Peter Henning - Tod eines Eisvogels

  • Klappentext:
    An einem Tag im Sommer entführt der Ich-Erzähler seine ältere Schwester Leni aus einer psychiatrischen Anstalt, um mit ihr ans Meer zu fahren. Leni möchte noch einmal dorthin, wo sie als Jugendliche einst glücklich war. Es beginnt eine Irrfahrt, die Henning wie ein Road-Movie mit einem starken Gespür für Atmosphäre, Stimmung und Landschaft inszeniert. Die Flucht durch das sommerlich flirrende Holland dauert nur wenige Wochen, aber sie wird zu einer Odyssee mit tödlichem Ausgang. (von der Verlagsseite kopiert)


    Zum Autor:
    Peter Henning, geb. 1959 in Hanau, arbeitet seit über 20 Jahren als Journalist. Er hat Romane und Erzählungen publiziert, die sowohl ausgezeichnet worden sind als auch von der Kritik viel Lob ernteten. 2009 erschien »Die Ängstlichen« (atb 2681-9), »Der Roman zur Zeit«, so Der Spiegel. Jetzt als Taschenbuch: »Tod eines Eisvogels« (atb 2741-0). www.peter-henning.com. (von der Verlagsseite kopiert)


    Allgemeine Informationen:
    19 nummerierte Kapitel auf 126 Seiten. Mit einem Nachwort von Paul Nizon.
    Aus der Ich-Perspektive des Bruders erzählt.


    Inhalt:
    Nach einem Sturz vom Fahrrad mit 17 Jahren ist Leni nicht mehr dieselbe wie vorher. Nach einem mehrwöchigen Koma verbringt sie ihr Leben als Patientin eines psychiatrischen Pflegeheims. Schon der Vater war wegen Verfolgungswahns in einer Anstalt untergebracht worden, und die ältere Schwester von Leni und ihrem Bruder beging Selbstmord.
    Die Geschwister haben keinen Plan, keine Vorstellung, wohin ihre Flucht führt, nur den Wunsch: Raus hier. Ans Meer.
    Und so wird ihre Reise zu einer ziellosen Tour quer durch die Niederlande bis nach Amsterdam.


    Eigene Meinung / Bewertung:
    „Wie die Sensation allein durch das Vermögen der Sprache entsteht, das muss jeden Leser besonders freuen“, zitiert die hintere Klappe Martin Walser. Hennings Sprache ist tatsächlich ein Genuss – da muss man Walser Recht geben, poetisch-bildhaft ohne verschlungen zu sein mit originellen Wortzusammenstellungen, aber dennoch flüssig und stilistisch klar und einfach.


    Aber: Welche Sensation, Herr Walser? Noch nie ein „Road-Movie“ gelesen? Road-Movie geht so: Ein paar Leute irren per Auto, Bus oder LKW durch die Gegend, meist kommen ihnen dabei wichtige Erkenntnisse – überwiegend über sich selbst – und am Ende sind sie irgendwo, wo es auch nicht besser ist als am Ausgangsort. Und der Sinn des Ganzen: Der Weg ist das Ziel. Bücher mit dieser Quintessenz haben Sie doch schon selbst geschrieben, Herr Walser.


    Unter der glühenden Sommersonne quälen sich Leni und ihr Bruder Kilometer um Kilometer voran. Leni, die schon bei der Flucht aus dem Heim krank war, fühlt sich immer schlechter und schwächer, das Fieber steigt, das Geld wird knapp, ein Zimmer können die beiden sich nicht leisten, also verbringen sie auch ihre Nächte im Auto.
    Als Leser ist man natürlich neugierig, was mit der Familie los ist. Von fünf Personen hat nur einer, nämlich der Ich-Erzähler, nicht mit psychischen Problemen zu kämpfen. Doch man erfährt nichts, der Autor streut lediglich ein paar Bemerkungen zu Vater, Mutter und den Schwestern ein, und keine Figur kommt einem wirklich nah. Das emotionale Moment beschränkt sich auf Mitleid mit der kranken Leni im letzten Drittel.


    Fazit:
    Wunderschön erzählt, auch der Handlungsrahmen gefällt, doch die fehlende Hintergrundgeschichte lässt den Leser außen vor.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)