Sylvia Plath - Die Glasglocke/The Bell-Jar

  • Der erste Teil dieses Satzes ist ziemlich naiv, der zweite Teil, gelinde gesagt, unverschämt.


    Ja, gelinde gesagt. :shock:
    Also mich hat es jetzt hier fast vom Stuhl gefallen, als ich diese Aussage gelesen habe.
    Ich möchte auch keine Diskussion anheizen, aber das musste ich jetzt mal los werden.

    Narkose durch Bücher - Das Richtige ist: das intensive Buch.
    Das Buch, dessen Autor dem Leser sofort ein Lasso um den Hals wirft, ihn zerrt, zerrt und nicht mehr losläßt.


    :study: Sarah J. Mass - Throne of Glass / Die Erwählte :study:

  • Depression als Krankheit hat weder etwas mit mangelnder Intelligenz zu tun noch mit der Unfähigkeit, seinem Leben einen tieferen Sinn zu geben, da hat sich Magnolie wirklich etwas unglücklich ausgedrückt. Aber im nächsten Satz hat sie es doch wieder geradegerückt:


    Andererseits ist die Depression eine
    Krankheit bzw. Erkrankung, für die eben dieses Gefühl der Ausweg- und
    Sinnlosigkeit sehr typisch ist. Da hilft gutes Zureden gar nicht.


    Der beanstandete Satz von Magnolie trifft aber in gewisser Weise auf die Depression als vorübergehender Zustand der Niedergeschlagenheit zu, in den jeder von uns im Leben von Zeit zu Zeit gerät und der ausgelöst wird durch Schicksalsschläge wie Krankheit, Todesfälle, Trennung, Verlust des Arbeitsplatzes usw., manchmal aber auch ohne bestimmten Grund eintritt. Da ist es sicher hilfreich, wenn man mit seinem Leben etwas anfangen kann, Interessen, Freunde, Perspektiven hat. Menschen mit eng begrenztem Horizont, die nichts anderes tun als schlafen, essen und vor dem Fernseher sitzen (und von denen gibt es nicht wenige) werden es vielleicht schwerer haben, aus eigener Kraft aus diesem Tief wieder herauszukommen. Aber im Fall von Sylvia Plath handelt es sich um eine echte Depression, die unbedingt ärztliche Behandlung erfordert und selbst dann leider nicht immer therapierbar ist.In meinem Freundes- und Bekanntenkreis habe ich mehrere Fälle von depressiver Erkrankung miterlebt, davon endeten allein vier mit Selbstmord. Für mich ist das die schlimmste Krankheit überhaupt.


    Gruß mofre

    :study: Olga Tokarczuk - Gesang der Fledermäuse

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer
















  • Ich will hier keine Diskussion darüber in Gang setzen [...]


    Zu spät :wink:


    @Magnolie: Es ist schön, wenn du für dich einen Sinn im Leben gefunden hast und du dich auch in schwierigen Situationen wieder hochrappeln kannst. Schlecht geht es natürlich jedem ab und zu. Zur Krankheit wird es dann, wenn diese Mechanismen nicht mehr funktionieren und man sich trotz Intelligenz den Tod wünscht. Gerade Esther erschien mir sehr intelligent. Sie hat eine hohe Merkfähigkeit (z.B. in der Badewanne) und eine genaue Beobachtungsgabe. Daran kann es definitiv nicht liegen.

  • Sollte man meinen, dass gerade solche Bücher, die Möglichkeit bieten, depressive Erkrankungen
    oder schwere komplexe emotionale Vorgänge, die für die aussenstehenden nur bedingt nachzuvollziehen sind,
    besser einschätzen oder ansatzweise verstehen zu können.
    Und vielleicht auch eine gewisse Sensibilität dem Thema gegenüber zu entwickeln. Den es sind doch recht viele davon betroffen,
    selbst oder auch als angehörige.

    Zitat

    In Deutschland leiden schätzungsweise fünf Prozent der Bevölkerung, das sind etwa vier Millionen Menschen,
    aktuell an einer Depression.


    Quelle:
    http://209.85.135.104/search?q=cache:3MzNo81u7GsJ:www.meinpsychiater.de/Depressi…de&ct=clnk&cd=9&gl=de</a>

    2024: Bücher: 90/Seiten: 39 866

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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    Mein Blog: Zauberwelt des Lesens
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    Dalai Lama

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    Lese gerade:

    Scalzi, John - Die Gesellschaft zur Erhaltung der Kaiju-Monster

  • Sollte man meinen, dass gerade solche Bücher, die Möglichkeit bieten, depressive Erkrankungen
    oder schwere komplexe emotionale Vorgänge, die für die aussenstehenden nur bedingt nachzuvollziehen sind,
    besser einschätzen oder ansatzweise verstehen zu können.
    Und vielleicht auch eine gewisse Sensibilität dem Thema gegenüber zu entwickeln. Den es sind doch recht viele davon betroffen,
    selbst oder auch als angehörige.


    Ich muss ehrlich gesagt sagen, dass dieses Buch bei mir wenig zum Verstehen der depressiven Erkrankung beigetragen hat, weil mir dieses Denken sehr fremd ist und ich mich gar nicht mit der Hauptperson identifizieren konnte. Vom Gefühlsleben kriegt man ja auch nicht so viel mit, mehr die analytischen, nüchternen Gedanken. Aber zum Denken sollte dieses Buch auf jeden Fall anregen.


    Ich sehe noch das Problem, dass viele Leser wahrscheinlich gar nicht erkennen, dass es sich um eine Depression handelt (oder steht das irgendwo?).

  • Strandläuferin


    Danke für den Hinweis !




    Ich hab das Buch jetzt zu Ende gelesen.


    Es zeichnet sich zwar durch eine schöne, flüssige, poetische
    Sprache (besonders in den ersten Kapiteln) aus, dennoch ist es keine
    leichte Kost. Ich hab schon ein wenig in dem Thread "Ich lese gerade"
    geschrieben und jetzt möchte ich nur noch ein paar erweiternde Gedanken
    hinzufügen.


    Es liegt für mich auf der Hand, dass die Gründe für die Krankheit der
    Protagonistin nicht nur in ihrer Person liegen. Einen Teil der Schuld
    an ihrem Zusammenbruch trägt auch die konservative Welt die sie umgibt.
    Esther war ihrer Zeit voraus und ist an der fehlenden Akzeptanz seitens
    des Umfelds gescheitert. Esther wusste dass sie anders ist und hat
    immer versucht sich anzupassen. Sie konnte nicht sie selbst sein.
    Hinzu kommt natürlich auch die Veranlagung, aber diese rechtfertigt bei
    weitem nicht die Oberflächlichkeit der damaligen Gesellschaft.


    Ein wertvolles, lesenswertes Buch!

  • Ich habe das Buch durch Zufall entdeckt und es hat mir gut gefallen.


    Ein aktuelles Thema, das bereits in den 50er Jahren bestand, jedoch kaum wahrgenommen bzw. verdrängt wurde. Es nimmt einem mit, weil die Protagonistin eine junge, schöne, intelligente Frau ist, der alle Türen offen stehen, sie aber alle selber schliesst. Ihr seelischer Abgrundwird eingehend und feinfühlig beschrieben, sprachlich fand ich das Buch absolut top.


    Die Tatsache, dass sich die Autorin selber das Leben nahm, gibt dem Roman noch mehr Tragik..

  • Seit fünf Jahren gab es von den letzten zwei Beiträgen abgesehen keinen Kommentar zu diesem Buch ; dabei wünschte man ihm aufmerksame und gute Leser.


    Wohl ein Buch, von dem man früher oder später irgendwo einen Hinweis liest, ein (moderner) Klassiker, wie dieses Buch auch zurecht hier eingeordnet ist. Und so nahm ich es mir nun vor.


    Ich war von Anfang an fasziniert von der Sprache der Ich-Erzählerin Esther, die auf den ersten Blick so locker-flockig daherkommt, mit einer Menge Witz (man lacht doch sehr viel!), aber dann auf den zweiten Blick auch mit viel Ernüchterung, ja, auch einer Distanzierung, beschreibt. Ich fand woanders den Hinweis einer sprachlichen Verwandtschaft mit Salinger ; das schien mir gar nicht so abwegig.


    Man kann sicherlich die Kapitel aufgliedern nach Handlungsorten, doch was zB den Geist anbetrifft (New York – Abenteuer ; Provinz – Frust und Depression, Klinikaufenthalt)), so bin ich mit dieser scharfen Abtrennung nicht ganz einverstanden, denn bei genauem Hinsehen wird Esther von jeher von ihren Erlebnissen mit falschen Erwartungen, Rollenspielen, Täuschungen etc konfrontiert.


    Einige fragten sich hier im Thread nach der « Schuldfrage ». So wahrscheinlich eine unmögliche Frage. Und was die Hauptperson am Ende des Buches von ihrer Doktorin zum Falle Joan vernimmt, mag auch für sie zutreffen : « Niemand ist verantwortlich. Sie selber hat es getan. » Man könnte sicherlich die « Umwelt » anklagen oder aber eine Anlage. Und... noch viel mehr. Ich war sehr beeindruckt, dass Plath auf sehr anspielende Weise zB davon erzählt, wie Esther als Schülerin auch getäuscht hat (man erinnere sich über den Physik-, bzw Chemieunterricht). Sie spielt also « mit », in gewissem Sinne. Auch während des Aufenthaltes in NY macht sie ja die verschiedensten Wettbewerbe mit trotz allem « es eigentlich besser wissen ». Und so könnte man sich fragen, ob man dann also auch bei einem bewußt empfindenden, denkenden Menschen von « Mitlaufen » reden kann, soll ?


    Durch den Rosenberg-Hinweis kann man die Handlung auf 1953 datieren, Zeitpunkt, an dem auch im Leben Sylvia Plaths es ähnlich aussah. Und so wird im Nachwort meiner französischen Ausgabe von Lois Ames auch herausgearbeitet, inwieweit die hier herausgearbeiteten Themen jene von Plath selber sind, und sogar die biographischen Parallelen zwischen Esther und ihr selber zahlreich sind. Sie hat an den Personen in ihrem Umfeld kaum etwas « verändert » und viele erkannten sich wieder:dafür setzte es herbes Unverständnis oder Traurigsein.


    Man könnte sicherlich sehr viel über dieses Buch hinzufügen, doch irgendwie nimt man es im Lesen so an, wie es ist, bewundert ihre Sprache, leidet aber auch an der versteckten Lebensangst hinter allem Witz.


    Eine dicke Empfehlung !!! Und nach einiger Zeit für mich mal wieder: ein :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Nach den ersten 8 Kapiteln kann ich nur eins behaupten: Dieser Roman erinnert mich sehr stark an Ingeborg Bachmanns Roman "Malina". Ich finde, dass diese Passage, wo dieser fiese Buddy vorkommt, wirklich ein gelungenes Antiplädoyer für die Ehe ist.
    Es ist mir ehrlich gesagt unangenehm, dieses Meisterwerk so genießen zu können, und zugleich zu wissen, dass die Autorin damit ihr allerletztes Können unter Beweis gestellt hat, bevor sie ihrer Depression und allem Schmerz erlegen ist. Sylvia Plath hat uns etwas Gutes getan, aber ihr konnte die Psychiatrie nicht helfen.

  • Zitat

    aus der "Glasglocke" S. 130
    "Dann fiel mir ein, ich könnte das College für ein Jahr unterbrechen und zu einem Töpfer in die Lehre gehen."


    Ja, wäre gut gewesen, sozusagen Ergotherapie, aber daran hat ja dieser eitle Psychiater-Fatzke, Dr. Gordon, nicht gedacht.
    Also bei mir hat es nun Esther-Sylvia geschafft, dass ich mir wirklich denke, dass "wir Lesenden" auf der sicheren Seite sind, und die Schreibenden sich abrackern müssen, damit sie wichtige Stipendien bekommen oder einen dummen Platz in einem dummen Schreibseminar und dann nachher die ganze Unsicherheit mit einem antibürgerlichen Tagesrhythmus etc.

  • Zitat


    "Wer Plath lesen, verstehen und dann auch noch ertragen will braucht im Prinzip beides: Sensibilität und ein dickes Fell." (Katharina Döbler, kulturradio)


    Ich möchte noch auf einen Erzählband von Sylvia Plath verweisen, den ich mir leider als Entlehnexemplar nirgendwo besorgen kann. (Und kaufen tue ich ja gar keine Bücher mehr - ausnahmslos.)

  • Ich habe mich hier ein wenig durch die Kommentare gelesen und muss ernüchternd feststellen, dass ich anscheinend als einzige meine Probleme mit dem Buch hatte. Ich habe es häufig in Empfehlungen von BookTubern gesehen und auch hier und da einige 5-Sterne-Bewertungen gelesen und hatte hohe Erwartungen.

    Bereits zu Beginn des Buches, war ich überrascht von der Sprache, die auf mich direkt, teilweise etwas verwirrend bzw. unverständlich, aber vor allem untypisch, fast schon rebellisch für die Zeit der 50er Jahre wirkte. Ich hatte so meine Schwierigkeiten, jedes einzelne Wort mit voller Aufmerksamkeit zu lesen und merkte, wie ich oftmals mit den Gedanken abschweifte. Nach den ersten 10 Seiten war mir klar, dass das nicht einfach wird. Ich kann mir nicht genau erklären, woran es lag, aber ich glaube, ich konnte mich mit den "Belanglosigkeiten" der Protagonistin nicht anfreunden. Nach circa 20 Seiten musste ich es tatsächlich auch erst einmal zur Seite legen und habe mich einem anderen, einfacheren Genre gewidmet. Danach gab ich ihm mit neugewonnener Motivation eine zweite Chance.

    Nach etwa der Hälfte der Handlung entwickelte sich das Ganze erst so richtig. Ich konnte mich besser in Esthers Verschrobenheit hineinversetzen, fand sogar etwas Gefallen daran, und allmählich interessierte mich auch ihre weitere Entwicklung.

    Der Schluss hingegen enttäuschte mich wiederum. Ich hätte gern mehr über ihre Behandlung erfahren, denn so ohne weiteres wirkte es auf mich, als war ihre Depression gar nicht so schlimm, wie angenommen.


    Ich vergab 3,5 von 5 Sternen. Es war okay, das Thema interessant, aber die Umsetzung überzeugte mich leider nicht so sehr.