Brodecks Bericht

Buch von Philippe Claudel, Christiane Seiler

  • Kurzmeinung

    drawe
    Eine düstere Parabel über individuelle Schuld in vielen Ausprägungen und die Verführbarkeit von Massen
  • Kurzmeinung

    Hypocritia
    "Literaturbetriebsprosa": es gibt die Ultra-Bösen und es gibt die Unschuldigen, dickstes Schwarz-Weiß im Kitsch-Idyll

Bewertungen

Brodecks Bericht wurde insgesamt 15 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4,3 Sternen.

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Meinungen

  • Eine düstere Parabel über individuelle Schuld in vielen Ausprägungen und die Verführbarkeit von Massen

    drawe

  • "Literaturbetriebsprosa": es gibt die Ultra-Bösen und es gibt die Unschuldigen, dickstes Schwarz-Weiß im Kitsch-Idyll

    Hypocritia

Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Brodecks Bericht

    Teil 2:
    M.C.: Sie zitieren Primo Levi: „“Erzählen ist ein sicheres Heilmittel...“, doch Sie scheinen es auch zu bezweifeln...
    P.C.: Erzählen ist paradoxal. Es ist das „pharmakon“ der Griechen, zur selben Zeit Gift und Heilmittel. Es gibt keine bessere Definition für das Schreiben: das, was vergiftet und heil macht. Indem er sich erzählt beunruhigt sich Brodeck vielleicht, doch er findet auch einen Frieden. Der Schreiber impft sich mit etwas (der Erinnerung), um das Böse zu bekämpfen. Gewisse meiner Romane sind dem Prinzip einer analytischen Kur sehr nahe.
    M.C.: Ist das Schreiben Ihre persönliche Weise der Analyse?
    P.C.: Ich glaube, ja. Doch wenn ich in meinen Texten tragisch bin, bin ich ansonsten eher ein bon vivant. Wäre ich in meinem Leben tragisch, schriebe ich vielleicht komische Texte. Es scheint, dass Woody Allen im Leben von unendlicher Traurigkeit ist... Ich hatte eine glückliche und überbeschützte Kindheit. Das war in der Lorraine, in jenem Dorf bei Nancy, wo ich immer noch lebe. Das Haus meiner Eltern war an den Feldern gelegen: es gab einen Fluss, Hänge mit Obstbäumen, einen Teich. Als ich in der Jugend die Welt wie sie mit ihren Ungerechtigkeiten ist entdeckte, war es ein Schock...
    M.C.: Sie haben den Glauben verloren...
    P.C.: Hätte ich weiterhin an die Existenz Gottes geglaubt, wäre ich viel zu sehr in Zorn gegen ihn gewesen. Ich habe es vorgezogen, mich zu enthalten. Das ist nicht strikt an die Shoah gebunden, aber es ist wahr, dass für mich Gott nicht zu vereinbaren ist mit solchen leidvollen Prüfungen. Die Tatsache, dass einige glücklich geboren werden, in Ländern im Frieden, während andere im Darfour zur Welt kommen und nur Elend und Tod kennen – welchen Sinn soll man darin sehen? Welche göttliche Absicht könnte diese Situation rechtfertigen? Was ich dahingehend toll fand an der katholischen Erziehung – die ich empfangen habe und die ich meiner Tochter gebe – dass sie Werte der Toleranz, der Liebe, der Menschlichkeit beinhaltet. Das einzigste Element, das ich verloren habe, ist der Glaube. Ich habe das ganze Haus behalten, es fehlt nur das Dach... Das schöne Wort Religion (religare) versuche ich ohne Unterlass in meinem Beruf als Schriftsteller umzusetzen. Das Schreiben dient dazu, die Menschen zu verbinden und in meinem Leben versuche ich, ganz bescheiden, auf den anderen, den Nächsten zuzugehen, jener, der nahe bei einem ist und den man nicht sieht. Ich versuche ein Mensch zu sein, das heißt die positiven Werte, die in mir sind, hervorzuheben.
    M.C.: Der Pfarrer in Ihrem Roman trinkt mehr als er denkt...
    P.C.: Er ist ein Doppelgänger von Brodeck. Wie er ist er mit einem Zuviel an Erinnerung konfrontiert. Bei Brodeck wiegt das Gewicht der Geschichte. Beim Pfarrer ist es der intime Stoff aller Menschen: er hat alle Welt angehört und das Unerhörte gehört. An einem Punkt, überladen, kann er nicht mehr, um so mehr als dass er sich seiner Einsamkeit bewusst wird. Es handelt sich um jemanden, der in den Garten Gethsemani eingetreten ist und immer noch wartet. Er hat nach Gott gerufen und niemand antwortet.
    M.C.: Kann man von einem Romanhelden wie Brodek sagen, dass er eine christusfigürliche Dimension hat?
    P.C.: Ja,er ist jener, der sich für die anderen aussetzt, der für die anderen leidet. Der Roman erzählt, wie er sein Leiden erlebt hat. Ich hätte übrigens das Buch beinahe „Die Beichte von Brodeck“ genannt, aber der administrative Aspekt des Berichts hat letztlich Überhand genommen. Für mich sind übrigens viele Rockikonen – Jim Morrison, Jimmy Hendrix, Janis Choplin – christusfigürliche Personen: Menschen, die jung sterben, die ihr Leben aufbrauchen indem sie Bereiche erforschen, in die wir selbst nicht gehen, weil wir weder die Risikofreudigkeit noch das Talent haben. Brodeck ist an die Grenzen der Menschheit gegangen, er ist deren Abgeordneter, Gesandter. Er ist der Sündenbock, derjenige, den man kreuzigt.
    M.C.: Sind Sie, ähnlich wie Nietzsche, ein Atheist, der vom Heiligen fasziniert ist?
    P.C.: Das mag ein Sakrileg erscheinen, aber ich habe viel Freude dabei, meine Tochter zur Messe zu begleiten. Die wahre Revolte liegt heute vielleicht da. Genauso wie skandalös in der Literatur zu sein. Der wahrhafte Skandal ist nicht ein weiteres Buch über den Sex oder einen annähernd bösartigen Roman à la Houellebecq zu schreiben, aber Geschichten zu bilden, die nach nichts ausschauen und dahin führen, wohin niemand geht...
    (aus dem Französischen übersetzt von mir)
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Ausgaben von Brodecks Bericht

Hardcover

Seitenzahl: 336

Taschenbuch

Seitenzahl: 336

E-Book

Seitenzahl: 327

Brodecks Bericht in anderen Sprachen

  • Deutsch: Brodecks Bericht (Details)
  • Französisch: Le rapport de Brodeck (Details)

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