Andrei Gelassimov - Rachel/Рахиль

  • Andreï Guelassimov – Rachel (französische Ausgabe)


    Original: Рахиль (Russisch, 2003)
    (Deutsche Schreibweise des Autorennamens: Andrei Gelassimov)


    ZUM BUCH:
    Andrei Gelassimov erzählt uns die Geschichte eines gewöhnlichen Mannes, Svjatoslav Semjonowitsch Kaufman. In der Jetzt-Zeit der Geschichte, im Herbst/Winter nach dem Putsch vom August 1991 ist er ein alternder Literaturprofessor von 53 Jahren. Der Vater war Jude, die Mutter Russin, und das war schon mal ein schweres Erbe in der Sowjetunion. Er hat drei Ehen auf dem Buckel, zunächst mit Ljuba (seiner „Rachel“) in der wilden Zeit der 60iger, als er als Pfleger in der Psychiatrie arbeitet und den Jazz, Twist, Rock etc entdeckt. Von seiner zweiten Frau Vera, die er damals kennen lernte, hat er einen Sohn, Nikolai, der ihn heute schneidet und mit Danja verheiratet ist. Danja ist hochschwanger und kommt den Haushalt des Professor auf ihre Art und Weise kontrollieren: sie lässt gerne die meisten gewünschten Artikel in den Märkten mitgehen. Lange liebäugelte er mit Natalja, einer um eine Generation jüngeren Studentin von ihm, die ihn für einen KGB-Offizier verlässt.


    Das ist nicht so gut für die Moral, und dementsprechend geht es auch unserem Helden. Zusammen mit einer Herzschwäche hat er alles, um stets etwas außerhalb der Reihe zu tanzen: so auch, als er bei der Beerdigung seines ersten Schwiegervaters auftaucht, sich nicht als Jude zu benehmen weiß und gleichzeitig gerne seine erste Frau zurückerobern will. (Quelle: Produktbeschreibung bei amazon.fr)



    ANMERKUNGEN :
    Wenn meine obige Inhaltsangabe etwas wirr klingt, so entspricht das wohl durchaus einem Grundton des Romans. Da wechselt schon mal die erzählende Person (mal ein Kapitel aus der Perspektive von Dania, mal eins aus der Sicht des Professors oder des KGB-Agenten – jeweils in einem eigenen, ziemlich urigen Stil!), und da springen auch schon mal die erzählten Erlebnisse, Erinnerungen und „Abenteuer“ auf groteske Weise um ein paar Jahrzehnte, in Rückblicken in eine nahe oder fernere Vergangenheit! Vielleicht entspricht diese Erzählweise eher dem „inneren Chaos“, vor dem die Protagonisten stehen. Zumindest würden wir sie wohl oft so einschätzen?!


    Doch bei allem Aspekt der Burleske wäre es zu kurz, dieses Buch etwa in den Bereich „Humor“ einzuordnen. Zu groß ist wohl in Russland die Tradition hinter den satirischen und grotesken Situationen eine andere Ebene der Reflexion zu verstecken. Und dann entdeckt man plötzlich die Gedanken zum Jüdischsein (Anderssein schlechthin?) in der Sowjetunion, oder das alte und stets neue Thema des Alterns. Man findet eine Fülle an Querverweisen, sowohl biblischer Art als auch zu anderen Werken und Autoren, insbesondere Russlands. In der französischen Ausgabe waren einige dieser Passagen durch Fußnoten erläutert worden.


    Bei allem Chaos ein interessantes, oft bereicherndes Buch!
    Hier Andrej Gelassimow - Durst hatte ich das (bislang) einzige ins Deutsche übersetzte Buch des Autors vorgestellt. Ich will ihn gerne weiter im Blickfeld behalten!
    Im Französischen hat man inzwischen schon vier seiner Romane und Erzählungen übersetzt! Hoffentlich legen sich die deutschen Verlage ein wenig ins Zeug!


    ZUM AUTOR:
    Andrej Gelassimow, ist 1965 im südsibirischen Irkutsk geboren. Nach dem Fremdsprachenstudium an der Universität von Jakutsk besuchte er Anatolij Wassiljews „Schule für Dramatische Kunst“ in Moskau. Er wurde sogar Schauspieler und Inspizient im Ensemble des namhaften Theaterregisseurs. 1997 promovierte er in Moskau über Oscar Wilde und lehrte zehn Jahre lang englische und amerikanische Literatur. Zum Broterwerb schrieb er auch für Fernsehproduzenten. Heute wohnt er in einer Kleinstadt fernab von Moskau, mitten im Wald und nahe an einem See. Er zählt neben Viktor Pelewin zu den wichtigsten russischen Erzählern seiner Generation.


    Toller Artikel zum Autor, seinem Werk und ein Interview mit ihm auf der Webseite von Arte: http://www.arte.tv/de/480208,CmC=1612402.html


    Détails sur le produit
    Broché: 377 pages
    Editeur : Actes Sud (1 septembre 2010)
    Collection : Lettres russes
    Langue: Français
    ISBN-10: 2742782737
    ISBN-13: 978-2742782734

  • Das ist nicht so gut für die Moral, und dementsprechend geht es auch unserem Helden. Zusammen mit einer Herzschwäche hat er alles, um stets etwas außerhalb der Reihe zu tanzen: so auch, als er bei der Beerdigung seines ersten Schwiegervaters auftaucht, sich nicht als Jude zu benehmen weiß und gleichzeitig gerne seine erste Frau zurückerobern will. (Quelle: Produktbeschreibung bei amazon.fr)


    ANMERKUNGEN :
    Wenn meine obige Inhaltsangabe etwas wirr klingt, so entspricht das wohl durchaus einem Grundton des Romans. ... Doch bei allem Aspekt der Burleske wäre es zu kurz, dieses Buch etwa in den Bereich „Humor“ einzuordnen. Zu groß ist wohl in Russland die Tradition hinter den satirischen und grotesken Situationen eine andere Ebene der Reflexion zu verstecken. ...


    Tom,
    vorab: ich kann mir die Bemerkung einfach nicht verkneifen - diese Rezension beinhaltet überraschend neue Töne Deinerseits - das liest sich sowieso schon ziemlich interessant, aber die Tatsache, dass diese Lektüre für Dich eher untypisch klingt, lässt wirklich aufhorchen!


    Nach dem zu urteilen, was Du beschreibst, handelt es sich nicht um überzogene Komödie. Wenn ich mir die Punkte durch den Kopf gehen lasse, drängt sich mir der Gedanke auf, dass das humoristische Element hier ganz gezielt, weil anscheinend präzise dosiert, eingesetzt wird. Da ich Gelassimov generell und deshalb auch dieses Buch nicht kenne, kann ich nur auf Deiner Rezension basierend vermuten. Was ist hierzu Deine Meinung - was genau versucht der Autor mit dem sprachlichen Mittel Humor zu erreichen?


    Könnte es sein, dass mit dem gezielt eingesetzten Humor verhindert wird, dass die Identitätssuche/-krise (?) des alternden Literaturprofessors ins Gewöhnliche oder gar Pathetische abrutscht?


    Schreibt Gelassimov generell in diesem chaotisch-humorvoll angehauchten Stil oder handelt es sich hierbei um eine Besonderheit von Rachel?


    Bitte entschuldige die vielleicht dumme Frage, aber so eine Frage würde ich auch mir selbst bei der Lektüre stellen, wenn ich merke, dass der Humor nicht einfach blind drauflos ins Buch hineingezwängt scheint.


    Liebe Grüße,
    Monika

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog


  • Tom,
    vorab: ich kann mir die Bemerkung einfach nicht verkneifen - diese Rezension beinhaltet überraschend neue Töne Deinerseits - das liest sich sowieso schon ziemlich interessant, aber die Tatsache, dass diese Lektüre für Dich eher untypisch klingt, lässt wirklich aufhorchen!


    Nun, in Richtung Satire bin ich eventuell etwas wählerisch..., aber das ist schon passiert! Bei den Russen finde ich mich da am ehesten wieder! Es besteht ja eine ungeheure Tradition in diesem Land, sich SO auszudrücken und dann:



    Nach dem zu urteilen, was Du beschreibst, handelt es sich nicht um überzogene Komödie. Wenn ich mir die Punkte durch den Kopf gehen lasse, drängt sich mir der Gedanke auf, dass das humoristische Element hier ganz gezielt, weil anscheinend präzise dosiert, eingesetzt wird. Da ich Gelassimov generell und deshalb auch dieses Buch nicht kenne, kann ich nur auf Deiner Rezension basierend vermuten. Was ist hierzu Deine Meinung - was genau versucht der Autor mit dem sprachlichen Mittel Humor zu erreichen?


    Nun, ich kenne Gelassimov ja auch nicht, und konnte ihn auch nicht fragen, bzw. habe dazu nicht direkt was Aussagekräftiges gefunden, aber meines Erachtens geht es nicht um ein Erzählen einer rein - nun wie sollte ich es sagen? - privaten Story, sondern dahinter um die Sowjetunion in manchen ihrer Fragen und Problemkreisen von circa 1962 bis eben nach dem Putsch, gegen 1992/93.
    Die Satire, oder diese humoristischen Elemente sind dabei ein immer wieder auftauchendes Mittel.


    Ich erkannte in Rachel viele Dinge seines anderen, von mir gelesenen Romans "Durst" wieder (Humor, Fülle an verschiedenen, auch biblischen, Querverweisen ua). Wobei letzterer eben schon auf Deutsch erschienen ist, und mir noch besser, tiefgründiger erschien. Ich habe zu Durst schon eine Rezi hier reingestellt. Vielleicht hast Du Lust, es Dir auszuleihen? Es ist auch bedeutend kürzer.

  • Юность героя романа "Рахиль" пришлась на стильные шестидесятые. Буги-вуги, твист, стиляги, первая любовь - все это обрушилось на него как ураган и навсегда изменило его жизнь, перемешав в ней радости и разочарования, верность и измены тех, кого он любил больше всего на свете. События романа разворачиваются вплоть до девяностых годов, переплетая жизнь героя с драматичной историей нашей страны.
    Роман "Рахиль" удостоен премии "Студенческий Букер 2004".


    Печальна судьба русского интеллигента - особенно, если фамилия его Койфман, и он профессор филологии, разменявший свой шестой десяток лет в пору первых финансовых пирамид, ваучеров и Лени Голубкова. Молодая жена, его же бывшая студентка, больше не хочет быть рядом ни в радости, ни, тем более, в горе. А в болезни профессор оказывается нужным только старым проверенным друзьям и никому больше.
    Как же жить после всего этого? В чем найти радость и утешение?
    Роман Андрея Геласимова "Рахиль" - это трогательная, полная самоиронии и нежности история про обаятельного неудачника с большим и верным сердцем, песнь песней во славу человеческой доброты, бескорыстной и беззащитной.
    (Quelle: ozon.ru)



    Hier ein Link zu einer russischen Ausgabe:
    http://www.ozon.ru/context/detail/id/3457746/