Charles Dickens - David Copperfield (Start: 05.02.2018)

  • Pi mal Daumen 150 km

    Dass er das überhaupt geschafft hat, ist ein Wunder.


    Vielleicht hat sie da selbst einiges erlebt und diese Erfahrungen führten zu ihrer sehr kritischen Position gegenüber der Männerwelt.

    Ob wir da noch etwas erfahren werden? Die Tante Betsey soll ja ganz hübsch gewesen sein.

  • Und jetzt erfahren wir auch, wieso sie unbedingt ein Mädchen wollte:
    eine "Schwester wäre zur Pate gezogen, und wir hätten aneinander liebt gehabt."
    Das ist doch goldig...!!!!

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Hui, seid Ihr schnell. Ich hab mein Wochenpensum noch nicht geschafft, war mir aber klar. Wenn mein Mann da ist sind wir immer viel unterwegs, da komme ich nicht zum lesen. Ich muss morgen dann noch Kapitel 13 bis 15 nachholen und schreibe dann hier auch noch was dazu. Wir fahren jetzt gleich zu den Kindern und sind dann auch erst spätabends zurück. Schönen Samstag wünsche ich Euch ! :winken:

  • Kapitel 14


    Die Tante ist ein echtes Original. Exzentrisch, eigenwillig, fast schrullig,
    aber das Herz auf dem rechten Fleck.
    Sie hält nichts vom Heiraten und ist geschieden - das ist außergewöhnlich. Sie ist das komplette Gegenbild zu ihrer
    zarten angeheirateten Nichte.
    Und ihr Männerbild ist wirklich sehr schmeichelhaft: „Und der tat,was alle taten: er machte sie unglücklich.“
    Oder:
    „Wenn Sie ein Mann wären …“, versucht es Murdstone. „Achdummes Zeug! Lassen Sie mich damit in Ruhe!“
    :totlach:


    Ihr Umgang mit Mr. Dick hat mir so gut gefallen. Dieser Mr. Dick ist offensichtlich debil, aber er bringt die Tante
    immer auf das Naheliegende ("Ich würde ihn waschen").
    Und wie respektvoll sie ihn behandelt und in ihre Entscheidungen mit einbindet!
    Was für ein Unterschied zu dem schlimmen Leben in einem Irrenhaus!
    Hier bricht Dickens eine Lanze für diese Menschen, das finde ich erstaunlich.


    Noch was finde ich erstaunlich: wie die Tante sich in der Auseinandersetzung mit den Murdstone vorbehaltlos
    auf die Seite des Kindes schlägt. Und schließlich das Kind fragt, wo es leben möchte. Das machen unsere
    Familiengerichte erst seit einigen Jahren....

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Zitat von Drawe

    Noch was finde ich erstaunlich: wie die Tante sich in der Auseinandersetzung mit den Murdstone vorbehaltlos
    auf die Seite des Kindes schlägt. Und schließlich das Kind fragt, wo es leben möchte. Das machen unsere
    Familiengerichte erst seit einigen Jahren....

    Ja, das fand ich auch erstaunlich. Und obwohl sie so verschroben und eingeschränkt ist in ihrem Männerbild, hat sie es doch hervorragend geschafft, die Situation richtig einzuschätzen. Sie scheint eine Menge Menschenkenntnis zu haben, denn Ihre Vorstellungen von Davids Mutter, den Murdstones als auch von Mr. Dick liegen ja nicht allzu sehr daneben....
    Das mit den Eseln ist allerdings sehr skurril. Insgesamt scheint es so zu sein, dass die Tante ein großes Herz hat, aber wenn man es einmal mit ihr verscherzt hat, dann ist Land unter :lol: .
    Dickens gewinnt gerade meine uneingeschränkte Sympathie: er scheint sich auf der Seite der Benachteiligten in seiner Zeit zu stellen, für die Kinder, Kranken, Frauen, Verrückten, Armen....und das mit ganz viel Humor

    :study: Junge mit schwarzem Hahn- Stefanie vor Schulte


    No two persons ever read the same book (Edmund Wilson)

  • Ihr Umgang mit Mr. Dick hat mir so gut gefallen.

    Mir auch! Und ein bemerkenswerte Beschäftigungstherapie hat sie sich ausgedacht mit der Denkschrift und König Karl, der darin nicht vorkommen darf und doch immer wieder hineinrutscht.

    Dieser Mr. Dick ist offensichtlich debil,

    Ich hätte ihn eher als schrullig oder seltsam bezeichnet. Geistig sehr eingeschränkt dürfte er nicht gewesen sein, schließlich konnte er schreiben, Drachen bauen und ...

    aber er bringt die Tante
    immer auf das Naheliegende ("Ich würde ihn waschen").

    ... praktisch veranlagt war er auch noch.

    Und obwohl sie so verschroben und eingeschränkt ist in ihrem Männerbild

    Sehr modern ist sie, hätte ich gesagt. Sie braucht keinen Mann, ist gegen die Ehe, und damit ihrer Zeit um mehr als 100 Jahre voraus.

    Das mit den Eseln ist allerdings sehr skurril

    Ja, das war doch sehr seltsam. Hätte sie das Rasenstück nicht einzäunen oder sonstwie abgrenzen können? Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das zum Haus gehören konnte, wenn doch alle möglichen Leute darübergeritten sind.

    Dickens gewinnt gerade meine uneingeschränkte Sympathie: er scheint sich auf der Seite der Benachteiligten in seiner Zeit zu stellen, für die Kinder, Kranken, Frauen, Verrückten, Armen....und das mit ganz viel Humor

    Ja, meine Sympathie hat er auch, und an sein Kontrastprogramm habe ich mich mittlerweile auch schon gewöhnt. Das ist sogar sehr amüsant.

  • Was mir noch zu Kapitel 14 & 15 eingefallen ist:
    Angenehm überrascht war ich von der positiven Art, wie die Tante David aufnimmt, obwohl sie keine Knaben mag, und sich erst einmal auf dem Gartenweg hinsetzen musste. Ich war richtig froh, dass Betsey so reagiert hat, und sich für den armen David endlich auch einmal etwas zum Guten wendet. Sie verlangt ihm auch von Anfang an viel Bewunderung ab, und ich könnte mir vorstellen, dass sich zwischen den beiden noch einmal eine innige Beziehung entwickelt.
    Gut gefallen hat mir auch, wie Betsey Mr. Murdstone die Meinung sagt und ihn samt seiner Schwester hinauskomplimentiert.
    Nun fängt für David also ein neues Leben an, und die Tante kümmert sich auch sogleich um die schulischen Belange. Wir lernen den Advokaten Wickfield samt seiner Tochter Agnes kennen, und werden mit einer weiteren sehr eigenartigen Figur, Uriah Heep, konfrontiert. Sympathisch fand ich den nicht sonderlich, und musste bei der Beschreibung immer an einen Albino denken. Aber irgendwie ist er so interessant und unheimlich dargestellt wie der verrückte Trödler.
    Sehr schön fand ich auch die Ratschläge, die Betsey ihrem Großneffen mit auf den Weg gibt: "Sei nie niedrig, sei nie unwahr, sei nie grausam."


    Nächste Woche kommt meine Mutter vom Spital heim, aber ich arbeite nur Montag und Dienstag. Allerdings muss ich zur Physiotherapie, hoffe aber trotzdem, dass ich mit allem zurechtkomme, und auch noch Zeit fürs Lesen finde. :winken:

  • Dickens gewinnt gerade meine uneingeschränkte Sympathie: er scheint sich auf der Seite der Benachteiligten in seiner Zeit zu stellen, für die Kinder, Kranken, Frauen, Verrückten, Armen....und das mit ganz viel Humor

    Mir geht es genau so.
    Ich habe von Dickens bisher nur wenig gelesen und bin richtig baff.
    Vor allem die Art, wie er das macht: ohne großes Getöse, verbindlich und humorvoll, aber doch deutlich.

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Ich hätte ihn eher als schrullig oder seltsam bezeichnet. Geistig sehr eingeschränkt dürfte er nicht gewesen sein, schließlich konnte er schreiben, Drachen bauen und ..

    Das hat er wohl seiner Familie zu verdanken. Aber die Tante erzählt irgendwo, dass sie ihn quasi vor dem Irrenhaus gerettet hat. Sein Bruder
    wollte ihn da unterbringen - oder war es der Vater? Jedenfalls hat sie sich vom Vater seine Einkünfte erbeten und nun ist er ihr Mündel.
    Und dort führt er ja ein friedliches, umsorgtes Leben und - das gefällt mir an Dickens Text so gut - er ist nützlich!

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • auch mal wieder ein Lebenszeichen von mir :winken: Ich weiß schon, warum mir bei Dickens das Wochenpensum gelegen kommt - unter der Woche ist es manchmal echt schwierig. Aber heute hatte ich wieder den Kopf frei und ein wenig aufgeholt. Wie immer gehe ich erstmal nicht näher auf den Inhalt ein, den wir ja alle gelesen haben. :wink:

    Das Wiedersehen mit Emily ist dann doch etwas anders, denn vor allem Emily ist kein kleines Kind mehr. Sie neckt ihn, verzaubert ihn und kurz gesagt, David
    verliebt sich immer mehr in sie. Hört euch das an..............

    Das ist so niedlich, wie die beiden Kinder agieren und wie David sich verliebt :love: also gab es sowas früher auch schon, nicht erst heute, denn ich glaube nicht, dass Dickens das so frei erfunden hat. Gerade dieses Buch ist ja sehr autobiografisch :wink:

    Auch in diesem Kapitel hält Dickens die Waage zwischen eher bitteren Ereignissen und schönen Zeiten aufrecht. Das ist manchmal schon ein Wechselbad der Gefühle,
    das er den Leser da erleben lässt.

    Die Wechselbäder werden uns sicherlich erhalten bleiben, aber wie Du selbst sagst: Dickens schafft es immer, die Balance zu halten zwischen Glück und Unglück, Kummer und Freude. Und vielleicht können wir auch hier auf ein Happy End in irgendeiner Form hinlesen :)

    das eher ungewöhnliche Werben von Mr. Barkis um Peggotty

    das war so grandios :totlach: "do you feel comfortable? Really comfortable?" :mrgreen: Und dann die täglichen Gaben ohne Worte :mrgreen: Aber ich glaube, Pegotty hat nicht die schlechteste Wahl getroffen mit diesem Mann, auch wenn er sich als Geizhals entpuppt. Immerhin hat sie ein eigenes Haus, keinen Dienstherren mehr und immer ein Zimmer für David :)

    Auf der anderen Seite gefällt es mir, wie hier Tod und Leben ganz unbefangen und natürlich miteinander verbunden werden.
    Die Trauergewänder werden von jungen, plappernden Mädchen genäht - da hätte Dickens ja auch alte sauertöpfische Weiber nehmen können.

    Früher war der Tod viel alltäglicher und viel mehr ins normale Leben aller integriert, grade weil er häufiger eintrat als heute. Insgesamt hatten die Menschen damals wohl eine gesündere Art, mit dem Tod umzugehen, als wir es heute haben :-k:-? Wir verdrängen doch extrem...

    Kurz: er wirkt wie eine Figur aus Davids Heldenromanen.

    Das wird später ja noch weiter ausgeführt: dass Davids Erinnerungen doch vielleicht von seinen Heldenromanen getrübt werden und er manches im Rückblick vielleicht anders sieht - manches wiederum auch nicht, darauf wird dann aber immer explizit hingewiesen. Gleichzeitig baut er sich aus seinen Erlebnissen ja seine eigenen Geschichten zusammen, um geistig zu überleben in seinem grauen Alltag.

    Oh ja, eine von diesen Andeutungen, die nichts Gutes versprechen. Sollte Steerforth ihr begegnen (und ich fürchte das passiert) dann Ade lieber David.

    und ich gehe fest von so einem Zusammentreffen aus 8-[

    diese Leute in ihrem Hausboot,

    Da bekommt das Wort Hausboot doch gleich eine ganz andere Bedeutung :loool:

    Das habe ich auch schon gedacht. Gerade mal 10 Jahre alt und im Denken schon wie ein Erwachsener.. Naja, und im täglichen Leben ja eigentlich auch schon. Jeden Tag neuer Kampf ums Überleben, um Essen, um alles.

    und doch kommt auch immer das Kind durch, wenn er diversen Leckereien nicht widerstehen kann und dies später mit Hunger büßen muss. Ein wenig Kind bleibt doch noch übrig, wenn auch viel zu wenig für einen 10jährigen :-?:-?

    Mr. Micawber hat Schulden ohne Ende, die Gläubiger rennen ihm die Tür ein und es wird alles verkauft und versetzt um sich über Wasser halten zu können. Was die Familie nicht davor bewahrt ins Gefängnis gehen zu müssen. Ohne Verhandlung ? Für wie lange ? Sie haben sich sich da ja irgendwie eingerichtet aber was soll das Ganze ? Mich hat das an einen Schuldturm erinnert, diese kannte ich aber bisher eigentlich nur aus dem Mittelalter.

    Das war damals wohl völlig üblich, dass ganze Familien ins Schuldgefängnis zogen, wo der Staat sie unterhielt in gewisser Form. Abgeschafft wurden sie irgendwann um 1830, wenn mich nicht alles trügt :scratch: Ein seltsames Konstrukt, denn dort konnte der Schuldner ja erst recht nicht für die Begleichung seiner Schulden sorgen, denn er hatte dann gar kein Einkommen mehr….

    Da bin ich auch gespannt, wo wir ihm wieder begegnen!

    und dass wir ihm begegnen, bezweifelt wohl keiner. Dickens hat ja immer sehr viele Charaktere in seinen Büchern, die irgendwann irgendwo wieder auftauchen in der Geschichte und das tatsächlich mit Sinn und Zusammenhalt :)

    Dieses große Einfühlungsvermögen des Autors in die Zwiespältigkeiten
    der Seele hat mich erstaunt - neben der Tatsache, dass der Erzähler sich nicht schont
    und uns seine ambivalenten Gefühle mitteilt.

    Na, da scheinen für mich die persönlichen Erfahrungen Dickens durch - er hat ja vieles selbst erlebt was er hier beschreibt und offensichtlich nicht vergessen, wie man sich als Kind fühlt. Trotzdem ist es ganz große Kunst, WIE er das dann in Worte fasst, ohne große Theatralik, fast schon nebenbei. Alleine dafür könnt ich niederknien :pray:

    Du darfst mich Peggotty nennen!
    Aber ich lege Wert auf die Feststellung, dass bei mir keine Knöpfe abspringen!!

    :totlach: Du hast noch Knöpfe an deinen Kleidern? :mrgreen:

    Schrecklich, wie sich alle diesen beiden Tyrannen anpassen und unterordnen mussten.

    Aber wie so häufig haben die Tyrannen die Macht und das Sagen :(

    Ich hatte den Eindruck, das in diesem Kapitel das erste Mal Davids Alter (10 Jahre) erwähnt wurde, oder? So kann ich ihn nun auch besser einordnen.

    Ja, ich glaub das war das erste Mal und auch mir fällt es leichter, so manches einzuordnen. Gleichzeitig wundert es mich, wie leicht ein 10Jähriger in London durch den Alltag kam - sprich, wie leicht er sogar in Lokalen bewirtet wurde obwohl offensichtlich ein elternloses Kind…. das ist für meinen heutigen Verstand immer noch manches Mal schwierig nachzuvollziehen

    Die Familie Micawber war mir zunächst total suspekt und ich habe die ganze Zeit überlegt, welches Übel ihm von dieser Seite blühen wird, ob sie ihm sein weniges Geld aus der Tasche ziehen oder ihn irgendwie in ihre Schulden verwickeln werden. Aber zum Glück erweisen die Micawbers sich in dieser Hinsicht als recht harmlos.

    Gerade diese verschrobenen Charaktere sind doch meist die harmlosen - siehe Barkis oder den Bestatter :loool:

    Witzig auch Davids beiläufige Bemerkung, ihm käme vor, als hätten die Murdstones auch ihm gerne zum ersten des Monats "gekündigt".

    Witzig und reell zugleich - hätten sie gekonnt, hätten sie das doch garantiert gemacht.


    Habt Ihr Euch eigentlich auch gefragt, warum Pegotty nicht versucht, David zu sich zu holen? Ich gehe ja davon aus, dass Charaktere wie die Murdstones das nicht zugelassen hätten, denn dann wären sie schlecht dagestanden, aber warum lässt Dickens seine Pegotty nicht wenigstens darüber nachdenken? Sie liebt David derart, dass es doch eigentlich ein nachfliegender Gedanke wäre. :-k

    Das sind sehr reife Gedanken, finde ich, vor allem hört er von seinem Stiefvater ja nur, dass er zum Herumlungern tendiere und zu nichts tauge. Es zeugt schon von großer Charakterstärke, dass er sich in dieser für ihn so traurigen und hoffnungslosen Zeit nicht treiben lässt, seine Arbeit weiter verrichtet, sich von dumpfen und zwielichtigen Gesellen fernhält.

    Ja, hier wird David sehr erwachsen geschildert - ob Kinder damals so erwachsen waren, ist für mich kaum nachvollziehbar. Auf der einen Seite mussten sie es ja sein, aber gleichzeitig ist es schon erschreckend. Glaubst du, Dickens hat ihn ZU erwachsen geschildert?

    Ich hab mein Wochenpensum noch nicht geschafft,

    ich auch noch nicht - wir holen beide morgen endgültig auf :friends:

    Dickens gewinnt gerade meine uneingeschränkte Sympathie: er scheint sich auf der Seite der Benachteiligten in seiner Zeit zu stellen, für die Kinder, Kranken, Frauen, Verrückten, Armen....und das mit ganz viel Humor

    Ja, meine Sympathie hat er auch, und an sein Kontrastprogramm habe ich mich mittlerweile auch schon gewöhnt. Das ist sogar sehr amüsant.

    Wie schön, dass ihr Dickens jetzt doch mögt - da freu ich mich grad richtig drüber :dance:

    Ich habe von Dickens bisher nur wenig gelesen und bin richtig baff.
    Vor allem die Art, wie er das macht: ohne großes Getöse, verbindlich und humorvoll, aber doch deutlich.

    Dieser Stil, diese Art hat mich von Anfang an begeistert und für Dickens eingenommen - ich zähle ihn mittlerweile wirklich zu einem meiner Lieblingsschriftsteller :D


    Dickens lässt seinen kleinen David ja durch wahre Wechselbäder gehen - Glück mit und bei Pegotty, Trauer um den Tod der Mutter, Vernachlässigung und Kinderarbeit, Sorgen um die Vermieter (was ja geradezu absurd ist :roll: ), das erste Verliebtsein, Kinderarbeit und Schuldgefängnis…. richtig krass. Und trotzdem: wie wäre es David besser ergangen - mit der Kinderarbeit oder vernachlässigt und gehasst bei den Murdstones? Es ist die Wahl zwischen Pest und Cholera, aber was von beidem ist schlimmer? :pale:

  • Aber die Tante erzählt irgendwo, dass sie ihn quasi vor dem Irrenhaus gerettet hat.

    Daran kann ich mich auch erinnern, aber ich glaube, dass es früher nicht allzu schwierig war, unliebsame Verwandtschaft im Irrenhaus verschwinden zu lassen. Da musste man vielleicht gar nicht besonders plem plem sein, sondern nur nicht ins Konzept gepasst haben, und schon war man "versorgt".

  • Durch dieses Buch steigt bei mir das Interesse der alten Klassiker wie "Oliver Twist", "Huckleberry Finn" und "Onkel Toms Hütte" O:-)


    Ich bin gespannt wann ich das alles lesen soll. :uups:

    :study: Feuerkind (Stephen King) 34 / 542 Seiten

    :study: Mit Nachsicht (Sina Haghiri) 14 / 268 Seiten


    SUB: 857

  • also gab es sowas früher auch schon, nicht erst heute

    Sicher! Alles, was die Evolution hervorgebracht hat, gibt es seit eh und je. "Im Anfang war das Gefühl" heißt ein Sachbuch, in dem dieses Thema behandelt wird. Und schon hätten wir wieder ein tolles Büchlein für unsere Sachbuchrunden-Leseliste. [-X
    Allerdings denke ich auch oft so wie Du, und wundere mich, dass es dieses Verhalten oder jene Emotionen früher auch schon gegeben haben soll.

    Insgesamt hatten die Menschen damals wohl eine gesündere Art, mit dem Tod umzugehen, als wir es heute haben Wir verdrängen doch extrem...

    Welch wahres Wort Du da sehr gelassen aussprichst. :pray:
    Heute muss man fast vorher den Arzt fragen, ob man sterben darf, oder ob ihm das in seinem Nachtdienst gerade ungelegen kommt, weil er dem Chef dann wieder Rechenschaft ablegen muss.

    und doch kommt auch immer das Kind durch, wenn er diversen Leckereien nicht widerstehen kann und dies später mit Hunger büßen muss

    Ja, das fand ich so schön, dieses Kind-sein-wollen und Erwachsen-sein-müssen.

    denn dort konnte der Schuldner ja erst recht nicht für die Begleichung seiner Schulden sorgen, denn er hatte dann gar kein Einkommen mehr….

    Aber wenn er sich dem Bankrottgesetz unterwarf, kam er wieder frei. Das war dann wohl so eine Art Anmeldung zum Privatkonkurs.

    und das tatsächlich mit Sinn und Zusammenhalt

    Wie schön! Ich mag alles, was Sinn hat.

    Du hast noch Knöpfe an deinen Kleidern?

    Also ich hab sogar zwei luftig-leichte Sommerkleider mit Knöpfen (die sind allerdings vorne). :P

    Habt Ihr Euch eigentlich auch gefragt, warum Pegotty nicht versucht, David zu sich zu holen?

    Ja, aber ich hatte immer den Eindruck, dass Peggotty nach der Kündigung mal auf sich selber schauen musste. Wer weiß, ob Barkis mit einem fremden Kind einverstanden gewesen wäre. Vielleicht hatten die beiden ja noch andere Pläne bezüglich ihrer Familienplanung. :love:

    ob Kinder damals so erwachsen waren, ist für mich kaum nachvollziehbar.

    Doch, das Leben war damals auch in unseren Breitengraden für Kinder generell härter, und ist es in anderen Ländern ja heute noch. Denk an die Straßenkinder in Südamerika oder auf anderen Kontinenten. So viel Schutz und Rechte wie in der westlichen Welt genießen nicht alle Kinder auf diesem Planeten ...

    Glaubst du, Dickens hat ihn ZU erwachsen geschildert?

    Manchmal scheint es fast so, aber ich nehme ihm diese Figur so ab, wie er sie uns präsentiert.

    Wie schön, dass ihr Dickens jetzt doch mögt

    :friends:

  • Aber wenn er sich dem Bankrottgesetz unterwarf, kam er wieder frei. Das war dann wohl so eine Art Anmeldung zum Privatkonkurs.

    stimmt auch wieder :-k

    Also ich hab sogar zwei luftig-leichte Sommerkleider mit Knöpfen (die sind allerdings vorne).

    jetzt wird's interessant :loool:

    Ja, aber ich hatte immer den Eindruck, dass Peggotty nach der Kündigung mal auf sich selber schauen musste. Wer weiß, ob Barkis mit einem fremden Kind einverstanden gewesen wäre.

    aus dem Bauch heraus hätte ich jetzt gesagt, dass Barkis nichts gegen David eingewendet hätte - he was willin' :lol:

  • Ich bin gespannt wann ich das alles lesen soll.

    Darüber brauchst Du Dir in jugendlichem Übermut :loool: noch keine Sorgen zu machen; erst in meinem Alter wird es bedenklich. Ich hab mir wirklich schon auszurechnen versucht, wie viele Bücher ich maximal noch schaffen könnte, und gerate dabei stets in gelinde Panik. :shock: Angesichts all dessen, was ich noch lesen möchte, sind das nicht mehr allzu viele.

  • Das Buch gefällt mir mittlerweile total gut. :applause: Ich habe ja nun auch umgeschwenkt auf das von @Hirilvorgul verlinkte Buch und dieses gefällt mir viel besser. Irgendwie ist die Übersetzung viel gefälliger und sprachlich runder, die Meyrink-Version wirkt ziemlich sperrig.

    Das David sich da nicht abwimmeln lässt und die ganze Zeit vor der Tür wartet, ist ein Zeichen, dass er einen sehr starken Willen hat. So schnell lässt er sich von seinem
    Vorhaben zu seiner Tante zu kommen nicht abbringen.

    Ich fand ihn in der Szene eher total verzweifelt und daher so beharrlich, da das gutgläubige Kind dem gruseligen Pfandleiher natürlich schon seine Jacke gegeben hat und nun mit ganz leeren Händen dasteht.

    Sein Entschluss zu Tante Betsey zu flüchten, basiert allerdings nur auf einer kleinen, vielleicht in der Erinnerung der Mutter verklärten Szene, die die sonst
    als ganz furchtbar empfundene Tante in einem andern Licht stehen lässt.

    Faszinierend, wie er nur aufgrund dieser kleinen Szene die richtige Intuition beweist und sich zu ihr aufmacht. :thumleft:

    Sicher haben es viele Frauen auch besser getroffen mit ihrem Ehemann als die arme Klara; dennoch glaube ich, dass es diese Kombination oft gab. Erst wird das gutgläubige Weibchen umschmeichelt, doch in der Ehe zeigt sich erst das wahre Gesicht des Angetrauten.

    Stimmt, das zeigt sich ja auch bei Pegottys Ehemann - erst umschwärmt er sie und macht ihr tolle Geschenke, aber sobald sie verheiratet sind, muss sie kämpfen, um dem Geizhals das Haushaltsgeld aus seiner Schatulle zu leiern. :loool:

    Das war ja mal richtig übel. :shock: Manche schrecken echt vor nix zurück, nicht mal einem Kind Koffer und Geld zu klauen. :thumbdown:

    Fand ich auch so schlimm. David ist aber auch wirklich zu gut für die Welt, dass er das Geld in seiner Hast auch noch versehentlich rausholt. :( Oder auch später, auf seiner Reise zur Tante, als er sich beim ersten Pfandleiher total runterhandeln lässt, weil dieser ihm ein schlechtes Gewissen einreden will ("Ich würde meine Familie berauben...wenn ich neun Pence dafür böte" - David wollte aber 18 Pence haben. :wuetend: ). Von dem gruseligen 2. Pfandleiher gar nicht zu reden. :pale: Immerhin lernt er ein wenig mehr dazu und weicht später den ganzen Vagabunden und Verbrechern auf der Straße aus.

    Also die kommenden Kapitel entschädigen den ganzen Trübsinn. Die Tante Betsey Trotwood ist so herrlich beschrieben und agiert so toll. Ich mag die beiden, also Mr. Dick und die Tante. Vor allem als die Tante mal Tacheles redet mit den Murdstones und wenn sie nochmal ihren Rasen betreten haut sie persönlich den Hut von Mrs. Murdstones Kopf.

    Zum Glück wenden sich die nächsten Kapitel zum Positiven - ich fand es so tieftraurig und deprimierend, wie alle David nur ausgenutzt haben und er den Boshaftigkeiten der Welt so wenig entgegenzusetzen hatte. Tante Betsey hat mir relativ schnell gut gefallen, Dickens hat es geschafft, sie gleich so zu beschreiben, dass sie nicht unsympathisch ist. Und durch ihr Auftreten (bis auf ihre Esels-Schrulle :totlach: ) ist sie mir richtig ans Herz gewachsen, das ist eine Frau nach meinem Geschmack. :thumleft: Herrlich war die Szene mit den ach so festen Murdstones - da haben sie in der charakterfesten, unabhängigen und prinzipientreuen Tante Betsey ihren Meister gefunden. :twisted: Sie hat die beiden so richtig schön auflaufen lassen. :applause: Super fand ich auch, dass David bei dem Gespräch nicht zu verschreckt von den Murdstones ist, über die Bosheiten der beiden spricht und für sich eintritt.
    Neben den ganzen neuen positiven Charakteren ist aber auch die Beschreibung der Umgebung viel positiver geworden und vermittelt so ein Wohlfühl-Feeling. :drunken: Z. B. Davids Zimmer bei Tante Betsey mit dem beruhigenden Ausblick aufs Meer oder das verwinkelte und gemütliche Zimmer bei dem Advokaten Wickfield.

    Ich denke, dass das eine ganz propere Person ist, hin und wieder zwar recht schroff, aber eine, die das Herz auf dem rechten Fleck hat. Sie dürfte zu den wenigen Frauen gehören, die keinen Mann braucht, Ehen genauso verabscheut wie Buben (sie wünschte sich ja eine Betsey Trotwood als Patenkind), und ich habe mich gefragt, ob wir noch einen Grund erfahren werden, warum das so ist.

    Wurde nicht anfangs erzählt, dass ihr Mann sie geprügelt hat, sie sich daraufhin hat scheiden lassen und er nach Indien verschwunden ist? :-k

    werden mit einer weiteren sehr eigenartigen Figur, Uriah Heep, konfrontiert.

    Bei dem Namen klingelte es bei mir sofort und ich musste erst einmal nach der gleichnamigen Band recherchieren und laut Wiki haben sie sich nach dieser dickenschen Romanfigur benannt. Die Figur selbst wird ja sehr unsympathisch beschrieben, wobei mich weniger sein Aussehen verschreckt hat, sondern eher der ziemlich eklige und unangenehme nasskalte Händedruck.

    Habt Ihr Euch eigentlich auch gefragt, warum Pegotty nicht versucht, David zu sich zu holen? Ich gehe ja davon aus, dass Charaktere wie die Murdstones das nicht zugelassen hätten, denn dann wären sie schlecht dagestanden, aber warum lässt Dickens seine Pegotty nicht wenigstens darüber nachdenken? Sie liebt David derart, dass es doch eigentlich ein nachfliegender Gedanke wäre.

    Stimmt eigentlich. :-k Vielleicht hat sie sich gegenüber den Murdstones keine Chancen ausgerechnet? Oder vielleicht hat die eheliche Erleuchtung über den Geiz ihres Ehegatten dazu geführt, dass sie daran gar nicht denken mag? :-k

    Liebe Grüße,
    Tine


    :study: Ken Follett - Die Waffen des Lichts

    :study: Taylor Jenkins Reid - Daisy Jones & The Six

  • jetzt wird's interessant

    Gar nicht! Die können nicht abspringen, weil die Kleider (noch) weit genug sind.

    he was willin'

    Ja, aber ich dachte, nur Peggotty betreffend. Beim Anhang sähe es vielleicht schon anders aus.
    Du kennst doch die Männer, hätte die Tante wohl gesagt, erst raspeln sie Süßholz, in der Ehe gibt es dann Prügel, auch für die Stiefkinder. :rambo:

  • Von dem gruseligen 2. Pfandleiher gar nicht zu reden.

    Das war doch ein herrlicher Typ, der hat mich total fasziniert.

    da haben sie in der charakterfesten, unabhängigen und prinzipientreuen Tante Betsey ihren Meister gefunden.

    Ja, die lässt sich nichts gefallen.

    Neben den ganzen neuen positiven Charakteren ist aber auch die Beschreibung der Umgebung viel positiver geworden und vermittelt so ein Wohlfühl-Feeling. Z. B. Davids Zimmer bei Tante Betsey mit dem beruhigenden Ausblick aufs Meer oder das verwinkelte und gemütliche Zimmer bei dem Advokaten Wickfield.

    Das hast Du schön ausgedrückt, hat mir auch gefallen!

    Wurde nicht anfangs erzählt, dass ihr Mann sie geprügelt hat, sie sich daraufhin hat scheiden lassen und er nach Indien verschwunden ist?

    Ja, stimmt, das muss wohl das einschneidende Erlebnis gewesen sein.

    wobei mich weniger sein Aussehen verschreckt hat, sondern eher der ziemlich eklige und unangenehme nasskalte Händedruck.

    Das kann man sich richtig gut vorstellen, hat er sehr realistisch beschrieben.

    über den Geiz ihres Ehegatten dazu geführt, dass sie daran gar nicht denken mag?

    Könnte ein möglicher Grund sein, oder sah sie in David trotz allem immer noch eine ranghöhere Person. Irgendwo sagt sie ja, dass sie, falls sie alt und einsam wäre, zu ihm eilen wolle, und er verspricht sie aufzunehmen und zu versorgen.


    @Studentine Ich wollte schon längst fragen, wer denn der süße Wicht auf Deinem Avatar ist?

  • Bei dem Namen klingelte es bei mir sofort und ich musste erst einmal nach der gleichnamigen Band recherchieren und laut Wiki haben sie sich nach dieser dickenschen Romanfigur benannt. Die Figur selbst wird ja sehr unsympathisch beschrieben, wobei mich weniger sein Aussehen verschreckt hat, sondern eher der ziemlich eklige und unangenehme nasskalte Händedruck.

    Das ist schon witzig. Ich kannte auch auch zuerst die Rock-Band und erst später lernte ich im Studium auch die Romanfigur und seine reale Entsprechung kennen.
    Uriah ist eine der Figuren aus dem Roman an die ich mich noch gut erinnern kann. Die Person hat starke biografische Bezüge zu Dickens. Ich setz das jetzt mal in
    den Spoiler.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Ich und die anderen

  • In Kapitel 15 habe ich noch ein paar Zeilen gefunden, die recht interessant klingen. Es geht um Agnes, die Tochter von Mr. Wickfield.

    Zitat

    Although her face was quite bright and happy, there was a tranquillity about it, and about her - a quiet, good, calm spirit - that I never have forgotten;
    that I shall never forget.

    Istv David erneut dabei sich zu verlieben, oder schwingt da eher etwas trauriges mit................ :-k

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Ich und die anderen