Baba Dunjas letzte Liebe

Buch von Alina Bronsky, Sophie Rois

Bewertungen

Baba Dunjas letzte Liebe wurde insgesamt 57 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4,1 Sternen.

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Baba Dunjas letzte Liebe

    Baba Dunja ist nach Tschernowo zurückgekommen. Jenen Ort, der in der Todeszone des Reaktorunglücks von Tschernobyl liegt. Sie ist eine alte, intelligente und äußerst schlagfertige Frau, die genau weiß, was sie tut. Sie möchte dort ihren Lebensabend verbringen, daraufhin sind ihr auch andere gefolgt. Man kennt Baba Dunja, über sie wurde berichtet. Mit kargen Mitteln und den hilfreichen Päckchen ihrer Tochter Irina hält sie sich über Wasser. Genau wie sie suchen die anderen Bewohner nach Ruhe. Man bildet zwar eine Gemeinschaft, aber jeder hat seinen Freiraum, was alle sehr schätzen.
    Die Tierwelt hat sich verändert, ein Biologe war da, um die Gegend zu untersuchen. Wer dort lebt, hat keine Angst vor den Strahlen und lebt mit den Nachwirkungen der Katastrophe. Doch eines Tages kommt ein Fremder in das Dorf, der das geruhsame Leben unterbricht.
    Auf eine wunderbare herzerwärmende Art hat Alina Bronsky eine Momentaufnahme einer Frau geschaffen, die stark, voller Humor und Willenskraft ist. Baba Dunja geht ihren Weg, erzählt von der Vergangenheit und kämpft um ihre Zukunft. Herrlich komisch kommt die kleine Geschichte daher, angereichert mit Lebensweisheiten und dem Scharfsinn der weiblichen Hauptfigur. Sie sieht tote Dorfbewohner, kümmert sich um die anderen, die auch wie sie realistisch gezeichnet sind, und das entlockt dem Leser so manches Schmunzeln.
    „Wenn ich mir unser Dorf angucke, habe ich nicht das Gefühl, dass hier nur lebende Leichen herumlaufen. Manche werden es nicht mehr lange machen, das ist klar, und daran ist nicht nur der Reaktor schuld.“
    Die Autorin versteht es, dieses grauenvolle Stück Vergangenheit mit dem Lebenswillen und der Zuversicht der Einheimischen zu verbinden. Man kann nachfühlen, was passiert ist und hat dennoch ein Lächeln im Gesicht. Diese Gratwanderung gelingt äußerst gut.
    Mit 154 Seiten ist das Buch ein Auszug aus dem Leben von BabaDunja, und davon hätte ich gern mehr gelesen. Aber auch die Kürze macht die Geschichte zu etwas Besonderem. Im Leben wird die Entwicklung auch weiter geschrieben, es ist nicht an der Stelle vorbei, wo ENDE auf der letzten Seite steht. So kann auch der Leser weiterdenken, sinnieren und sich fragen, welche Abenteuer diese energische Frau noch erleben wird. Denn eines ist sicher: So leicht lässt sie sich nicht unterkriegen!
    „Ich habe alles gesehen und vor nichts mehr Angst. Der Tod kann kommen, aber bitte höflich."
    Eine besinnliche Erzählung voller Wärme, Tragik, Ironie und Hoffnung.
    5 Sterne.
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  • Rezension zu Baba Dunjas letzte Liebe

    Baba Dunja, die nun wirklich keine 82 Jahre mehr ist ;-) kehrt zurück in ihr Heimatdorf Tschernowo, das in der Todeszone von Tschernobyl liegt. Sie ist die Erste, die sich dort, in ihrem alten Haus, wieder niederlässt, doch nach und nach steigt die Zahl der BewohnerInnen. Es sind meist Alte, die Jüngsten um die 60 Jahre, zum Teil schwer krank, die nichts fürchten, auch nicht den Tod. Jede/r lebt dort sein Leben, eine wirkliche Gemeinschaft gibt es nicht. Gemüse und Obst werden im eigenen Garten angebaut, was man sonst so braucht und nicht selbst herstellen kann, wird von der kärglichen Rente im nächsten Städtchen Malyschi gekauft. Es könnte ein Idyll sein, doch Baba Dunja, die Ich-Erzählerin, ist sich der prekären Situation durchaus bewusst: Sie (wie auch der Rest in Tschernowo) strahlt mittlerweile selbst wie ein kleines Atomkraftwerk und ein Happy End ist bestimmt nicht zu erwarten. Wie sollte es in ihrem Alter auch aussehen? Denn eines ist gewiss: der Tod. Und diesem in Tschernowo zu begegnen, ist das Schlechteste nicht.
    Baba Dunja erzählt nicht nur von ihrem Leben im Dorf, sie erinnert sich auch an ihr Leben davor, das voller Mühsal war und darin bestand, für andere da zu sein: ihre Kinder Irina und Alexej; ihren Mann Jegor; die Kranken, die sie als medizinische Hilfsschwester behandelt hat. Nun kann sie zum erstem Mal in ihrem Leben das tun, was sie will: leben und sterben in Tschernowo. Ihrer Tochter Irina, die als Chirurgin in Deutschland lebt, ein Kind hat und nicht verstehen kann, weshalb ihre Mutter dorthin zurückgekehrt ist, schreibt sie beruhigende Briefe.
    Zitat: "Mädchen", sagte ich, "guck mich an. Siehst Du, wie alt ich bin? Und das alles ohne Vitamine und Operationen und Vorsorgeuntersuchungen. Wenn sich jetzt irgendetwas Schlechtes in mir einnistet, dann lasse ich es in Ruhe. Niemand soll mich mehr anfassen und mit Nadeln pieksen, wenigstens das habe ich mir verdient."
    Alina Bronskys Schreibstil trifft den Tonfall dieser alten Baba Dunja wunderbar: gelassen, durch nichts zu erschüttern und immer noch voller Lebensfreude. Sie weiß um die guten und schlechten Seiten der Menschen, verurteilt niemanden und nimmt das Leben wie es kommt - doch ohne sich sagen zu lassen, was sie zu tun hat. Zufälligerweise habe ich gerade zuvor das Buch Eierlikörtage: Das geheime Tagebuch des Hendrik Groen, 83 1/4 Jahre gelesen - das genaue Gegenteil eines Lebens im Alter. Dort wohl versorgt im Altenheim, alles läuft nach Plan: Essen, Trinken, Unterhaltungsprogramm, sofern es eines gibt. Ohne Eigeninitiative (die nicht unbedingt gerne gesehen wird) nichts als gepflegte Langeweile. Wie erfrischend hingegen das Leben in der Todeszone, ohne dass es verklärt wird. Wenn man mich fragen würde, wo ich lieber meine letzten Tage verbringen möchte, wäre die Antwort klar: Tschernowo ;-)
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  • Rezension zu Baba Dunjas letzte Liebe

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    Das ist gleich mal auf meiner Wuli gelandet. Ich bin gespannt, wie du "Baba Dunjas letzte Liebe" empfinden wirst. So dick ist es nicht, also ran an das Buch.
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    Ja, das fand ich auch sehr interessant, vor allem weil ich so gar nichts davon mitbekommen habe (habe übrigens 1,5 Lebensjahre unterschlagen , es war wohl schon zu spät letztens abends ). Ich habe vor kurzem meinen Vater zu Tschernobyl befragt, und er meinte nur, es hieße, man dürfe keine Pilze mehr essen. Kurz nach der Wende haben wir Verwandte in Bayern das erste Mal besucht und ich kann mich erinnern, dass die total erschüttert waren, dass wir regelmäßig Pilze sammeln gingen.
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    Von dem Standpunkt aus habe ich das noch gar nicht betrachtet. Meistens ist es ja so, dass einem das, was man wenig hat (Ruhe, mal nicht ständig erreichbar sein, körperliche Arbeit, keine große Ablenkung von Internet, Smartphone oder TV, kein täglicher Verkehrslärm, kein Arbeits- oder Großstadtstress) sehr verlockend vorkommt - aber alles eben, wie du schon sagst, zwei Seiten hat.
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    Den Gedanken hatte ich, als ich das Tschernobyl-Buch von Swetlana Alexijewitsch gelesen habe: Wie wäre es, wenn heute so ein GAU passieren würde? Ich glaube, die Vertuschung würde heute in Zeiten von Internet, Social Media und einer globalisierten Welt nicht mehr so "gut" funktionieren, wie es 1986 der Fall war. Dennoch zeigt der Link von @Marie, dass auch heute die Öffentlichkeit nur gefiltert oder verzögert über Störfälle informiert wird, was einem schon wirklich Angst machen kann. Wie die Menschen sich heute bei so einem GAU verhalten würden, will ich eigentlich niemals erleben.
    […]
    Das ist eine sehr, sehr schwierige Frage. Was wäre, wenn es dein eigenes Heim ist, in das du und deine Familie ihr ganzes Kapital und Herzblut investiert habt und ein Großteil der eigenen Vergangenheit und Geschichte drin steckt und anderswo nur eine entwurzelte Existenz in bitterster Armut winkt? Ich denke, wenn man Kinder hat und damit die Verantwortung für ein anderes Leben, ist es vermutlich leichter, ein neues Leben zum Wohle der nachfolgenden Generation zu beginnen. Aber wenn man nur noch für sich selbst und sein eigenes Leben verantwortlich ist...
    Eine sehr interessante Diskussion, die sich hier entwickelt hat.
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  • Rezension zu Baba Dunjas letzte Liebe

    Zufällig hat mein Mann, der bevorzugt Krimis und Thriller liest, das Buch am Wochenende entdeckt und es nun gelesen. Sein Fazit nach der Lektüre gebe ich hier gerne wieder:
    Um das Buch "Baba Dunjas letzte Liebe" zu mögen, muss man ein bisschen die russische Seele kennen und lieben. Man muss das sozialistische System und dessen Untergang miterlebt haben und natürlich über Tschernobyl Bescheid wissen. Und man sollte auf dem Land aufgewachsen sein.
    Ewig hab ich gewartet und wollte zu gerne wissen,
    Umsonst gewartet? Keinesfalls.
    Denn in der Zwischenzeit wurde großartig beschrieben,
    Ich glaube, im Frühjahr werde ich auch mal unsere Birken anzapfen.* Ab heute sind es für mich die Baba-Dunja-Birken. Unser kleines Grundstück sehe ich jetzt auch mit anderen Augen. Und plötzlich habe ich auch gar nicht mehr so ein großes Interesse an dem Überangebot im Supermarkt. Ein wenig bescheidener leben und aus den Dingen, die uns die Natur schenkt, etwas machen, danach steht mir der Sinn. Zumindest im Moment.
    Für mich DAS Buch des Jahres. Ich konnte herrlich runterfahren beim Lesen. Alles hatte ich vor Augen. Die dicke Nachbarin und den Hahn und auch die Katze. Und natürlich ihren Garten.
    Es war für mich ein ungewohntes Lesevergnügen der besonderen Art. Dafür herzlichen Dank... gerne mehr davon. Thriller war gestern.
    * Vor unserem Haus stehen zwei Birken .
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  • Rezension zu Baba Dunjas letzte Liebe

    Baba Dunja ist in ihr Dorf zurückgekehrt. Es ist eines jener Dörfer in der Todeszone, die im Umkreis des Atomkraftwerks Tschernobyl nach dem Reaktorunfall 1986 evakuiert wurden, und die seither als unbewohnbar gelten.
    Das stört die alte Dunja aber nicht. Jetzt, da sie alt ist, will sie selbst entscheiden, wo sie wohnen will und ist in ihre Heimat zurückgekehrt. Die Tage sind ruhig in Tschernowo. Die Sonne brennt vom Himmel, Strom gibt es nur selten, dafür mehr Spinnen und Ungeziefer. Auch das stört Dunja nicht. Sie kümmert sich um ihren Garten, baut Obst und Gemüse selbst an, denn das ist ihre Lebensgrundlage. Es gibt nur wenige Bewohner in diesem Dorf, deshalb haben die meisten von ihnen angefangen, mit den Toten zu sprechen, als ob sie noch hier wären. Dunja schreibt lieber Briefe an ihre im Ausland lebende Tochter, sie solle einen neuen Bademantel schicken.
    Die ruhigen Tage werden gestört, als ein noch junger Mann mit seiner kleinen Tochter im Dorf erscheint. Plötzlich ist nichts mehr so wie vorher - und es hat fast nichts mit der Strahlung zu tun.
    In ruhigem Ton wird eine Geschichte erzählt, von einer zupackenden Frau, von Genügsamkeit und ihrem selbstbestimmten Leben. Es bedarf nur einer Winzigkeit, und das beschauliche Leben Baba Dunjas nimmt eine unerwartete Wendung.
    Mir hat dieses Buch - wie allen vor mir - sehr gut gefallen. Die Atmosphäre wird punktgenau getroffen, alle schrulligen Bewohner des Dorfes kann ich mir bildlich vorstellen, ebenso die Aufregung, den die unerwartete Wendung den alten Leuten bereitet.
    Ich vergebe:
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  • Rezension zu Baba Dunjas letzte Liebe

    Allgemeine Informationen:
    Aus der Ich-Perspektive Baba Dunjas erzählt
    Aufgeteilt in Abschnitte, die jeweils mit dem scherenschnittartigen Bild eines Hahns (Erklärung direkt in den ersten Abschnitten) voneinander getrennt sind
    154 Seiten
    Persönliche Meinung:
    Anscheinend braucht man nicht viel, um ein Buch zu schreiben, das jeden entzückt: Einen ansprechenden Protagonisten und eine kleine, aber originelle Handlung, dazu Lokalkolorit und eine Handvoll kauzige oder liebenswerte Nebendarsteller. Die Zutaten also, aus denen Alina Bronsky ihren kurzen Roman entworfen hat.
    Baba Dunja ist über 80, und Bronsky gibt ihr die Stimme einer energischen Frau, die sich in ihrem Alltag, Familie und Beruf durchgesetzt hat und jetzt immer noch allein ihrem eigenen Kopf folgt und es genießt, niemandem mehr Rechenschaft ablegen zu müssen.
    Gemeinsam mit anderen Alten hat sie ihr Heimatdorf Tschernowo, das nach dem Reaktor-Unfall von 1986 am Rand des Todesstreifens liegt, wieder in Beschlag genommen. Sie alle haben ihr Leben gelebt, und die Strahlung kann ihnen nicht mehr viel Lebenszeit rauben, so dass sie sich aus ihren Gärten und dem, was der Rest der Obstbäume und –sträucher hergibt, ernähren.
    Dennoch spielen sie die Gefahr der Strahlung nicht herunter, denn ein gesundes Kind in ihrem Dorf – das können sie dem Kind zuliebe nicht dulden!
    Wer den GAU von 1986 erlebt hat, erinnert sich an die Ungewissheit, die Wut und die Angst, v.a. wer schwanger war, ein Baby oder Kleinkind hatte, wusste nicht ein noch aus zwischen den widersprüchlichen Aussagen von Verantwortlichen, Wissenschaftlern und Politikern in den Medien, wo man zwischen Beschwichtigungen und Panikmache hin- und hergezerrt wurde.
    Bronskys Roman wirkt nicht besänftigend, als wolle sie mit den 80-jährigen Überlebenden die Ungefährlichkeit nuklearer Strahlung und der damaligen Katastrophe beweisen. Weil ihre Personen allesamt Individualisten mit je eigener Motivation zur Rückkehr sind, kommen sie als Beispiel für alle Menschen nicht in Frage.
    „Baba Dunjas letzte Liebe“ gehört zu den Wohlfühlbüchern, in denen die Figuren es dem Leser heimelig machen, weil man ab dem ersten Satz an ihrer Seite ist und bis zum – leider allzu schnellen – Ende bei ihnen bleibt.
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Ausgaben von Baba Dunjas letzte Liebe

Hardcover

Seitenzahl: 192

Taschenbuch

Seitenzahl: 160

E-Book

Seitenzahl: 180

Hörbuch

Laufzeit: 00:04:33h

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