Ross King, Zum Frühstück ins Freie

  • Org. Titel: The Judgement of Paris
    Seitenzahl: 464 + 77 Anhang


    Autor:
    Ross King geb. 1962 in Kanada. Er studierte Literatur und Kunstgeschichte in London und Toronto. Mit seinen Romanen und Sachbüchern schrieb er internationale Bestseller.
    Auswahl seiner Bücher:
    Das Labyrinth der Welt
    Das Wunder von Florenz
    Michelangelo und die Fresken des Papstes


    Inhalt (Innenseite):
    Paris um 1860: Die gute alte Zeit, nach der sich viele zurücksehnen, ist endgültig vorbei. Einer von diesen Rückwärtsgewandten ist der jener Zeit berühmteste Maler Frankreichs Ernest Meissonier. Seine akribischen Historienbilder erzielen bei Sammlern Höchstpreise. Nur wenige Kilometer vom luxuriösen Palais des Malerfürsten entfernt, komponiert der zwei Jahrzehnte jüngere Manet, nach heutigen Begriffen ein "junger Wilder", seine skandalumwitterten Bilder. Inspiriert von alten Meistern wie Raffael oder Tizian, entwickelt er selbstbewußt seinen eigenen Stil. Aber nicht nur seine Maltechnik beunruhigt das Publikum. Zu einer Zeit, da ein Mann im schwarzen Gehrock auf einem Gemälde weitaus verstörender wirkt als eine laszive nackte Frau, ist sein berühmtes Bild "Frühstück im Freien" eine Provokation. Beim Pariser "Salon", der jährlich stattfindenden offiziellen Ausstellung mit einer Million Besuchern, kommt es 1863 zum Eklat: Es ist die Geburtsstunde des Impressionismus.


    Meine Meinung:
    Manet, Monet und die Ursprünge der modernen Malerei
    Dies ist der Untertitel des Buches und ich erwartete, angeregt durch den Roman von "Susan Vreeland, Sonntage im Licht", der Geschichte des Impressionismus sachlich, historisch belegt und präzise auf die Spur zu kommen.
    Ich wollte endlich die Zusammenhänge besser verstehen können und nicht nur ein Fragment aus einzelnen Biografien der betreffenden Maler lesen. Wie fand die Gruppe der "Realisten" zusammen, was führte zu deren Spaltung, alles von Anfang an.
    Einige Kritiker bezeichnen Ross Kings Buch als Mogelpackung. Nun so drastisch möchte ich es nicht ausdrücken, aber für die Beantwortung meiner Fragen ist dieses Buch nicht zuständig.
    Ross King fabriziert eher ein Duell zwischen dem zur damaligen Zeit hoch angesehenen Maler Meissonier und Manet. Hochinteressant, wie ich gestehen muß, aber nicht das was ich mir vom Buch versprach.
    Meissonier, ein konservativer Maler, dessen Bestreben nicht in der Herstellung neuer Maltechniken bestand, sondern alles Alte beibehielt, auf Nummer Sicher ging, aber die Perfektion bis zum Rande der Erschöpfung trieb.
    Neuen Einflüssen stand er äußerst negativ gegenüber, lehnte sie sogar ab und tat alles damit die "Moderne" keinen Einzug hielt. Mit diesem Denken förderte er die Gegebenheiten und als Mitglied der Jury für die Auswahl der Ausstellung im Salon mit zuständig, vermauerte er so manchem Künstler den Zugang. Eigene Fehlschläge hatte er wenige und seine Bilder erzielten Höchstpreise.
    Manet dagegen baute auf das Wissen alter Meister auf und experimentierte mit neuen Maltechniken, um seinen Stil zu finden. Seinen Fürsprechern fehlte oft der Einfluss und so musste er eine Niederlage nach der anderen hinnehmen. Er wurde verhöhnt, der Lächerlichkeit preis gegeben und hatte somit ein hartes Los zu bestreiten.
    Wer nicht im Salon ausstellen durfte, musste sich auch noch mit dem auf der Rückwand versehenen R abfinden, ein Makel, der so offensichtlich keinen Käufer mehr anlockte. Den Protesten der abgelehnten Künstler folgte einen gesonderte Ausstellung, die dann wenigstens einen Teilerfolg versprach.
    Das Buch schildert außer dem Duell, den Fortlauf der jährlichen Salonausstellung, erzählt wer mit welchen Gemälden angenomen wurde, wer abgelehnt wurde, wie sich die Jury zusammen setzte, aber auch die Regentschaft von Napoleon III., seine Kriege, das politische Umfeld und ein facettenreiches Gesellschaftsbild von Paris, Frankreich und die Zeit des Umbruchs. Alles in allem sehr umfassend und daher nicht nur ein kunsthistorisches Buch, sonder eben auch ein historisches.
    Monet, Pissarro, Renoir, Cezanne u.a. sowie dem schreibenden Emile Zola läuft man auch über den Weg, aber sie bleiben Randfiguren und die Bewegung der Impressionisten bleibt schemenhaft.
    Man möge mich hier nicht falsch verstehen - Ross King ist ein großartiges Buch gelungen, das zu keiner Zeit auch nur die Spur von Langeweile erzeugte, sondern jede Menge Wissen vermittelte. Es war flüssig zu lesen, dennoch recht anstrengend wegen der Fülle an Informationsmaterial. Ich habe es keine Sekunde bereut es gekauft und gelesen zu haben, doch es war auch ein Glück, dass ich mich für Malerei im allgemeinen interessiere.
    Wer speziell auf den Impressonismus fixiert war, bleibt enttäuscht zurück.
    Ich werde nun wohl doch auf den Klassiker "John Rewald, Die Geschichte des Impressionismus" zurückgreifen müssen, um die Antworten auf meine Fragen zu finden.
    Obwohl "Ross King, Zum Frühstück ins Freie" vom Inhalt her die Gesamtpunktzahl von 5 Sternen verdient hat, muß ich wegen der nun mal vorhandenen Kritik auf :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: verkürzen, schade. Trotzdem ein sehr lesenwertes Buch, das ich gerne, unter richtigen Voraussetzungen, weiterempfehle.


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Danke, liebe Wirbelwind. Das hört sich doch gar nicht schlecht an. Auf dem Wunschzettel ist das Buch gelandet. Mal schaun, irgendwann wird es ins Regal kommen und dann auch gelesen werden. Ich würde ja viel mehr lesen, wenn das Zeitproblem nicht da wäre. :wink:

  • @ Wirbelwind, vielen Dank für die Rezension und Deine Info dazu. :wink: Ich habe sie, wie Du weißt, ungeduldig erwartet, weil das Buch seit ein paar Tagen auf meiner Wunschliste steht.


    Wenn es vor allem um die Probleme geht, wer im Salon ausstellen darf und wer nicht und warum, ist es genau das Richtige, denn ich wollte immer schon wissen, wer sich hinter "Salon" verbirgt und wie es im Einzelen zu Annahme, bzw. Ablehnung kam. Liest man irgendein Buch über einen der Impressionisten, stolpert man zwangsläufig irgendwann über den Salon.


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Wenn es vor allem um die Probleme geht, wer im Salon ausstellen darf und wer nicht und warum, ist es genau das Richtige, denn ich wollte immer schon wissen, wer sich hinter "Salon" verbirgt und wie es im Einzelen zu Annahme, bzw. Ablehnung kam. Liest man irgendein Buch über einen der Impressionisten, stolpert man zwangsläufig irgendwann über den Salon.


    Richtig und das wird hier sehr ausführlich und genau erklärt/erzählt über die Jahre hinweg. Interessant ist auch der Erfolg und Misserfolgs der einzelnen Maler beim Auswahlverfahren.
    Heute habe ich von "Sue Roe, Das private Leben der Impressionisten" erhalten, zeigt nicht nur die Gemälde, sondern auch zahlreiche Fotos. Jetzt warte ich noch auf das Jean Renoir Buch und auf Rewalds, Die Geschichte des Impressionismus. Beide Bestellungen laufen noch. Wenn ich das alles gelesen habe, werde ich das Thema wieder beenden, aber natürlich nicht meine Liebe zu den Impressionisten. :D


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









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  • Wenn ich das alles gelesen habe, werde ich das Thema wieder beenden,


    Schade. Aber ich kann verstehen, dass man nach soviel Lektüre zu einem Thema mal ein anderes braucht. (Wie wäre es mit den Expressionisten? :wink: Zu Toulouse-Lautrec zum Beispiel hätte ich schon eine Leseempfehlung. Zu van Gogh auch. :-, )


    Marie

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  • Hallo Marie,
    nun bis ich alle meine neuen Impressionistenbücher gelesen habe dauert es eh noch ein wenig. Ich lese immer etwas dazwischen, sonst wird mir das doch zu einseitig.
    Van Gogh reizt mich im Augenblick weniger (aber deine Basler Ausstellung stickt mir in der Nase). Von Toulouse-Lautrec habe ich einen Roman im Visier. Was kannst du mir denn empfehlen?


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


    :study: Junot Diaz, Das kurze wundersame Leben des Oscar Wao

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









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  • Wirbelwind und Marie


    Macht nur weiter so. Nicht nur das mein Wunschzettel stark wächst bei euren Tipps, nein, ich war seit langer Zeit wieder mal im Buchladen, den in meinem Ort boykottiere ich wegen Inkompetenz, Unfreundlichkeit und persönlicher Animositäten, da kam mir ein kleiner Band über Renoir in die Hände und steht jetzt in meinem Regal. Leben und Werk sind beschrieben, seine (wichtigsten) Werke abgebildet. Mir hat es auf Anhieb gefallen. Da es aber eine ganze Reihe davon gibt, werde ich wohl eine Sammlung meiner Lieblingsmaler beginnen.

  • Von Toulouse-Lautrec habe ich einen Roman im Visier.


    Doch nicht zufällig "Moulin rouge"? Den wollte ich Dir nämlich (gegen alle meine Überzeugungen) empfehlen. Ich weiß, dass ich ihn als Jugendliche mit Begeisterung verschlungen habe, nachdem ich die Verfilmung gesehen hatte. Meiner inzwischen gewachsenen Pingeligkeit in Bezug auf historische Echtheit würde er heute vermutlich nicht mehr standhalten.
    Wegen der Baseler Ausstellung schreibe ich Dir in den nächsten Tagen, wenn ich Zeit habe (muss leider arbeiten, wenn andere lange freie Wochenenden haben) eine PN mit ein paar Infos.

    Macht nur weiter so.


    Kein Problem. Guck mal bei den Büchern, die ich zur Zeit lese. Irgendwann kommt die Rezension zum Rodin-Buch, der zwar kein Maler, aber als Bildhauer Zeitgenosse der Impressionisten war.

    Da es aber eine ganze Reihe davon gibt, werde ich wohl eine Sammlung meiner Lieblingsmaler beginnen.


    Und eine Sammlung Rezensionen dazu, auf die ich sehr gespannt bin. (Wunschlisten sind gefäßige Tiere.)


    Marie

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    Einmal editiert, zuletzt von Marie ()

  • Marie
    genau diesen Roman meinte ich, aber historisch nicht so genau finde ich weniger prickelnd.


    Karthause
    auf diese Sammlung bin ich schon sehr gespannt und auf die Rezis erst. :!::thumleft:


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


    :study: Sue Roe, Das private Leben der Impressionisten

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  • Es ist ewig her, dass ich es gelesen habe u es hat auch nichts mit den französischen Impressionisten zu tun, aber es hat mir damals sehr gut gefallen:
    Ein Roman über Paula Modersohn-Becker u die Künstlerkolonie in Worpswede - Rilke gehörte ja auch dorthin.
    Sehr einfühlsam geschrieben!
    Für Leute, die gerne Romane über KünstlerInnen lesen...
    :winken:

    "Wie wenig du gelesen hast, wie wenig du kennst - aber vom Zufall des Gelesenen hängt es ab, was du bist." Elias Canetti

  • Sorry da muß ich passen. Paula Modersohn-Becker ist nicht so ganz mein Fall. Ich muß immer einen Bezug zum Künstler haben, wenn ich ein Portrait lese. Aber vielleicht kannst du bei Marie, Karthause mehr Interesse wecken?
    Trotzdem danke für den Tipp cheriechen. :)


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


    :study: Sue Roe, Das private Leben der Impressionisten

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









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  • Ich habe noch nicht einmal die Haelfte des Buches geschafft, aber ich bin schon erschlagen von der Fuelle der Informationen. Ich denke auch, dass dieses Buch eher ein Geschichtswerk ist, das die Malerei als Vehikel benutzt. Nein, das ist naturlich ueberspitzt, Fakt ist jedoch ich habe noch nirgends so viele Informationen ueber das Zweite Kaiserreich gelesen, wie hier. Auch wartet King mit einer Fuelle von Details auf, z. B. woher die Birnen kamen die Manet in seinem Stilleben malte usw. Das ist nun nicht unbedingt von Noeten, bringt aber auch einigen Spass. Weiterhin gefaellt mir sein Schreibstil. "... redegewandte Naturgewalt namens Emile Zola..." gefaellt mir ganz ausserordentlich. Meissonier und Manet sind sicher die Zentralpunkte an denen er sein Buch aufgehaengt hat, aber es werden auch Unmengen von anderen Malern vorgestellt und das ist dann doch manchmal schwer zu verdauen. Ich wusste das die Geschichte des "Salons" mit einigen Aufregungen behaftet war, allerdings diese Kette von Skandalen haette ich niemals vermutet. Auch einmal konkret die Gruende fuer die Ablehnung der neuen Art zu malen zu erfahren war sehr interessant. Manet musste ja eine Unmenge einstecken am Anfang seiner Karriere und gerade am Beispiel seiner "Olympia" fand ich es eben sehr interessant die genauen Ablaeufe im Salon zu erfahren.
    So, wenn ich durch bin melde ich mich noch einmal.

  • Fühl dich symbolisch auf die Schulter geklopft. :lol:
    Es macht schon "Arbeit" das Buch zu lesen und all seine Informationen zu verdauen (unmöglich, dass man sich auf Dauer alles merken kann), aber es beantwortet so manche Frage, weitet in Fragen Malerei erheblich den Horizont. :thumleft:


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


    :study: Sigrid Damm, Das Leben des Friedrich Schiller
    :study: Jorge Amado, Die Abenteuer des Kapitäns Vasco Moscoso

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









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  • Wirbelwind, genau, ich wuerde es sogar "Schwerstarbeit" nennen. Wenn ich nur ein Hunderdstel aller Fakten abrufbereit halten koennte, waere ich sicher ein sehr gluecklicher Mensch. So werde ich mich aber damit abfinden muessen, zu wissen wo es steht. :wink:


    Aber nun wieder zum Buch: In der zweiten Haelfte ueberschlagen sich die Ereignisse ja ein wenig mit dem Krieg, den Kommunarden usw. Allerdings habe ich selten etwas Geschichtliches so chronologisch und doch lebendig gelesen. Es war nicht ein Augenblick Langeweile angesagt. Ich muss auch sagen, dass mir Manet beileibe nicht sympathisch geworden ist und ich finde es schon etwas "verwunderlich" :thumbdown: , wenn zeitgenoessische Kunstkritiker und -historiker heute solche Urteile ueber Meissonier faellen, wie es auf den letzten Seiten des Buches beschrieben wird. Ausgerechnet Kritiker, die heute durchgesaegte Pferde und tote Fische als Kunstwerke verherrlichen.
    Was mir unheimlich gefallen hat: Er macht eine sehr unterhaltsame Geschichtsstunde aus dem Thema, welche ueber das Zweite Kaiserreich, den Preussisch-Franzoesischen Krieg bis zur Pariser Kommune und der Dritten Republik geht. Dabei spielen natuerlich die Maler eine Hauptrolle, aber ich hatte nie das Gefuehl einseitig informiert zu werden. Die Gestalt Courbets fand ich hervorragend beschrieben, waehrend andere Maler doch oft etwas farblos blieben.
    Alles in allem gibt es von mir 5 Sterne und ich bin sicher, dass es nicht das letzte Buch von diesem King war, welches ich gelesen habe.

  • Ausgerechnet Kritiker, die heute durchgesaegte Pferde und tote Fische als Kunstwerke verherrlichen


    wie wahr! :loool::lol:


    dann wünsche ich Dir jetzt schon viel Spaß bei Das Labyrinth der Welt. Auch wieder "Schwerstarbeit", aber sehr empfehlenswert!


    dito! :D


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


    :study: Sigrid Damm, Das Leben des Friedrich Schiller

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