Charles Dickens - David Copperfield (Start: 05.02.2018)

  • strength, resistance, stability ...- kommt ganz auf den Kontext an

    Danke, liebe Squirrel - da habe ich mich wohl schräg ausgedrückt.
    Mich hätte interessiert, welche Begriff Dickens im Original für "Festigkeit" hernimmt.
    "Festigkeit" wird dem Mr. Murdoch zugewiesen. Der Erzähler spielt ja richtig mit dem Wort bzw. lässt seinen kleinen Protagonisten
    damit spielen, aber inhaltlich steht das Wort nicht für Charakterstärke o. ä., sondern eher
    für Herrschsucht und Unmenschlichkeit. Und drum hätte mich der Original-Begriff interessiert.
    Ist aber nicht sooo wichtig.
    Ist eher mein privates Jugend-Forscht-Programm :wink:

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • sag mir mal, welches Kapitel und wie weit in etwa im Kapitel

    4. Kapitel - z. B. die Stelle, an der Davids Mutter die Haushaltsführung entzogen wird.
    " '... und Du hast sehr gut von Festigkeit zu sprechen, aber du würdest dir dies selbst nicht gefallen lassen.' Ich will
    bei dieser Gelegenheit bemerken, dass Festigkeit die große Eigenschaft war, auf die Mr. und Miss Murdstone mit bedeutendem Nachdruck fußten."
    ...
    Die Sache verhielt sich, wie ich sie mir heutzutage zurechtlege, so: Mr.Murdstone war fest, niemand auf der Welt war so fest wie er."


    Bitte such nicht herum - aber denk an mich, wenn Du an diese Stelle kommst :-)


    "Murdstone" ist doch mal ein schöner Name: der Mörderstein klingt durch. Und schwarzes Blut fließt in seinen Adern.

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Im 4. Kapitel äußert sich der Erzähler zum Lernen bzw, zum Unterricht von Kindern, das finde ich ganz
    interessant, wenn man die Entstehungszeit bedenkt. Durch den Druck von Murdstone und die ständige
    Angst weiß David nichts mehr, er wird "von mürrischer und verstockter Gemütsart". Wir sind noch laaaaange nicht im
    Zeitalter der Reformpädagogik angekommen...



    Die kleine Bücherei seines Vaters öffnet ihm eine Tür in eine andere Welt: er identifiziert sich mit den
    Romanhelden und "es tat der Würde dieses Kapitäns keinen Abbruch, dass er fast täglich mit der lateinischen
    Grammatik geohrfeigt wurde". Wie gut der kleine Junge schon unterscheiden konnte zwischen seiner Person (die
    bekam die Ohrfeigen) und seiner inneren Rolle (der tapfere Kapitän).



    Oh je, die Grausamkeiten. Und seine Mutter soll das "mit vollkommener Festigkeit" ertragen und gutheißen.
    Na, da freuen wir uns über den Biss in die Hand :thumleft:

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Google hat mich zuerst hierhin verwiesen. Bei der zweiten Erklärung ist das Wortspiel erklärt - mir ist "brook" in dieser Bedeutung neu :) Jedenfalls ist wirklich David selbst gemeint.


    Vielleicht eine englische Redewendung?

    in den Notes ist bei mir der Hinweis, dass damals in Sheffield Messer produziert wurden und David als "sharp" bezeichnet wird :wink: aber das Wortspiel, das Kiya gefunden hat, klingt auch interessant

  • Im 3. Kapitel
    gefällt mir Beschreibung des Hauses so gut. Das scheint ja tatsächlich ein umgedrehtes Schiff zu sein!
    Auf dem Wasser hat es den Kiel unten, und jetzt, auf dem Land, hat es den Kiel oben.
    Und da haust die Familie - heute würden wir sie als Patchwork-Familie bezeichnen - wie die
    Einsiedlerkrebse drin.


    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Brooks of Sheffield ist also sozusagen ein personifiziertes Verb, das besagen soll, dass man Davy eben ertragen muss (wenn man die Mutter will)?


    Ich hab mir jetzt übrigens auch noch die zweite alte Übersetzung besorgt, wollte unbedingt die Illustrationen sehen. :wink:
    Ist aber schon schade, dass bei dieser (also Meyrink) Davy Jones nicht vorkommt.
    Also am besten parallel lesen.


    Habt ihr mitbekommen, dass gestern Dickens' Geburtstag war? Jahrgang 1812. :birthday:

  • Das zweite Kapitel blieb für mich weiter holprig. Auch schön ist es wenn man bei mehreren Personen in einer Geschichte dann auch etwas eher Vor- und Zunamen hat um sich besser zu orientieren. Das dritte Kapitel gefiel mir gut. Die Beschreibung des Bootes und von Yarmouth. Erste Zuneigung von Davy und Emly und auch die schreckliche Heimkehr mit der Erkenntnis, dass Mr. Murdstone nun sein neuer Vater / Stiefvater ist. Ein schrecklicher Typ. Da hat die gute Klara aber mal nen Fehlgriff gelandet. 8-[


    Auf dem zweiten Bild mit Mrs. Trotwood sieht man im Hintergrund den Grabstein von Davys Vater oder? :-k Finde die Illustrationen richtig gut gemacht und ich glaube im dritten Bild mit dem Engel mit der Trompete und der Spinne ist Shakespeare zu sehen und nicht Dickens. Zumindest ist diese Halskrause für mich eher ein Markenzeichen von Shakespeare gewesen, dass zumindest ist meine Meinung, warum ich glaube, dass es eher Shakespeare ist. :-k

    :study: Feuerkind (Stephen King) 34 / 542 Seiten

    :study: Mit Nachsicht (Sina Haghiri) 14 / 268 Seiten


    SUB: 857

  • Zum Glück heute noch 1 Kapitel gelesen, so bin ich wieder in der Spur pro Tag mindestens 1 Kapitel zu lesen.


    Mr. Und Mrs. Murdstone gehen mir richtig auf die Nerven. Trotzdem war das Kapitel gut, wenn auch traurig und düster. Ich gehe davon aus, dass zu damaligen Zeitensolche Züchtigungen an der Tagesordnung waren, aber es zu lesen und es kopfkinomäßig zu sehen ist schon irgendwie deprimierend, düster und auswegslos. Jetzt geht's Richtung Schule / Internat / Heim. :study: Bin gespannt.

    :study: Feuerkind (Stephen King) 34 / 542 Seiten

    :study: Mit Nachsicht (Sina Haghiri) 14 / 268 Seiten


    SUB: 857

  • Das 3. Kapitel nenne ich mal "Wohlfühlkapitel". Schön war das beschrieben, das "Hausboot". Und auch all die Leute, voran die kleine Emly, waren herzensgut und nett. Unbeschwerte Sommertage die man David echt gönnt.
    Die Heimkehr im 4 Kapitel war dann nicht ganz so schön. :-?
    Mich nerven nicht nur Murdstone samt altjüngferlicher Schwester sondern am meisten die Mutter, die sich so dermassen unterbuttern lässt und gar nicht mehr sie selbst ist. Sie hat auch Angst. Das ist ja echt schlimm. Das sind wieder so die Verständnisschwierigkeiten zum Verhalten einzelner Figuren was ich schon mal angesprochen hatte. Da kann ich mich nicht reinversetzen. da kein Kind dieser Zeit.

    Die kleine Bücherei seines Vaters öffnet ihm eine Tür in eine andere Welt:

    Das fand ich auch sehr schön. Da sind Bücher wirklich Flucht vor dem Alltag.

    Und seine Mutter soll das "mit vollkommener Festigkeit" ertragen und gutheißen.

    Was ihr ja auch schon relativ gut gelingt. Dieses Wort "Festigkeit" kann ich bald nicht mehr lesen :roll:
    Da würde mich das englische Wort aber auch mal interessieren., @Squirrel


    Ich gehe davon aus, dass zu damaligen Zeitensolche Züchtigungen an der Tagesordnung waren,

    Nicht nur zu diesen Zeiten, auch später noch. Mein Vater hat mir oft erzählt von einem Lehrer der Dresche mit dem Rohrstock verteilte oder ein langes Lineal über die Fingerkuppen knallen lies. Und mein Vater war Jahrgang 1932, also seeehr weit nach Charles Dickens in der Schule.


    Mir tut David leid aber es ist besser für ihn aus diesem schrecklichen häuslichen Klima raus zu sein. Die liebe Pegotty ist eine treue Seele, ein sehr liebenswerter Charakter. :) Schön, dass David wenigstens durch sie noch etwas Liebe bekommt

  • dass zu damaligen Zeitensolche Züchtigungen an der Tagesordnung waren

    Ja, wird damals sicher so gewesen sein, und Anfang des 20. Jhd. auch noch. Mein Großvater hat mir oft erzählt, wie die Kinder vom Lehrer vor allem im Rechnen gedrillt wurden, und bei jeder falschen Antwort mit dem Rohrstab eines über die Finger bekamen.

  • am meisten die Mutter, die sich so dermassen unterbuttern lässt

    So ging's mir erst auch, bis ich mir wieder ins Gedächtnis gerufen haben, dass die Frauen damals nicht so glücklich waren wie wir heutzutage. Sie mussten heiraten, um versorgt zu sein, und hatten zu parieren, egal welches Schw :-# der Angetraute auch war, wie schlecht er das in die Ehe mitgebrachte Kind behandelte. Er hatte die Erziehungsgewalt und sie nichts zu sagen, sondern, im Gegenteil, alles gut zu heißen und auch noch freundlich zu sein.
    Wir können uns das zum Glück nicht vorstellen, aber unsere Geschlechtsgenossinnen hatten anno dazumal echt nichts zu lachen.
    Das bringt Dickens schon sehr gut auf den Punkt. Hat mir gut gefallen.

    Mein Vater hat mir oft erzählt von einem Lehrer der Dresche mit dem Rohrstock verteilte oder ein langes Lineal über die Fingerkuppen knallen lies

    Da hatten mein Opa (Jahrgang 1911) und Dein Vater ja ganz ähnliche Erfahrungen gemacht. (Unsere Postings müssen sich da gerade überschnitten haben).

  • Er hatte die Erziehungsgewalt und sie nichts zu sagen, sondern, im Gegenteil, alles gut zu heißen und auch noch freundlich zu sein.
    Wir können uns das zum Glück nicht vorstellen, aber unsere Geschlechtsgenossinnen hatten anno dazumal echt nichts zu lachen.

    Ne, wahrlich nicht. Da bin ich echt froh diese Zeiten nicht erlebt zu haben. :geek:

  • Da bin ich echt froh diese Zeiten nicht erlebt zu haben.

    Hätten wir uns in unserer Wut oder Verzweiflung gegen das Familienoberhaupt aufgelehnt, dann wär's uns sicher nicht gut ergangen. Hätte es sicher öfter mal ein blaues Auge gegeben :eye: - oder Schlimmeres.

  • Hätten wir uns in unserer Wut oder Verzweiflung gegen das Familienoberhaupt aufgelehnt, dann wär's uns sicher nicht gut ergangen. Hätte es sicher öfter mal ein blaues Auge gegeben - oder Schlimmeres.

    Ich hätte da echt Probleme gehabt. Wir Frauen aus der DDR sind ja sehr emanzipiert gross geworden, wir gingen auch alle immer arbeiten. Da gab es keine Unterschiede zwischen Mann und Frau.
    Ich weiss noch sehr gut wie fassungslos ich war als ich mich mal bewerben musste und das Gespräch mit dem Chef aus den alten Bundesländern ungefähr wie folgt ablief. Das war so Anfang der Neunziger, kurz nach der Wende, Sohnemann war damals so 6 oder 7 Jahre alt.
    Er: Ach, Sie haben ein Kind ?
    Ich: Ja.
    Er: Haben Sie keinen Mann dazu ?
    Ich: Ähm doch, ich bin verheiratet.
    Lässt meine Bewerbungsmappe sinken und schaut mich entsetzt an. "Und was wollen Sie dann hier bei mir ?! Da gehören Sie nach Hause zu Ihrem Kind oder verdient Ihr Ehemann so wenig dass sie gezwungen sind arbeiten gehen zu müssen ? "
    Ich bin dann aufgestanden, hab ihm meine Mappe aus der Hand genommen und habe gesagt, dass sich das hiermit für mich erledigt hat. Ich kann mir keine Arbeit mit einem Chef vorstellen, dessen Denkweise scheinbar aus dem Mittelalter stammt. Seinen Blick vergesse ich nie :loool: Draussen hab ich mich erstmal auf eine Bank gesetzt und hab die Welt nicht mehr verstanden,. So etwas kannte ich eben nicht.


    Das mal kurz OT, sorry.


    Habt ihr mitbekommen, dass gestern Dickens' Geburtstag war? Jahrgang 1812.

    Happy Birthday, lieber Charles zum 206. Wiegenfeste :anstossen: Wenn denn die Unsterblichkeit schon erfunden wäre.

  • Da würde mich das englische Wort aber auch mal interessieren., @Squirrel

    ich bin noch nicht so weit :pale:

    Ich hätte da echt Probleme gehabt.

    nee, glaub ich nicht - wir wären nämlich genauso erzogen worden wie es damals eben üblich war und hätten das sicherlich nicht in Frage gestellt 8-[

  • ich bin noch nicht so weit

    Kein Problem, ganz in Ruhe, kein Stress :wink:

    nee, glaub ich nicht - wir wären nämlich genauso erzogen worden wie es damals eben üblich war und hätten das sicherlich nicht in Frage gestellt

    Ja, da kannst Du recht haben. Jeder ist ja auch immer ein Kind seiner Zeit. Dann hätte man das vielleicht auch ganz anders empfunden. Worüber wir uns heute echauffieren, war da halt normal gelebter Alltag.

  • Dann hätte man das vielleicht auch ganz anders empfunden. Worüber wir uns heute echauffieren, war da halt normal gelebter Alltag.

    genau, weswegen es uns heute ja auch so schwer fällt, sich in die Figuren von damals hineinzuversetzen. Wir können ja auch nicht aus unserer Haut :wink:

  • Mir fällt auf, dass es bei Dickens wenig Zwischentöne zu geben scheint. Die Figuren sind entweder gut oder böse. Auch bei den beschriebenen häuslichen Situationen ist mir das aufgefallen. Auf der einen Seite die freundlichen Menschen, die Gutherzigkeit und die heimelige Atmosphäre im "Hausboot" und auf der anderen Seite Zucht, Ordnung und Gewalt bei der Rückkehr nach Hause. Ist das typisch für Dickens, dieses Gegenüberstellen von Gegensätzen und die stark überzeichneten, eher eindimensionalen Figuren? Ich meine das gar nicht als Kritik, es fällt mir nur auf.


    Davids Mutter kann einem wirklich leid tun. Ich frage mich nur, ob sie tatsächlich so blauäugig in die Ehe mit Murdstone gegangen ist oder ob sie insgeheim geahnt hat, dass es für David nicht gut ausgehen würde. Das hieße dann aber, dass sie seine Not billigend in Kauf genommen hat. Das kann ich mir nur schwer vorstellen. Die Beziehung zwischen den beiden war doch vorher sehr liebevoll. Davids Misshandlungen müssen für Sie doch kaum auszuhalten sein. Genauso wie die Tatsache, dass ihr kluger, aufgeweckter Sohn innerhalb kürzester Zeit zu einem verängstigten Jungen voller Selbstzweifel wird.


    Besonders rührend fand ich die Szene, wie sich David und Pegotty leise durchs Schlüsselloch unterhalten. Wie gut, dass es für David nach dem "Verlust" der Mutter wenigstens eine gute Seele im Haus gibt (wenn sie auch nicht allzu viel ausrichten kann).

    :montag: Judith Hermann - Daheim


    "Sehnsucht nach Liebe ist die einzige schwere Krankheit, mit der man alt werden kann, sogar gemeinsam."
    (Bodo Kirchhoff: Die Liebe in groben Zügen)