Umberto Eco - Der Friedhof in Prag / Il Cimitero di Praga

  • Kurzmeinung

    Hirilvorgul
    Voller schwarzem Humor und Ironie führt uns Eco ins 19. Jh. Dank Heidenreich und Wawrczeck ein echtes Vergnügen.
  • Diesem neuen Roman kann man in einer normal langen Rezension überhaupt nicht gerecht werden. Gustav Seibt hat in der Süddeutschen Zeitung in einem ungewöhnlichen langen, aber lesenswerten Text genau dies versucht (http://www.sueddeutsche.de/kul…t-extra-studium-1.1157648) und hat das Buch in seiner harten Kritik einen „Fehlschlag von Rang“ genannt. Ich möchte so weit nicht gehen, hat mich doch die Lektüre dieses dicken Buches über die ganze Zeit sehr gefangen genommen und fasziniert.

    Die Hauptfigur des Buches ist nach Eco die einzige, die er erfunden hat. Er lässt Simon Simonini als Spion und Urkundenfälscher in verschiedenen Rollen und an verschiedenen Orten wichtige Abschnitte des 19. Jahrhunderts durchlaufen. So ist er beteiligt bei den Mannen Garibaldis in den Zeiten der Ausbildung der italienischen Nation, wo er immer wieder die Fronten wechselt. Nach seiner Emigration nach Paris dient er den dortigen Regierenden und erlebt die Umwandlung der Republik durch Napoleon III., die Pariser Kommune und die Dreyfuss-Affäre mit.

    Simonini hat von seinem Großvater einen unbändigen Hass auf alles Jüdische mitbekommen, aber die Freimaurer und die Jesuiten finden genauso sein Interesse. In einer sich über Jahrzehnte hinziehenden Geschichte, an die sich der alte, stellenweise in seiner Persönlichkeit gespaltene Simonini mit Hilfe des allgegenwärtigen Eco`schen „Erzählers“ erinnert, werden Simoninis Ansichten über die Juden und seine Schriftsätze über sie immer deutlicher und münden in einen Text, der nach vielen Versionen 1903 in Russland unter dem Namen „Die Protokolle der Weisen von Zion“ erscheinen wird.

    Ecos Roman ist der Versuch, die Entstehung dieses antisemitischen Pamphlets fiktional zu verstehen. Wer genau liest und hinschaut, findet aber immer wieder auch Verweise auf zeitgenössische Phänomene nicht nur im Italien Berlusconis. Wenn man sich von den unzähligen Namen und Daten nicht verwirren lässt, auch einmal drüber liest, ohne gleich schon wieder im Lexikon nachzuschauen oder bei google, dann kann dieses oft überkonstruiert wirkende Buch doch einen spannenden und überaus lehreichen Lesegenuss vermitteln.









  • Ich bin gerade dabei, das Buch zu lesen. Ich finde, es ist ziemlich schwierig. Es gibt viele Untertöne, die Gegenwärtiges angreifen. Das ganze in einer Geschichte, dessen Hauptfigur in verschiedensten Rollen verschiedenste geschichtliche Perioden im neunzehnten Jahrhundert durchläuft.
    Es ist auf jedenfall ein lesenswerter Roman, dem man beim lesen Zeit widmen sollte ...


    :winken: Andreas

  • Mittlerweile habe ich mehr als die Hälfte des Buches gelesen und muss leider schreiben, dass ich mich streckenweise schon ziemlich durchquäle. Ich hätte mich wohl vorher mit der Geschichte von Italien und Frankreich beschäftigen sollen, bevor ich zum Buch gegriffen habe. Während irgendeiner Schlacht habe ich den Überblick verloren wer warum gegen wen kämpft. Dann kommen wieder Passagen die wieder recht interessant aufbereitet sind. Kurz gesagt, ich werde nicht so recht warm mit dem Roman, aber da ich schon so weit damit bin, werde ich auch noch den Rest lesen. Vielleicht wird er ja noch besser :-,

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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  • Ein schwieriges Buch, das sich nicht so einfach herunter lesen lässt. Es spielt überwiegend in Paris, Ende des 19. Jahrhunderts. Die Erzählstruktur ist spannend: Es gibt Tagebucheinträge eines Simon Simonini, der versucht seine Vergangenheit zu rekonstruieren. Unterbrochen werden diese durch Einträge eines Abbè dalla Piccola. Zum dritten gibt es einen übergeordneten Erzähler auf der Metaebene, der die Dinge bisweilen zusammenfasst.
    Der Leser sieht sich mit einer Vielzahl von politischen Konflikten konfrontiert. Namen, Daten, Orte - Umberto Eco lässt kein Detail aus und macht es dem Leser mitunter schwer, allem zu folgen.
    Der Hauptprotagonist Simon Simonini ist ein Fälscher, ein Spion, ein Judenhasser, Jesuitenhasser und Freimauererhasser. Von allen gibt es im Buch reichlich. Zudem tauchen viele Figuren auf, die es tatsächlich gab, allen voran Hauptmann Alfred Dreyfus. Am Ende dreht sich alles um die Geschehnisse auf dem Prager Friedhof bzw. und Protokolle der Weise von Zion.
    Umberto Eco spielt mit tatsächlichen historischen Begebenheiten und fiktiven Elementen. Die unterschiedlichen Erzählebenen bringen Lebendigkeit und die Figur Simoninis wird sehr anschaulich beschrieben.


    Unterm Strich bleibt ein spannender, lehrreicher Roman, der viel Aufmerksamkeit vom Leser verlangt und ein gewisses Interesse an Politik und Geschichte voraussetzt.

    Da es der Gesundheit förderlich ist, habe ich beschlossen, ab heute glücklich zu sein (Voltaire)