Original: „Courir“ (Französisch, 2008)
Wir begleiten das Laufwunder Emil Zatopek (geboren 1922) von seiner Jugend an: seiner harten Arbeit in den Batawerken, den Kriegsjahren in der Tschechoslowakei, der eher zufälligen, fast widerwilligen Entdeckung seines Läufertalents, das sich schnell entfaltet. Er hat nun wirklich einen ganz eigenwilligen Stil: so dürfte man ja eigentlich gar nicht laufen, liebe tschechische Lokomotive: mit heraushängender Zunge, flügelschlagend...! Doch wie erfolgreich wird er in den späten 40iger Jahren, dann den 50igern! Langstreckenläufer der 18 Weltrekorde und mythischer Gewinner der 5 km, 10 km und des Marathons während derselben Olympischen Spiele (Helsinki)! Immer wieder ist er Spielball eines politischen Systems, gewünschte Repräsentationsfigur des sozialistischen Menschen, aber auch unter dem Volk ein wahrer Held. Doch er wird durch seine Menschlichkeit bestechen, sein breites Lächeln, als auch dann - nach Ende seiner Sportlerkarrtiere, aber für ein Ministerium und in der Partei arbeitend - sein vielbeachtetes Engagement während des Prager Frühlings 1968! Es folgen Jahre der Strafe in einem Uranbergwerk, dann als Müllmann in Prag.
Nun, ein Buch über Emil Zatopek, einem der größten Langstreckenläufer aller Zeiten, mag auf den ersten Blick nur sportlich Begeisterte interessieren und Sportmuffel abschrecken, doch da will ich direkt einschreiten: Dieses Buch ist nicht einfach eine Biographie eines großen Sportlers oder eine Chronik der nun wirklich auch den Amateur beeindruckenden sportlichen Leistungen, sondern ein von Jean Echenoz fein ausgearbeiteter Roman! Und mit oft trockenem Witz, lakonischem Kommentar und unerwarteten Verbindungen, Ausrufen und Übergängen stellt Echenoz das Leben des sympathischen Läufers in Dialog mit dem Zeitgeschehen. So gelingt es meines Erachtens dem Autor, das oft Groteske herauszuarbeiten, das Diktaturen zu eigen ist. Oder die schier unglaubliche Überlegenheit des Läufers UND seine Bescheidenheit herauszustellen. So ist das Buch angenehm zu lesen, man schmunzelt, doch man kommt auch ins Denken, wenn man den enormen Druck auf die Menschen erahnt und den Mut unterscheidet, den eine freie Entscheidung in einer solchen Gesellschaft erfordert. Klar wird, dass in diesem Leben - wie in Wahrheit wohl in jedem Leben - die persönliche und die große Geschichte auf das Engste miteinander vernetzt sind. Was Emil – denn so spricht Echenoz seine Gestalt an – aber wohl dann am Ende einfach antreibt ist die Freude am Laufen und ans Äußerste zu gehen.
Wie gesagt geht das Erzählen über die sportliche Dimension hinaus, schließt den Prager Frühling und die Konsequenzen im Leben des Aufmüpfigen ein. Ich fand es schade, dass wir Zatopek nicht bis an sein Lebensende (er starb im Jahre 2000) begleiten, sondern das Buchende für mich relativ abrupt auftaucht.
Ich habe dieses Buch „natürlich“ auf Französisch gelesen und kann mich in dem Sinne nicht zur deutschen Übersetzung äußern. Das Buch erscheint auf Deutsch ja erst im Oktober 2009.
Natürlich kann man auch verschiedenste Informationen, Bilder, Filme über das faszinierende Leben von Emil Zatopek und seine sportliche Leistungen abrufen, z.B. auch unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Zatopek Doch diese Informationen ersetzen nicht den Genuß des Romans!
Jean Echenoz (* 26. Dezember 1947 in Orange) ist ein französischer Schriftsteller. Er lebt seit 1970 in Paris. Er studierte Soziologie und Bauwesen. International bekannt wurde er durch seinen Roman „Ich gehe jetzt“, für den er 1999 mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet wurde. Sein Roman Cherokee erhielt den Prix Médicis.
Echenoz lebt seit 1970 in Paris. Er war mit der deutschen Autorin und Übersetzerin Anne Weber verheiratet.
Werke:
Le méridien de Greenwich (1979), deutsch: Das Puzzle des Byron Caine (1988)
Cherokee (1983), deutsch: Cherokee (1987), von Eugen Helmlé
L'équipée malaise (1987), deutsch: Ein malaysischer Aufruhr (1989)
L’occupation des sols (1988)
Lac (1989), deutsch: See (1999)
Ayez des amis. In: New Smyrna Beach, Semaines de Suzanne - Minuit. S. 49–70. (1991)
J'arrive. In: Le serpent à plumes. Nr. 3. (1992)
Nous trois (1992)
Les grandes blondes (1995), deutsch: Die großen Blondinen (2002), von Hinrich Schmidt-Henkel
Un an (1997), deutsch: Ein Jahr (2005), von Hinrich Schmidt-Henkel
Je m'en vais (1999), deutsch: Ich gehe jetzt (2000), von Hinrich Schmidt-Henkel, ISBN 3-8270-0367-9
Jérôme Lindon (2001)
Au piano (2003), deutsch: Am Piano (2004), von Hinrich Schmidt-Henkel
Ravel (2006), deutsch: Ravel (2000), von Hinrich Schmidt-Henkel
Courir (2008), deutsch: Laufen (2009)
(Quelle: Wikipedia)
Gebundene Ausgabe:
110 Seiten
Verlag: Berlin Verlag (2. Oktober 2009)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3827008638
ISBN-13: 978-3827008633