Tassadit Imanche - Eine Tochter ohne Geschichte/ Une fille sans histoire

  • Originaltitel: Une fille sans histoire


    Aus dem Klappentext (gekürzt und ergänzt):
    Paris. Es ist die Zeit des Algerienkriegs (1954-1962), die Zeit der täglichen Polizeieinsätze und Verhöre. Lils Vater hängt an seiner algerischen Herkunft, bleibt der Tradition treu und arbeitet für die FLN (Front de Libération Nationale - algerische Einheitspartei, die für die Unabhängigkeit von frankreich kämpft). Die französische Mutter dagegen bemüht sich bis zur Besessenheit, aus ihren Kindern echte kleine Franzosen zu machen. Sie hat ihnen gegen den Willen des Vaters französische Vornamen gegeben, sie haben blaue Augen und Lil zudem noch blondes Haar. Täglich ist die Familie dem Rassismus, den Beschimpfungen der Nachbars ausgesetzt. Die häufige Konfrontation mit der Gewal, die Zerrissenheit innerhalb der Familie, später die unwürdigen Zustände in einer Arbeitersiedlung von Nanterre, zwingen Lil, sich vor all dem zu verschließen, ihren Hang nach Gewalttätigkeit zu zügeln. Nach dem Tod des Vaters, dem Fremden, begreift sie, dass sie nicht mehr diese "Tochter ohne Geschichte" sein kann.



    Die Familie hat sechs Kinder, der älteste ist ein Sohn, dann folgt Lil, dann weitere vier Schwestern. Als die Mutter den Algerier heiratete, wurde sie von ihren Eltern verstoßen; die Kinder kennen die Großeltern nicht.
    Obwohl Lil die Lieblingstochter ihres Vaters ist und sich daran erinnert, wie er sie oft ins Café mitgenommen hat, ist die Mutter die wichtigste Bezugsperson, auch für die anderen Geschwister. Weil die Kinder ausschließlich französisch sprechen, der Vater aber die Sprache nur schlecht beherrscht, ist die Kommunikation sehr beschränkt.


    Während ihrer Kindheit und Jugend war Lil sehr darauf bedacht, möglichst französisch zu sein; sie brauchte es zum Überleben. Erst als junge Erwachsene beginnt sie, ihre algerischen Wurzeln zu akzeptieren.



    Zwar ist die Zeit des Algerienkrieges nun 50 Jahre her (soviel ich weiß, ist das Problem zwar politisch gelöst durch de Gaulles Anerkennung der Unabhängigkeit Algeriens, aber Unruhen gibt es immer wieder ), doch Lils Schicksal wiederholt sich immer wieder dort, wo Menschen zwischen einander fremde Kulturen geraten und statt Heimat Zerrissenheit erleben. Das gilt am Beispiel dieses Buches sowohl für den Vater, der aus seiner Heimat ausgewandert ist, als auch für die Mutter, die zwar in ihrem Land lebt, aber von ihren Landsleuten ausgegrenzt wird, und in besonderem Maße für die Kinder, die weder hier noch dort zuhause sein können.


    Das 135 Seiten dünne Buch liest sich einfach, doch es enthält Passagen, die man schmerzlich mitempfindet.
    Schade, dass man es nur noch antiquarisch bekommt.


    Marie



    edit: Zur Autorin: Tassadit Imanche wurde 1958 als Kind eines algerischen Gastarbeiters und einer französischen Arbeiterin geboren. "Eine Tochter ohne Geschichte" ist ihr erster, in Frankreich vielbeachteter, autobiographischer Roman.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



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