Maria Barbal, Ein Brief aus der Ferne

  • Inhalt (Cover):
    Vom Bergdorf in die große Stadt. Anfang der sechziger Jahre zwingt Leandre, ein alter Patriarch, seinen Sohn und dessen Ehefrau dazu, mit ihm nach Barcelona zu ziehen und dort ein Lebensmittelgeschäft zu eröffnen. Während der Sohn den Aufgaben, die das neue Leben an ihn stellt, nicht gewachsen ist, blüht Palmira in der Stadt mit den vielen Möglichkeiten vollends auf. Und obwohl der herrische Leandre droht, sie alle in die alte Welt und Ordnung zurückzuzwingen, ist Palmira fest entschlossen, ein selbstbestimmtes Leben fernab des Diktats der Männer zu führen.


    Autorin:
    Maria Barbal, 1949 in Tremp, Pyrenäen geboren, gilt als eine der wichtigsten Autorinnen katalanischer Literatur. Bisher erschienen: Wie ein Stein im Geröll, Inneres Land, Emma. Die Autorin lebt in Barcelona.


    Allgemeines:
    301 Seiten


    In vier Teilen:
    Die Grossstadt
    Veränderungen
    Die Glut
    Sommer1969


    Nachwort von Pere Joan Tous
    Glossar



    Meine Meinung und Beurteilung:
    Leandre, der alte Patriarch, ist es gewohnt, dass man ihm gehorcht. Eine Selbstverständlichkeit, wie er meint. Er liebt das Kartenspiel und den Wein, lässt andere für sich schuften. So erging es seiner verstorbenen Frau, seiner Tochter Sabine, die für weit mehr herhalten muß, seinem Sohn Maurici und dessen Frau Palmira. Obwohl reich, verweigert er Sabine die Mitgift, weswegen er mit dem Schwiegersohn im Streit liegt, Maurici hält er für einen Trottel und zeigt dies immer wieder. Palmira behält ihre Meinung für sich, hält sich raus, lächelt zu allem während ihre Tage mit harter Arbeit gefüllt sind.
    Eines Tages kommt Leandre nun die Idee in Barcelona sein weiteres Glück zu suchen. Er verkauft einen Großteil seines Besitzes, verpachtet einige Felder und behält nur noch das Haus und einige Wiesen. Er will ein Lebensmittelgeschäft, von dem ihm sein Freund Josep, der bereits seit einigen Jahren in der Stadt lebt, erzählt hat übernehmen. Ohne zu fragen stellt er seinen Sohn und dessen Frau vor die Tatsache. Er selbst macht aber keine Anstalten mitanzupacken, sondern überlegt tagtäglich wie er die freie Zeit gestalten könnte, und landet immer bei Josep und dessen Frau, den er sträflich hintergeht.
    Maurici fühlt sich in der ungewohnten Umgebung sehr unwohl, hat Albträume, kann nicht Fuß fassen und so überlässt er Palmira die meiste Arbeit. Diese arbeitet bis zur Erschöpfung und erlebt trotzdem so etwas wie ein kleines Glück, kleine Freiheiten wie zum Beispiel ein Friseurbesuch. Nebenbei verkauft sie ihre Handarbeiten. Als sie schwanger wird öffnet sich ihr eine neue Welt. Doch gerade da will Leandre zurück ins Dorf. Palmira will für ihre Tochter jedoch nicht die gleiche Diktatur der Männer. Sie muß sich entscheiden.
    Katalanien in den sechziger Jahren. Eine verarmte Region unter dem Joch von Franco mit verhärteten Gesellschaftsstrukturen und nur kleinem Aufbruch. Wirtschaftsflüchtlinge aus den Bergen suchen ihr Glück in der Stadt Barcelona, aber sie sind nicht gerne gesehen.
    Mit diesem ruhigen Buch liefert Maria Barbal wieder ein Zeitzeugnis. Nicht die großen Helden finden Beachtung, sondern der kleine Bürger für kurze Zeit aus der Masse entnommen. Dabei spürt man ganz deutlich die Unterschiede zwischen dem Dorf und der Stadt, die Hitze, das enge Zusammenleben. Auch das Cover trägt seinen Teil dazu bei. Man kann sich richtig hineindenken.Öfters muß ich daran denken wie selbstverständlich für uns Frauen heute vieles ist. Ein wunderbar erzähltes Buch ohne Schnörkel mit hervorragend herausgearbeiteten Charakteren, berührend und sensibel. Keine große Action, aber eine anhaltende Spannung, die fesselt und fasziniert. Einfach lesenswert!!! :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Die Rezi von Wirbelwind ist einfach rundum toll, und Leser wären der Autorin und dem Buch zu gönnen! Für mich selber war es anscheinend nicht der richtige Zeitpunkt : zwischendurch musste oder wollte ich ein Buch zwischenschieben, und als ich später zu Barbal zurückkehrte, kam ich irgendwie nicht mehr rein. Ich muss allerdings auch zugeben, dass ich « Steine im Geröll » so umwerfend gut fand ! Nun lege ich also eine längere Pause ein.


    Das Buch besteht übrigens aus vier Teilen mit 16,7,9 und 12 Kapiteln von jeweils circa 4-8 Seiten Länge, also sehr gut lesbaren Einheiten.


    Was Leandre betrifft so stimmt das Wort Patriarch. Und es müssen nicht nur die Frauen gehorchen, sondern auch Sohn Maurici. In dieser Art Gesellschaft endete das Kindsein, oder begann das Erwachsensein manchmal erst mit dem Tode des Vaters ?


    Von den verschiedenen Handelnden werden Stadt und Land in ihrer Eigentümlichkeit verschieden erlebt und eingeschätzt. Für die einen bedeutet die Stadt Einengung, für andere Emanzipation.


    Gerne hole ich trotz meiner eigenen Leseschwierigkeiten diesen Fred nochmals hoch : das Buch würde sicherlich manchem Büchertreffler zusagen !