegsjahre die Straßen Reykjavíks bevölkern. Thorson, kanadischer Soldat mit isländischen Wurzeln, und Flóvent von der Reykjavíker Polizei nehmen die Ermittlungen auf. Steht der Mord mit Spionagetätigkeiten auf Island in Verbindung?
Autor (Quelle: Verlagsseite)
Arnaldur Indriðason, 1961 geboren, graduierte 1996 in Geschichte an der University of Iceland und war Journalist sowie Filmkritiker bei Islands größter Tageszeitung Morgunbladid.
Heute lebt er als freier Autor mit seiner Familie in Reykjavik und veröffentlicht mit sensationellem Erfolg seine Romane. Arnaldur Indriðasons Vater war ebenfalls Schriftsteller.
1995 begann er mit Erlendurs erstem Fall, weil er herausfinden wollte, ob er überhaupt ein Buch schreiben könnte. Seine Krimis belegen allesamt seit Jahren die oberen Ränge der Bestsellerlisten. Seine Kriminalromane "Nordermoor" und "Todeshauch" wurden mit dem "Nordic Crime Novel’s Award" ausgezeichnet, darüber hinaus erhielt der meistverkaufte isländische Autor für "Todeshauch" 2005 den begehrten "Golden Dagger Award" sowie für "Engelsstimme" den "Martin-Beck-Award", für den besten ausländischen Kriminalroman in Schweden.
Arnaldur Indriðason ist heute der erfolgreichste Krimiautor Islands. Seine Romane werden in einer Vielzahl von Sprachen übersetzt. Mit ihm hat Island somit einen prominenten Platz auf der europäischen Krimilandkarte eingenommen.
Allgemeines
Erster Band der Reihe um die Kommissare Flóvent und Thorson
Titel der Originalausgabe: „þýska húsið“, ins Deutsche übersetzt von Anika Wolff
Erscheinungstermin: 26. Januar 2018 bei Bastei Lübbe als HC mit 432 Seiten
Gliederung: 54 Kapitel
Erzählung in der dritten Person, abwechselnd aus den Perspektiven von Flóvent und Thorson
Handlungsort und -zeit: Reykjavík, 1941
Zum Inhalt
Der Handelsreisende Eyvindur wird tot in der Wohnung seines ehemaligen Schulfreundes und jetzigen Kollegen Felix aufgefunden, er wurde gezielt mit einem Kopfschuss hingerichtet. Da die Kugel aus einer amerikanischen Waffe stammt, vermutet die Polizei zunächst, dass amerikanische Soldaten, die sich ebenso wie ihre britischen Kollegen als Besatzer in Island aufhalten, für die Tat verantwortlich sind. Am Tatort finden sich Hinweise, die die Annahme rechtfertigen, der Tote könnte für Deutschland spioniert haben, dies hätte er als berufsmäßig „Reisender“ unauffällig tun können.
Allerdings tut sich auch ein anderer Ermittlungsansatz auf. Kurz vor seinem Tod wurde Eyvindur von seiner leichtlebigen und kaltschnäuzigen Lebensgefährtin Vera für einen britischen Soldaten verlassen. Das wollte er nicht ohne Weiteres akzeptieren, es könnte sich also auch um einen Mord aus Eifersucht oder zur Beseitigung eines „abservierten“ Ex-Partners handeln…
Die Kommissare Flóvent und Thorson teilen sich die Ermittlungsaufgaben: Flóvent geht der Spionagespur nach und stößt dabei auf Machenschaften der Nazis, die ein weiteres Tatmotiv plausibel machen, Thorson geht der konfliktträchtigen Liebesbeziehung des Toten mit der leichtlebigen Vera nach.
Beurteilung
„Der Reisende“ ist ein ruhig erzählter Krimi, wie man ihn von Arnaldur Indriðason kennt, von mäßiger Spannung und wenig Blutvergießen geprägt, dafür aber intelligent konstruiert und im Verlauf nicht zu früh vorhersehbar. Es ergeben sich mehrere sehr unterschiedliche Theorien in Bezug auf das Tatmotiv, dabei werden nicht nur die privaten Beziehungen des Ermordeten zu einer sehr berechnenden Frau und Spionagetätigkeiten während des Zweiten Weltkriegs thematisiert, sondern auch interessante Einblicke in das unheilvolle Wirken der Nazis gegeben, die in Island quasi „den Ursprung des Arischen“ und das Erbe der Wikinger verorteten und dort bereits vor Kriegsausbruch inoffiziell gewisse Untersuchungen an Schülern vornahmen. Einige der Hauptfiguren im aktuellen Mordfall waren vor Jahren in diese Geschehnisse verwickelt.
Die Ermittlungen werden auf ebenso traditionelle wie unspektakuläre Weise durch Verhöre geführt, wobei der Szenenwechsel zwischen den Aktivitäten Flóvents und Thorsons mit kleinen Cliffhangern dafür sorgt, dass der Leser das Buch schwer aus der Hand legen kann.
Der anschauliche Erzählstil vermittelt einen guten Einblick in die Lage in Reykjavík während des Zweiten Weltkriegs, als sich dort sowohl britische als auch amerikanische Soldaten aufhielten. Da sich die meisten (deutschen) Leser mit der Geschichte Islands nicht so gut auskennen dürften, hätte ein Nachwort des Autors hier eine Bereicherung dargestellt.
Fazit
Ein ruhig erzählter, inhaltlich anspruchsvoller Kriminalroman, der interessante Einblicke in die jüngere isländische Geschichte vermittelt – lesenswert!