James Joyce - Dublin Stories

  • "Dublin Stories" enthält eine Auswahl einiger Kurzgeschichten aus James Joyce bekannter Kurzgeschichtensammlung "Dubliners". Aus diesen Kurzgeschichten wurden 7 Geschichten für dieses Buch ausgewählt. Die Ausgabe ist zweisprachig, so dass man zu der deutschen Übersetzung auch immer das englische Original zur Hand hat. Und wenn man in der englischen Sprache ein wenig sattelfest unterwegs ist, sollte man sich beide Versionen meiner Meinung nach unbedingt zu Gemüte führen.


    Das Buch ist mit seinen 180 Seiten recht dünn. Es ist aber ein guter Einstieg zum Autor und seinen Büchern. Mir hat dieser kleine Band auf jeden Fall Lust auf mehr von James Joyce gemacht.Am Ende gibt es ein kleines Glossar, in dem einige Begriffe etwas genauer erklärt werden. Das ist sicherlich auf den Umstand zurückzuführen, dass diese Ausgabe eher für Schüler konzipiert wurde. Mir hat es aber auch geholfen einige Zusammenhänge innerhalb der Kurzgeschichten besser zu verstehen.


    Joyce beschreibt Dublin und seine Einwohner bildlich und gefühlvoll mit all ihren Facetten. Bestimmte Themen wie bspw. Armut und Geld, Religion oder Anstand spielen immer wieder zentrale Rollen in den Geschichten. Dabei erzählt er seine Geschichten ohne moralisch erhobenem Zeigefinger, er bildet das Leben seiner Landsleute ab. Manchmal wirkt sein Ton sachlich und nüchtern, manche Passagen erinnern eher an Satire. Doch die Menschen, die Stadt, die Lebensumstände stehen im Mittelpunkt und machen Joyce Kurzgeschichten damit zu einem wirklichen Lesevergnügen.

  • Danke für Deine Rezension!
    Kannst Du vielleicht bisschen mehr erzählen? Welche Geschichte hat Dir am besten gefallen?
    Ich bin neugierig.

    :study: Joseph Roth, Hiob. MLR.

    :study: Vigdis Hjorth, Ein falsches Wort.

    :musik: Leonie Schöler, Beklaute Frauen.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Aus der Auswahl haben mir zwei Geschichten besonders gut gefallen:

    • Eveline (O: Eveline)
    • Eine kleine Wolke (O: A Little Cloud)

    Bei "Eveline" dreht sich die Geschichte um eine junge Frau namens Eveline. Als ihre Mutter bereits im Sterben liegt, verspricht sie ihr die Familie zusammen zuhalten. Doch dies gestaltet sich schwierig. Denn obwohl Eveline den Haushalt der Familie organisiert und in einem Geschäft arbeitet, reicht das Geld nie aus. Ihr immer gewalttätiger werdender Vater tut sein Übriges dazu die Situation nicht zum Besseren zu wenden. Eveline sieht ihre einzige Chance auf ein besseres Leben darin, mit einem Mann durchzubrennen und in ein fremdes Land zu gehen.
    Mir hat an dieser Geschichte gefallen, wie Joyce den inneren Konflikt seiner Figur herausgearbeitet hat. Eveline ist hin- und hergerissen zwischen dem Leben, das sie kennt und dem Leben, das sie sich sehnlichst wünscht. Sie hadert mit ihrem Schicksal, hat aber gleichzeitig Angst vor ihrer Courage. Diese Angst und Unsicherheit, bei gleichzeitiger Sicherheit ein bisschen Glück im Leben verdient zu haben - das hat mich unheimlich fasziniert.


    "Eine kleine Wolke" erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, Little Chandler. Er lebt in Dublin, hat dort eine Familie gegründet und ist insgesamt mit seinem Leben zufrieden. Der Besuch eines alten Schulfreundes weckt ihn jedoch aus seiner gefühlten Lethargie auf. Sie treffen sich in einem bekannten Dubliner Hotel und Chandler ist tief beeindruckt vom Lebensweg seines Schulfreundes. Dieser arbeitet als Journalist in London und hat in Chandlers Augen den Aufstieg geschafft. Der Schulfreund prahlt mit seinen Reisen und Erlebnissen in Paris und Deutschland, seinem zu Dublin so anderen Lebensstil und gibt generell den Lebemann. Chandler ist von all diesem Geprotze so imponiert, dass er abends zu Hause sein Haus, seine Frau, seine Möbel - ja, sein ganzes Leben - vollkommen in Frage stellt.
    Auch hier hat mich fasziniert, wie Joyce seine Figuren ausgelegt hat. Auf der einen Seite der unsichere Little Chandler, der im Grunde mit seinem Leben zufrieden ist. Der sich aber insgeheim als missverstandenen Dichter/Schriftsteller sieht. Auch hier hadert die Figur mit ihrem Leben und den äußeren Umständen. Auf der anderen Seite seinen ehemaligen Schulfreund Gallaher, einen Blender mit großer Klappe und viel Charisma, der jeden um den Verstand quatschen kann. Unterschiedlicher können zwei Personen kaum sein und das Zusammenspiel, die Veränderung, die mit Little Chandler schon während es Treffens einhergeht - sehr toll gearbeitet.


    Die Dublin Stories sind mein erster Versuch sich mit James Joyce auseinanderzusetzen. Ich weiß, dass sich sein Erzählstil in seinen späteren Werken noch ändert. Aber das hier hat mir unheimlich gut gefallen.
    Ehrlich gesagt scheue ich mich häufig davor große Klassiker zu lesen. Denn ich habe immer den Eindruck, ich bin die einzige Socke im ganzen Universum, die diese hochgelobten Bücher doof findet oder schlicht und einfach nicht versteht. Das es in diesem Fall anders gelaufen ist, freut mich und gibt mir Auftrieb für weitere Bücher von James Joyce.

  • Danke! Da bekommt man ja Lust, diese Geschichten zu lesen.
    Und offensichtlich erzählt Joyce auch noch nicht so kompliziert
    wie später!

    :study: Joseph Roth, Hiob. MLR.

    :study: Vigdis Hjorth, Ein falsches Wort.

    :musik: Leonie Schöler, Beklaute Frauen.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).